Archiv Berichte AG 9

  • 100-jährige Jubiläum von Lehre und Forschung für den Gartenbau in Dresden-Pillnitz
    Vor der Sammlung der Malus Wildartenmuster (© JKI)

    Vom 06. bis 07.10.2022 fand die diesjährige Tagung der Arbeitsgruppe 9 „Geschichte der Pflanzenzüchtung“ der Gesellschaft für Pflanzenzüchtung (GPZ) e. V. im Institut für Züchtungsforschung an Obst des Julius Kühn-Institutes (JKI) in Dresden-Pillnitz statt. Anlass war das 100-jährige Jubiläum von Lehre und Forschung für den Gartenbau in Dresden-Pillnitz. Eröffnet wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Henryk Flachowsky, dem Leiter des Dresdner Institutes. Nach einer kurzen Begrüßung der Gäste und einer Vorstellung des Instituts widmete sich der erste Teil der Veranstaltung der historischen Entwicklung der Obstzüchtung in Deutschland. Prof. Flachowsky präsentierte einen geschichtlichen Abriss der Obstzüchtung. Ausgehend von den ersten Erkenntnissen zur Sexualität von Pflanzen Mitte des 18 Jahrhunderts ist die Durchführung erster Kreuzungen durch Kastration von Blüten und künstliche Bestäubung, wie bei Johann Benedict Metzler (1783) beschrieben, als Startpunkt der gezielten Sortenentwicklung bei Obstgehölzen anzusehen. Im Folgenden spannte Prof. Flachowsky den Bogen über die Gründung erster öffentlich finanzierter Züchtungsprogramme in Proskau (1868), Geisenheim (1881-82), Pillnitz (1922) und Müncheberg (1928), über den Beginn der systematischen Obstzüchtung infolge der Wiederentdeckung der Mendelschen Vererbungsregeln bis hin zum aktuellen Stand der In Deutschland existierenden Obstzüchtungsprogramme. Dr. Andreas Peil beleuchtete die Geschichte der Apfelzüchtung am Beispiel der Züchtung auf Resistenz gegenüber dem Erreger des Apfelschorfs, Venturia inaequalis. Diese begann um 1930 in Müncheberg mit der Nutzung und Erforschung der Widerstandsfähigkeit aus der Sorte Stein-Antonovka. Neben dieser Resistenz wurden in den darauffolgenden Jahrzehnten auch andere Schorfresistenzen, wie die aus der Apfelwildartenabstammung Malus floribunda 821 und dem ‘Russian Seedling‘ im Rahmen der Pillnitzer Sortenzüchtung genutzt. Heute nutzt die Pillnitzer Apfelzüchtung acht Schorfresistenzen mit dem Ziel unterschiedliche Kombinationen in neuen Sorten zu vereinen, um die Widerstandsfähigkeit gegenüber Apfel so effizient wie möglich zu gestalten. Die Bedeutung der Obstgenetischen Ressourcen für die Züchtung, deren Vielfalt sowie Konzepte zu ihrer Erhaltung wurden von Dr. Monika Höfer vorgestellt. Den letzten Beitrag zur Geschichte der deutschen Obstzüchtung präsentierte Dr. Mirko Schuster. Er referierte über die Züchtung von Süß- und Sauerkirsche im historischen Kontext und die Erweiterung der genetischen Vielfalt durch Sammlungsreisen in Aserbeidschan, im Iran und in der Türkei.

    Im zweiten Teil der Veranstaltung bereicherte Dr. Markus Kellerhals von Agroscope in Wadenswil, Schweiz, die Veranstaltung mit einem Beitrag über die Geschichte der Obstzüchtung in der Schweiz. Am Schluss des ersten Tages referierte Dr. Walter Guerra vom Versuchszentrum Laimburg in Südtriol über das Prinzip, die Entwicklung und die Vielzahl von Clubsortenkonzepten bei Apfel und präsentierte diese im Vergleich zu frei verfügbaren Apfelsorten. Der erste Tag der Veranstaltung wurde dann mit einer Verkostung traditioneller Apfelsorten aus der Genbanksammlung des JKI und Pillnitzer Neuzüchtungen sowie einer Verkostung von Weinen aus dem Julius Kühn-Institut in Siebeldingen abgeschlossen. Die Weinverkostung, mit viel Hintergrundinformationen u. a. über die Widerstandsfähigkeit der einzelnen Rebsorten gegenüber pilzlichen Schaderregern, wurde von Dr. Oliver Trapp aus dem Institut für Rebenzüchtung des JKI während des gemeinsamen Grillabends moderiert.

