12. AG-Vortragstagung der GPZ-AG (8) Saatgut und Sortenwesen am 24. bis 25. Februar 2010 in Gatersleben “Saatgut als Kulturerbe – Produktion, Nutzung und Erhaltung”

– 100 Teilnehmer –

Organisation:
Andreas Börner, Ulrike Lohwasser, Manuela Nagel (Gatersleben), Karin Förster (AG-Leiterin; Halle)

 Die Frühjahrsarbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft Saatgut und Sortenwesen fand auf Einladung von Herrn PD Dr. A. Börner vom 24. bis 25. Februar 2010 am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben statt. Ca. 100 Teilnehmer aus wissenschaftlichen Einrichtungen, Züchtungsfirmen und Landesanstalten diskutierten über das Thema “Saatgut als Kulturerbe – Produktion, Nutzung und Erhaltung”.

Keynote Sprecherin Ilse Kranner (Millenium Seedbank, UK) eröffnete die Veranstaltung mit einem sehr informativen Übersichtsbeitrag zu den physiologischen und biochemischen Grundlagen der Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen in Genbanken. Von besonderem Interesse waren die Ausführungen zu neuen Entwicklungen bei den non-destruktiven Untersuchungsmethoden. Derartige Methoden und die Verallgemeinerungsfähigkeit ihrer Ergebnisse bzw. die Übertragbarkeit der Ergebnisse von Einzeluntersuchungen auf Saatgutpartien stehen seit vielen Jahren im Mittelpunkt des Interesses der Saatgutforschung. An diesen Vortrag schlossen die grundlagenorientierten Beiträge von Manuela Nagel (IPK Gatersleben) zur Langlebigkeit von Getreide und M. A. Rehmann Arif  (IPK Gatersleben) zur Genetik der Langlebigkeit bei Weizen nahtlos an. Qi Yangs (Universität Hohenheim) Beitrag zur Bestimmung optimaler Lagerungsbedingungen für die ultra-dry Saatgutlagerung von Zwiebel, Weizen und Raps unterstrich die Bedeutung der Kenntnis der Ausgangsqualität des Saatgutes für die Lagerfähigkeit des Saatgutes. Gleichzeitig zeigten seine Untersuchungen die Art- und Sortenspezifität des Merkmals Samenfeuchte im Hinblick auf den Erhalt der Keimfähigkeit und der Triebkraft. Im Anschluss beleuchtete Sebastian Bopper (Universität Hohenheim) das Potenzial des Q2-Scanners (ASTEC Global) zur Unterscheidung keimender und nicht keimender Samen in der Quellungsphase. Mit dem Gerät, das den Sauerstoffverbrauch von Samen während der Quellung in einer definierten Umgebung ermittelt, wurden Weizen, Raps und Zwiebel untersucht. Weitere Untersuchungen werden zeigen, ob die für die Auswertung der Daten entwickelten Modelle belastbare Aussagen zum Keimungsvermögen von Einzelsamen liefern können.

Im Anschluss an die Kaffeepause wurden die Posterbeiträge vorgestellt. Neben den interessanten Beiträgen zur Grundlagenforschung -Langlebigkeit von Gerste, Weizen und Raps; Sauerstoffverbrauch und Rolle der Mitochondrien in der Quellungsphase der Erbsen- standen die Poster zur Saatgutqualität von Winterweizen unter den Bedingungen des ökologischen Landbaus, zum Komplex Keimfähigkeit-Triebkraft-Feldaufgang bei Mais sowie die neun Poster zu Aspekten der Sammlung pflanzengenetischer Ressourcen bzw. des Aufbaus der Genbank für Wildpflanzen für Ernährung und Forschung (WEL) und der Genbank Südwest im Mittelpunkt des Interesses.

Die zweite Hälfte der Vorträge am 24.2.2010 war der angewandten Forschung vorbehalten. Oliver Gentsch (Universität Halle) stellte erste Ergebnisse zum Keimfähigkeitspotenzial und zur realisierten Keimfähigkeit von Hartweizensorten in Abhängigkeit von den Reife- und Druschbedingungen vor. Benno Voit (Bayerische LFL, Freising) verdeutlichte in seinem Vortrag, dass die Keimfähigkeitsuntersuchung unter optimalen Bedingungen bei Sorghum-Hirse ein wesentlich ungünstigeres Merkmal zur Vorhersage des Feldaufgangs ist als der vorgestellte modifizierte Triebkrafttest. Bodo Hofmann und Marie Böttcher (Universität Halle) gingen in ihren Beiträgen auf die Überwinterung von Flughaferpflanzen sowie die Lebensfähigkeit und das Keimungsverhalten von Flughaferspelzfrüchten in Abhängigkeit von der Varietät und der Herkunft ein. Die großen Unterschiede im Verhalten der in Deutschland vorkommenden Flughafer-Varietäten sind insbesondere für Saatguterzeuger von Interesse, da das Auftreten von Flughafer in Vermehrungsbeständen zur Aberkennung des Vermehrungsvorhabens führen kann. Im abschließenden Beitrag des ersten Tages stellte Raphael Albrecht die Entwicklung der Erträge einzelner Arten im Ackerbau der verschiedenen Regionen Deutschlands, basierend auf Ergebnissen der besonderen Ernteermittlung und von Landessortenversuchen, vor und leitete Aussagen zur Nutzung des züchterischen Fortschritts in der Praxis ab. In der anschließenden Diskussion wurde auf den Unterschied dieser Art der Datenerfassung zu der anderer Studien zur Abschätzung des züchterischen Fortschritts hingewiesen.

