100-jährige Jubiläum von Lehre und Forschung für den Gartenbau in Dresden-Pillnitz

Vor der Sammlung der Malus Wildartenmuster (© JKI)

Vom 06. bis 07.10.2022 fand die diesjährige Tagung der Arbeitsgruppe 9 „Geschichte der Pflanzenzüchtung“ der Gesellschaft für Pflanzenzüchtung (GPZ) e. V. im Institut für Züchtungsforschung an Obst des Julius Kühn-Institutes (JKI) in Dresden-Pillnitz statt. Anlass war das 100-jährige Jubiläum von Lehre und Forschung für den Gartenbau in Dresden-Pillnitz. Eröffnet wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Henryk Flachowsky, dem Leiter des Dresdner Institutes. Nach einer kurzen Begrüßung der Gäste und einer Vorstellung des Instituts widmete sich der erste Teil der Veranstaltung der historischen Entwicklung der Obstzüchtung in Deutschland. Prof. Flachowsky präsentierte einen geschichtlichen Abriss der Obstzüchtung. Ausgehend von den ersten Erkenntnissen zur Sexualität von Pflanzen Mitte des 18 Jahrhunderts ist die Durchführung erster Kreuzungen durch Kastration von Blüten und künstliche Bestäubung, wie bei Johann Benedict Metzler (1783) beschrieben, als Startpunkt der gezielten Sortenentwicklung bei Obstgehölzen anzusehen. Im Folgenden spannte Prof. Flachowsky den Bogen über die Gründung erster öffentlich finanzierter Züchtungsprogramme in Proskau (1868), Geisenheim (1881-82), Pillnitz (1922) und Müncheberg (1928), über den Beginn der systematischen Obstzüchtung infolge der Wiederentdeckung der Mendelschen Vererbungsregeln bis hin zum aktuellen Stand der In Deutschland existierenden Obstzüchtungsprogramme. Dr. Andreas Peil beleuchtete die Geschichte der Apfelzüchtung am Beispiel der Züchtung auf Resistenz gegenüber dem Erreger des Apfelschorfs, Venturia inaequalis. Diese begann um 1930 in Müncheberg mit der Nutzung und Erforschung der Widerstandsfähigkeit aus der Sorte Stein-Antonovka. Neben dieser Resistenz wurden in den darauffolgenden Jahrzehnten auch andere Schorfresistenzen, wie die aus der Apfelwildartenabstammung Malus floribunda 821 und dem ‘Russian Seedling‘ im Rahmen der Pillnitzer Sortenzüchtung genutzt. Heute nutzt die Pillnitzer Apfelzüchtung acht Schorfresistenzen mit dem Ziel unterschiedliche Kombinationen in neuen Sorten zu vereinen, um die Widerstandsfähigkeit gegenüber Apfel so effizient wie möglich zu gestalten. Die Bedeutung der Obstgenetischen Ressourcen für die Züchtung, deren Vielfalt sowie Konzepte zu ihrer Erhaltung wurden von Dr. Monika Höfer vorgestellt. Den letzten Beitrag zur Geschichte der deutschen Obstzüchtung präsentierte Dr. Mirko Schuster. Er referierte über die Züchtung von Süß- und Sauerkirsche im historischen Kontext und die Erweiterung der genetischen Vielfalt durch Sammlungsreisen in Aserbeidschan, im Iran und in der Türkei.

Im zweiten Teil der Veranstaltung bereicherte Dr. Markus Kellerhals von Agroscope in Wadenswil, Schweiz, die Veranstaltung mit einem Beitrag über die Geschichte der Obstzüchtung in der Schweiz. Am Schluss des ersten Tages referierte Dr. Walter Guerra vom Versuchszentrum Laimburg in Südtriol über das Prinzip, die Entwicklung und die Vielzahl von Clubsortenkonzepten bei Apfel und präsentierte diese im Vergleich zu frei verfügbaren Apfelsorten. Der erste Tag der Veranstaltung wurde dann mit einer Verkostung traditioneller Apfelsorten aus der Genbanksammlung des JKI und Pillnitzer Neuzüchtungen sowie einer Verkostung von Weinen aus dem Julius Kühn-Institut in Siebeldingen abgeschlossen. Die Weinverkostung, mit viel Hintergrundinformationen u. a. über die Widerstandsfähigkeit der einzelnen Rebsorten gegenüber pilzlichen Schaderregern, wurde von Dr. Oliver Trapp aus dem Institut für Rebenzüchtung des JKI während des gemeinsamen Grillabends moderiert.

Den zweiten Tag der Veranstaltung leitete Dr. Volker Lein, der Vorsitzende der AG Geschichte, mit einer internen Arbeitssitzung der Arbeitsgruppe „Geschichte der Pflanzenzüchtung“ ein. Danach wurden aktuelle Arbeiten aus dem Institut für Züchtungsforschung an Obst vorgestellt. Dr. Ofere Francis Emeriewen stellte die Arbeiten zur Identifizierung von Genomregionen für Feuerbrandresistenz im Wildapfel Malus fusca vor. Dabei konnte zusätzlich zu einer Hauptregion auf Chromosom 10 zwei weitere Regionen auf den Chromosomen 4 und 15 kartieren. Die Arbeiten zu den genetischen Mechanismen der Blüteninduktion und Knospenruhe bei Baumobst präsentierte Frau Dr. Janne Lempe. Sie erläuterte dabei die Schwierigkeiten, die mit einer exakten Erfassung des Übergangs zwischen verschiedenen Stadien der Winterknospenruhe verbunden sind. Abgeschlossen wurde die Vortragsveranstaltung durch eine Präsentation von Dr. Thomas Wöhner, der den Aufbau des Sauerkirschgenoms anhand seiner Ergebnisse der Sequenzierung des Genoms der Sauerkirsche ‘Schattenmorelle‘ und der genetischen Kartierung schilderte.

Abgeschlossen wurde die Veranstaltung mit einer Führung der Gruppe durch die Züchtungs- und Genbankquartiere des Dresdener Instituts. Besonders eindrucksvoll für die Teilnehmer war dabei die Sammlung der Malus Wildartenmuster, in der auch Muster der drei in Europa heimischen Arten M. florentina – Italienischer Apfel, M. sylvestris – Holzapfel, und M. trilobata – Dreilappiger Apfel wachsen.

(Prof. Dr. Henryk Flachowsky und Dr. Andreas Peil)