    Den zweiten Tag der Veranstaltung leitete Dr. Volker Lein, der Vorsitzende der AG Geschichte, mit einer internen Arbeitssitzung der Arbeitsgruppe „Geschichte der Pflanzenzüchtung“ ein. Danach wurden aktuelle Arbeiten aus dem Institut für Züchtungsforschung an Obst vorgestellt. Dr. Ofere Francis Emeriewen stellte die Arbeiten zur Identifizierung von Genomregionen für Feuerbrandresistenz im Wildapfel Malus fusca vor. Dabei konnte zusätzlich zu einer Hauptregion auf Chromosom 10 zwei weitere Regionen auf den Chromosomen 4 und 15 kartieren. Die Arbeiten zu den genetischen Mechanismen der Blüteninduktion und Knospenruhe bei Baumobst präsentierte Frau Dr. Janne Lempe. Sie erläuterte dabei die Schwierigkeiten, die mit einer exakten Erfassung des Übergangs zwischen verschiedenen Stadien der Winterknospenruhe verbunden sind. Abgeschlossen wurde die Vortragsveranstaltung durch eine Präsentation von Dr. Thomas Wöhner, der den Aufbau des Sauerkirschgenoms anhand seiner Ergebnisse der Sequenzierung des Genoms der Sauerkirsche ‘Schattenmorelle‘ und der genetischen Kartierung schilderte.

    Abgeschlossen wurde die Veranstaltung mit einer Führung der Gruppe durch die Züchtungs- und Genbankquartiere des Dresdener Instituts. Besonders eindrucksvoll für die Teilnehmer war dabei die Sammlung der Malus Wildartenmuster, in der auch Muster der drei in Europa heimischen Arten M. florentina – Italienischer Apfel, M. sylvestris – Holzapfel, und M. trilobata – Dreilappiger Apfel wachsen.

    (Prof. Dr. Henryk Flachowsky und Dr. Andreas Peil)

  • Bericht über die 26. Tagung der AG (9) Geschichte der Pflanzenzüchtung am 24. und 25. Juni 2019 an der Georg-August-Universität in Göttingen

    – 83 Teilnehmer –

    Die Tagung fand anlässlich des 90. Geburtstages der beiden ehemaligen Göttinger Hochschullehrer: Prof. Dr. Gerd Kobabe (*16.4.1929, Hamburg) und Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Gerhard Röbbelen (*10.5.1929, Bremen) statt. Sie begann am 24. Juni um 13.00 Uhr im Alfred-Hessel-Saal der ehemaligen Bibliothek der Universität mit der Begrüßung, stellvertretend für die Hausherrin, durch die ehemalige Dekanin des Fachbereichs für Agrarwissenschaften, Frau Prof. Dr. Elke Pawelzik. In ihrem Vortrag ging sie auf das Wirken der beiden Professoren, selbst ehemalige Dekane, und den Wandel im Fachbereich für Agrarwissenschaften ein.

    Als nächstes ging der leitende Direktor des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzen-forschung IPK und jetzige Präsident der Gesellschaft für Pflanzenzüchtung, Herr Prof. Dr. Andreas Graner auf das Wirken von Prof. Röbbelen als Gründungsvater und langjährigem Präsidenten sowie Sekretär der GPZ ein. Insbesondere die umfangreichen Veröffentlichungen in der Schriftenreihe ‚Vorträge für Pflanzenzüchtung‘ sind eine wertvolle Dokumentations- und Literaturquelle.

    Im dritten Teil der Einführung schilderte der gerade emeritierte Göttinger Hochschullehrer, Herr Prof. Dr. Heiko Becker, als Nachfolger der Jubilare, den Werdegang sowie das Wirken der beiden Jubilare am Institut für Pflanzenzüchtung. Er stellte die beiden Jubilare als Familienmenschen, leidenschaftliche Gärtner, engagierte akademische Lehrer sowie deren organisatorisches Talent für die Wissenschaft heraus.

    Die eigentliche Laudatio übernahmen zwei Vertreter aus der Wirtschaft: Herr Dr. Gisbert Kley für die Deutsche Saatveredelung aus Lippstadt und Herr Dr. Martin Frauen für die Norddeutsche Pflanzenzucht aus Hohenlieth.

    Herr Dr. Kley begleitete die Arbeiten von Prof. Röbbelen seit den frühen 60er Jahren. Der junge Wissenschaftler Röbbelen brachte neue Ideen aus seinen Forschungsaufenthalten in den USA und Kanada mit nach Hause. Er beflügelte durch die Bildung des Göttinger Arbeitskreises Raps einen Aufschwung dieser Kulturart in Europa. Die Analytik von Erucasäurefreiheit und Glucosinolatarmut als notwendige Voraussetzung der Qualitätszüchtung beruhte damals auf indirekten Methoden, die von Professor Dr. Werner Thies am Institut entwickelt wurden. Insbesondere die enge Zusammen-arbeit zwischen Hochschule und der praktischen Pflanzenzüchtung ermöglichte es den Firmen DSV und NPZ Lembke moderne Qualitätsrapssorten zu züchten. Diese werden heute gemeinsam über den Rapoolring vermarktet. Die züchterischen Arbeiten zur Sterilität bei Welschem Weidelgras und die in-vitro-Erhaltung von Klonen für die Hybridzüchtung bei Weidelgräsern durch Prof. Kobabe, gingen ebenfalls in die praktische Züchtung ein. Neben der Bildung von Synthetischen Sorten fanden die Überlegungen zu sogenannten ‚Chance Hybrids‘ Eingang in die Sortenentwicklung bei Futterpflanzen.