Am Abend trafen sich die Teilnehmer zu einem geselligen Beisammensein im Brauhaus Lüdde in Quedlinburg.

Der zweite Tag stand im Zeichen des Sortenwesens und der zahlreichen Aspekte der Erhaltung der pflanzlichen Vielfalt in Genbanken. Einleitend stellte Uta Schnock (Bundessortenamt Hannover) die Entwicklung der Sortenzulassung in Deutschland und Europa seit 1990 vor und hob die Bedeutung der Beschreibenden Sortenliste als neutrale Informationsquelle hervor. Auf besonderes Interesse stießen auch ihre Ausführungen über die seit Juli 2009 geltende Erhaltungssortenverordnung. Gerhard Hartmann (LLFG, Bernburg) betrachtete in seinem Vortrag am Beispiel des Winterweizens die Wechselbeziehungen zwischen Nutzungsanforderungen bzw. Anspruchsvielfalt, vom Züchter bereitgestellter Sortenvielfalt und den Möglichkeiten der schnellen Bereitstellung von Ergebnissen aus den Landessortenversuchen. Er konnte überzeugend nachweisen, dass Sortenvielfalt heute und in der Zukunft für eine den regionalen Gegebenheiten und den Prinzipien der Nachhaltigkeit Rechnung tragende Landwirtschaft unerlässlich ist. Ein weiterer Beitrag zum Weizen befasste sich mit den kornschädigenden Insekten Thripsen und Weizengallmücken. Nawal Gaafar (Universität Halle) konnte an Hand zweijähriger Ergebnisse an 50 Winterweizensorten nachweisen, dass es gegenüber Weizengallmücken resistente Sorten gibt. Auflockerung der Fruchtfolge durch Artenvielfalt: Carola Pekrun (Hochschule Nürtingen-Geislingen) stellte das Vorhaben zur Wiederbelebung historischer Linsensorten von der Schwäbischen Alb vor. Die Anbauwürdigkeit von drei Sorten, die in der Genbank des IPK in Gatersleben und des Vavilov-Institutes in St. Petersburg lagerten, konnte nach Zwischenvermehrungen geprüft werden. Weitere Untersuchungen werden zeigen, ob die agronomisch am günstigsten zu bewertende Sorte “Späths Alblinse klein” im Vergleich zu modernen Linsensorten anbauwürdig ist. Ebenfalls mit einer alten Sorte, der Kartoffellandsorte “Bamberger Hörnla”, befasste sich der Beitrag von Andrea Schwarzfischer (Bayerische LFL, Freising). Sie stellte Ergebnisse zur Virusbefreiung der Kartoffel mittels Meristemkultur vor und stieß ebenso wie Cornelia Lehmann (Humboldt-Universität Berlin) mit dem Beitrag zum Problem der Verfügbarkeit aktueller Sortenbeschreibungen als Grundlage für die Vermehrung alter Lactuca-Sorten eine rege Diskussion zum Thema Erhaltungssorten an. Weitere interessante Beiträge behandelten Möglichkeiten und Effektivität der Vorbehandlung von Wiesenrispen-Saatgut (Christiane Sandritter, Universität Hohenheim), den Aufbau der Genbank für Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft (Sabine Zachgo, Universität Osnabrück), Wildpflanzen mit Nutzungspotenzial, Genbank Südwest (Annemarie Radkowitsch, Pädagogische Hochschule Karlsruhe) und die on farm Erhaltung alter Getreidesorten (Rudolf Vögel, Landesumweltamt Brandenburg, Eberswalde). Karl-Josef Müller stellte die Ent­wicklung eines Hellkornroggens, des Lichtkornroggens, dar. Das Vortragsprogramm beendete Ulrike Lohwasser mit einem bemerkenswerten Überblick zur Saatgutqualität im Wandel der Zeit, zur Domestikation und zum Qualitätsmanagement.

Zum Abschluss der Tagung informierte ein Film anschaulich über Aufgaben, Struktur und Organisation des Institutes für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben und der Genbank und leitete zur Besichtigung der Genbank über.

Den Organisatoren der Tagung sei an dieser Stelle für die umfangreichen Vorbereitungs­arbeiten und die Organisation der Tagung sowie der Führungen durch die Genbank, speziell zum Wildpflanzensortiment, herzlich gedankt.

Die Tagungsbeiträge werden im Band 5 der Berichte der Gesellschaft für Pflanzen­bauwissenschaften publiziert.

Neuwahl des AG-Leiters: Herr Dr. Andreas Börner wurde am 24.2.2010 auf der Mitgliederversammlung zum neuen Leiter der gemeinsamen Arbeitsgemeinschaft Saatgut und Sorten­wesen der Gesellschaft für Pflanzenbau-wissenschaften und der Gesellschaft für Pflanzenzüchtung gewählt.

Karin Förster
Andreas Börner