Aktuelle Schwerpunkte und Trends in der Zuckerrübenforschung auf der 12. Göttinger Zuckerrübentagung am 03. September 2015 in Göttingen

– 300 Teilnehmer –

Das Institut für Zuckerrübenforschung (IfZ) veranstaltet am 3. September 2015 die 12. Göttinger Zuckerrübentagung auf dem Nordcampus der Uni­versität Göttingen. Der Institutsleiter Prof. Dr. Bernward Märländer erwartet 300 Teilnehmer aus Rübenanbauerverbänden und Zuckerunternehmen, Beratungsinstitutionen, Behörden, Pflanzenschutzindustrie, Züchtungs­unternehmen, wissenschaftlichen Institutionen und von Roderherstellern. In Vorträgen werden aktuelle Forschungsergebnisse zu Perspektiven des Zuckerrübenanbaus unter den veränderten Marktbedingungen, zu Fragen des Pflanzenbaus, zu Wurzelfäulen sowie zukünftigen Systemen der Unkrautregulierung vorgestellt und im Forum diskutiert.

Die Beziehungen zwischen Sorte und Umwelt und daraus entstehende Konsequenzen für die Sortenwahl bei Zuckerrüben zeigt Friederike Hoberg (Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Zuckerrübenanbaus in Nord­deutschland) am Beispiel der Cercospora-Blattfleckenkrankheit. Sie stellt hierbei die Ergebnisse ihrer Masterarbeit vor, die sie in Zusammenarbeit mit dem Bundessortenamt und den regionalen Arbeitsgemeinschaften am IfZ durchführen konnte. In den Ergebnissen dieser Arbeit wird deutlich, dass aufgrund der gezielten Resistenzzüchtung inzwischen weniger Cer­cospora-anfällige Sorten, auch ohne Auftreten der Blattkrankheit, das hohe Ertragsniveau der anfälligen Sorten erreichen. In den entsprechenden Sortenversuchen reichen 20 gewertete Standorte in Deutschland aus, um eine hohe Schätzgenauigkeit zu erzielen. Ertragssicherheit unter den ver­schie­densten Umweltbedingungen wird auch in Zukunft ein wichtiges Krite­rium der Züchtung bleiben, wie z. B. die Züchtung mehrfachresistenter Zuckerrübensorten, die gleichzeitig ein hohes Ertragsniveau realisieren.

Ziel des Anbaus von Zuckerrüben als Winterfrucht ist eine deutliche Ertrags­steigerung. Dr. Nicol Stockfisch (IfZ) berichtet aus einem mehrjährigen Ver­bundprojekt zur Effizienz des Winterrübenanbaus. Als Winterrüben werden Zuckerrüben bezeichnet, die im August gesät und im Sommer oder Herbst des darauffolgenden Jahres geerntet werden. Da bislang keine schossfesten Pflanzen für einen Feldanbau zur Verfügung stehen, beruhen Ergebnisse zur Bewertung und zu potenziellen Vor- und Nachteilen nicht auf Feldversuchs­ergebnissen, sondern auf modellhaft konzipierten Anbauverfahren. Erträge für Winterrüben wurden aus dem gleichen Grund mit einem speziell für Win­terrüben weiterentwickelten Pflanzenwachstumsmodell von der Universität in Kiel berechnet. Insgesamt zeigte sich, dass Winterrüben in Abhängigkeit vom realisierten Ertrag zu einer höheren Effizienz der Ressourcennutzung beitragen können, ohne dass gravierende negative Umweltauswirkungen zu befürchten sind.

Als entscheidende Emissionsquelle für Lachgas, ein Treibhausgas mit Klimarelevanz, werden die Landwirtschaft und hierbei vor allem die stick­stoffhaltigen Dünger angesehen. Privatdozent Dr. Gernot Bodner von der Universität für Bodenkultur, Wien, stellt in seinem Beitrag dar, dass eine nachhaltige Pflanzenproduktion hohe Ressourceneffizienz anstrebt, was gleichzeitig mit einer Reduktion gasförmiger N-Verluste einhergeht. Aus der Literatur werden weitere Managementfaktoren wie die Bodenbearbeitung und Fruchtfolge für N2O-Emissionen aufgezeigt. Die Komplexität bei der Bildung von N2O sowie die vielfältigen Interaktionen mit Umweltbedingun­gen erschweren eine allgemeingültige Einschätzung der Effektivität einzel­ner Maßnahmen und somit auch einfache Handlungsempfehlungen. Den höchsten Wirkungsgrad für die Reduktion der Lachgasemissionen scheint man durch reduzierte Substratverfügbarkeit bzw. Stickstoffdüngung, also der Steigerung der N-Nutzungseffizienz erreichen zu können.

Um das Auswaschungsrisiko von Stickstoff aus der Landwirtschaft in Ge­wässer zu minimieren, fordert die Düngeverordnung im gleitenden Mittel von drei Düngejahren 60 kg Stickstoff pro Hektar nicht zu überschreiten, was an Hand von Flächen- oder aggregierte Schlagbilanzen geprüft wird. Inwieweit sich jedoch aus der Stickstoffbilanz das tatsächliche Risiko einer Aus­waschung ableiten lässt, wird sehr kontrovers diskutiert. Indikatoren, die zu­verlässig das Auswaschungsrisiko einschätzen und in der landwirtschaft­lichen Praxis umsetzbar sind, werden benötigt. Wiebke Brauer-Siebrecht (IfZ) stellt Feldversuche mit Zuckerrüben und Senf als Zwischenfrucht in den Fruchtfolgen vor: (Senf-)Zuckerrüben-Winterweizen-Winterweizen, (Senf‑)Silomais-Winterweizen-Winterweizen, (Senf-)Silomais-Zuckerrüben-Winterweizen. Dabei lagen die N-Bilanzen aller Fruchtfolgen mit max. 30 kg N/ha deutlich unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Wert. Weder die N-Bilanz noch der Nmin-Vorrat im Boden vor Winter eignen sich gut zur Ein­schätzung des Auswaschungsrisikos, da sie während der Vegetationszeit nur einmalig erhoben werden. Mit dem Simulationsmodell Nitrogen Dyna­mics in Crop Rotations in Ecological Agriculture wurde dynamisch während der Vegetationszeit das Auswaschungsrisiko sowohl für Zuckerrüben als auch für Silomais gering eingeschätzt.

Zwischenfruchtanbau mit seinen vielfältigen Vorteilen in Hinblick auf Ero­sionsschutz, Reduktion der Nährstoffauswaschung, unkrautregulierende Wirkung, als Bienenweide und viele weitere wird im Zuckerrübenanbau nicht zuletzt zur Bekämpfung von Rübennematoden eingesetzt. In ihren Untersuchungen setzte Melanie Hauer (IfZ) nematodenresistenten Senf ein. Die Zwischenfrucht hatte keinen Einfluss auf die N-Aufnahme der Zu­ckerrüben oder den Zuckerertrag. Kann sich eine Zwischenfrucht noch vor Winter ausreichend etablieren, wurde die Nematodendichte durch resis­tenten Senf reduziert. Nach späträumenden Getreidearten und ent­sprechend kurzer Vegetationszeit vor Winter für die Zwischenfrucht erwies sich der Anbau einer resistenten Zuckerrübensorte als effektive Maßnahme zur Nematodenkontrolle. Auf Böden mit einer guten N-Nachlieferung bestätigte sich in den Untersuchungen, dass die Menge an gedüngtem N für den Zuckerertrag kaum eine Bedeutung hat. Im Gegenteil durch einen erhöhten N-Input wird die technologische Qualität ohne eine Erhöhung des Zuckerertrags gemindert.

Daniel Laufer (IfZ) untersuchte in bundesweiten Feldversuchen die Aus­wirkungen einer Streifenbearbeitung im Herbst auf den Feldaufgang und Ertrag in Zuckerrüben. Dabei verglich er das reduzierte Verfahren mit einer betriebsüblichen Stoppelbearbeitung und Saatbettbereitung. Die Versuche wurden als On-Farm-Experiment in Praxisflächen hineingelegt. Der Feld­aufgang war bei Streifenbearbeitung 7 % niedriger als bei einer betriebs­üblichen Bodenbearbeitung, was die Autoren vor allem auf Standorten mit schweren Böden (Tongehalt > 20 %) beobachteten. Auf diesen Standorten führte der Mangel an kleinen Bodenaggregaten zu einer ungleichmäßigen Einbettung des Saatguts. Keinen Einfluss hatte die Streifenbearbeitung auf Beinigkeit oder technologische Qualitätsparameter der Rüben (Standard­melasseverlust). Der Bereinigte Zuckerertrag lag im Mittel über alle Standorte bei Streifenbearbeitung gegenüber der betriebsüblichen Boden­bearbeitung zwar 3,5 % niedriger, aber dieser Unterschied ließ sich nicht statistisch absichern. Gruppiert man die Standorte nach Tongehalt der Böden, so kam es bei Streifenbearbeitung auf Böden mit einem Tongehalt >20 % eher zu Mindererträgen verglichen mit den betriebsüblichen Verfah­ren. Derzeit ist der gleichmäßige Feldaufgang bei einer Streifenbearbeitung noch nicht optimal gelöst.

Wurzelfäulen verursachen bei Zuckerrüben ertragsrelevante Schäden, was insbesondere bei der derzeitigen, wirtschaftlich bedingten Ausdehnung der Kampagnen und der längeren Lagerung der Rüben deutlich ins Gewicht fällt. Neben anderen Fäulen steht hierbei die Späte Rübenfäule, verursacht durch Rhizoctonia solani, besonders in der Region Niederbayern und Rhein­land im Vordergrund. Sascha Schulze (IfZ) untersuchte unter Feld­bedingungen die Auswirkungen von Bodenparametern (Eindringwiderstand, Gesamtporenvolumen u. a.) und der Kombination von Vorfrucht/Boden­bearbeitung (Silo-, Körnermais; Pflug, Grubber, Überrollen und flache Grubberbearbeitung) auf den Befall durch die Späte Rübenfäule an zwei Zuckerrübengenotypen (anfällig, resistent). Kam es zum Befall, war dieser wie erwartet beim anfälligen Genotyp stärker als beim resistenten ausge­prägt. Während der Bereinigte Zuckerertrag signifikant von Bodenpara­metern beeinflusst wird, konnten keine Korrelationen zur Befallsstärke hergestellt werden. Auch bei der Kombination aus Vorfrucht/Boden­bearbeitung konnte kein signifikanter Einfluss auf die Befallsstärke nach­gewiesen werden, allerdings gab es Hinweise, dass eine reduzierte Bodenbearbeitung zu einem höheren Befall mit R. solani als eine konven­tionelle Pflugbearbeitung führen könnte.

Rhizoctonia solani ist weltweit ein bedeutendes Pathogen, wobei man von einem Spezieskomplex sprechen muss, der an Hand unterschiedlicher Anastomosegruppen unterteilt werden kann. Anika Bartholomäus (IfZ) stellt Daten zur Rhizoctonia-Kontrolle bei Zuckerrüben vor allem aus den USA vor, wo sich eine Fungizidapplikation im Band im Stadium BBCH 14 etabliert hat. In Deutschland ist derzeit kein Fungizid zur Rhizoctonia-Bekämpfung in Zuckerrüben zugelassen. Um den potenziellen Einsatz von Fungiziden zur Rhizoctonia-Kontrolle bei Zuckerrüben unter europäischen Bedingungen bewerten zu können, wurden in Feldversuchen nach künst­licher Inokulation unterschiedlich anfällige Sorten mit einer Wirkstoffkombi­nation aus Strobilurinen und Azolen behandelt, wobei die Applikations­technik variierte. Der Befall und in Folge Ertragseinbußen waren bei der anfälligen Sorte deutlich höher als bei der resistenten. Es existierte ein deutlicher positiver Effekt der Fungizidapplikation. Mit reduzierten Auf­wandmengen in Form einer Bandbehandlung konnten vergleichbare Ergeb­nisse wie beim flächigen Fungizideinsatz erzielt werden.

Die Bedeutung von Saccharoseverlusten während der Lagerung von Rüben verbunden mit einer sinkenden Verarbeitungsqualität nimmt unter dem Druck der verlängerten Verarbeitungskampagnen zu. Martin Becker (IfZ) unter­sucht den Einfluss von Genotyp, Rodegeschwindigkeit und Bodenfeuchte auf Erdanhang, Köpfqualität, Verletzungen, Lagerfäule sowie die Entwick­lung des Invertzuckergehaltes während der Langzeitlagerung. Erwartungs­gemäß stieg der Erdanhang mit der Bodenfeuchte und eine höhere Rode­geschwindigkeit wirkt negativ auf die Köpfqualität. Beide Faktoren beein­flussten jedoch nicht das Auftreten von Lagerfäulen. Hierbei überdeckte der Einfluss des Genotyps alle anderen Effekte. Es ist noch nicht geklärt, ob die beobachteten Unterschiede auf einen veränderten Kohlenhydratstoff­wechsel der Pflanze oder auf die Resistenz gegenüber Lagerfäule­pathogenen zurückzuführen sind. Dieser Versuch wurde allerdings mit einem zweireihigen Versuchsroder geerntet. In einem Roderdemonstra­tionsversuch, der Praxisbedingungen sehr viel näher kommt, zeigte sich, dass die Erntetechnik einen deutlichen Einfluss auf die Entstehung von Lagerfäulen und den Invertzuckergehalt hat. Welcher Arbeitsprozess bei der Ernte entscheidend zu Verletzungen der Rüben führt, ist noch zu untersuchen.

Unkrautkontrolle in Zuckerrüben kann derzeit nur bis spätestens zum Keim­blattstadium der Unkräuter erfolgen. In den Untersuchungen von Moritz Wendt (IfZ) wurde ein ALS-Inhibitor-Herbizid (Foramsulfuron + Thiencar­bazone-methyl) hinsichtlich der höheren zeitlichen Flexibilität beim Applika­tionszeitpunkt untersucht. Brassica napus und Galium aparine wurden dabei unabhängig von der Aufwandmenge und dem Entwicklungsstadium zu 100 % kontrolliert, was auch die Kontrolle von Ausfallsraps verbessern könnte. Gegenüber Chenopodium album wurde beim Einsatz geringerer Aufwandmengen und bei späteren Entwicklungsstadien des Unkrauts eine reduzierte Wirksamkeit beobachtet. Mit dem Herbizidsystem erhöhte sich also die Flexibilität bezüglich des Applikationszeitpunkts. Selektivität, Dauer der Wirkung und Resistenzrisiko müssen noch in weiteren Untersuchungen bewertet werden.

Das neue Sorten-Herbizidsystem CONVISO® SMART wird von Dr. Martin Wegener (Bayer CropScience AG) und Dr. Bernd Holtschulte (KWS SAAT SE) vorgestellt. Dabei sollen bei zuverlässiger Wirksamkeit die Aufwand­mengen sowie die Applikationshäufigkeit reduziert, die Flexibilität des Appli­kationszeitpunkts und die Verträglichkeit der Herbizidanwendung erhöht werden. Die Zuckerrübensorten sind gegenüber Herbiziden der Wirkstoff­klasse der ALS-Inhibitoren voll tolerant. Diese Toleranz beruht auf einer natürlichen Variation an dem Enzym Acetolactatsynthase. Pflanzen mit dieser Eigenschaft wurden aus Zellkulturen selektiert. Das Bio-Dossier für die EU-weite Herbizid-Registrierung wurde im Frühjahr 2015 eingereicht, die Anmeldung der Sorten wird derzeit vorbereitet. Der Beginn der nationalen Zulassungsverfahren wird für das Jahr 2016 angestrebt. Anschließend müssen für Deutschland die zweijährigen Wert- und Registerprüfung durch­laufen werden, sodass mit der Zulassung der ersten Sorte nicht vor 2018 und einem Anbau nicht vor 2019 gerechnet werden kann.

Alle Beiträge werden in einem zur Göttinger Zuckerrübentagung erscheinen­den Sonderheft der Zeitschrift Sugar Industry abgedruckt.

Prof. Dr. B. Märländer, Göttingen