    Herr Dr. Frauen widmete seine Laudatio aus der Sicht eines Schülers und Doktoranden an die beiden Jubilare. Er entwickelte ein hieraus abgeleitetes Boniturschema zur Phänotypisierung und Auswahl geeigneter Kandidaten für eine eventuell anstehende Promotion. Die APS Noten gingen dabei von 1 (sehr bequem und langsam) über 5 (ahnungslos) bis zu 9 (sehr zielstrebig, fleißig und innovativ). Nur durch das Zusammenspiel des Professorenduos in fundierter Ausbildung bei den Grundlagenfächern sowie das begeisterungsfähige und organisatorische Wissenschaftsmanagement konnten junge Talente als ‚Doktores‘ entlassen werden, die über transgressive Eigenschaften verfügten.

    Den zweiten Teil des Tagungsprogramms bildeten vier Vorträge ehemaliger Doktoranden der Jubilare, die aus ihren Arbeiten berichteten.

    Den ersten Vortrag übernahm Dr. Werner Paulmann (NPZ Lembke, Malchow) mit der Entwicklung und praktischen Anwendung eines neuen Hybridsystems bei Raps. Im Rahmen seiner Dissertation begann er mit Untersuchungen des genisch-männlich sterilen Systems (msl=männlich-steril-labil) bei Raps in Göttingen. Durch diese Arbeiten wurde der dabei digenisch-dominante Erbgang zusammen mit Epistasie (Restorer) aufgedeckt. Hieraus wurde dann das erfolgreiche MSL (Männliche Sterilität Lembke) System entwickelt, welches heute ohne Patentierung verbreitet ist. Unter der Nutzung von Lizenzvereinbarungen bzw. des Züchterprivilegs werden beachtliche Marktanteile bei Winter- und Sommerraps in Europa, Kanada und Australien erzielt.

    Der zweite Vortrag von Dr. Ulf Feuerstein (DSV, Asendorf) widmete sich der Futterpflanzenzüchtung und hier besonders den Gräsern als Futterpflanze, Rasengräser und Rohstoffquelle. Allein die Gräserzüchtung ist ein sehr komplexes Arbeitsgebiet: Es werden über 16 Arten bearbeitet, die meisten sind Fremd-befruchter, daneben tritt auch Apomixis auf. Die Ausdauer reicht von ein- bis zu mehrjährig perennierenden Arten, mit unterschiedlichen Ploidiestufen. Auch stark unterschiedliche Reifegruppen (>35 Tage) sowie Untergruppen sind ausschlaggebend für die Nutzungsrichtung bzw. Eignung, z.B. als: Futter (Beweidung, Silage, Heu etc.), Rasen (Zierrasen, Gebrauchsrasen, Landschaftsrasen etc.) und Rohstoffquell (Biogas, Inhaltsstoffe wie Fasern und seltene Elemente etc.). Als Zuchtschema werden insbesondere Synthetische Sorten entwickelt wobei die Komponenten über Saatgut und nicht mehr über Klone vermehrt werden.

    Im dritten Vortrag gab Dr. Olaf Sass (NPZ Lembke, Hohenlieth) einen Einblick in die Leguminosen-züchtung die er auch nach seiner Promotion weiter bei der NPZ bearbeitet. Obwohl aus vielerlei Gründen die Ausweitung des Leguminosenanbaus erwünscht ist, bleibt die Anbaubedeutung in Europa noch relativ gering. Die Tatsache, dass sich ein mittelständischer Züchter dieser nicht so lukrativen Kulturart widmet ist umso bemerkenswerter. Die Ackerbohne mit indeterminiertem Wuchs ist ein partieller Fremdbefruchter (Insekten) und weist eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Inzuchtdepression auf. Sogenannte Topless- oder Stabilmutanten sind ganz vom Markt verschwunden. Die neueren Sorten sind meist Synthetischen Sorten wobei die Linien isoliert vermehrt werden und die Heterosis der Linienkomponenten aus Polycrosstests ermittelt wird. Die SYN3 wird durch gemeinsames freies Abblühen erzeugt. Heutige Sorten haben höhere und stabilere Kornerträge durch Nutzung der Heterosis bei verbesserter Standfestigkeit und Reife. Als erweiterte Zuchtziele werden Winterackerbohnen sowie die Reduktion des Vicin/Convicin Gehaltes bearbeitet. Letzteres erlaubt die deutliche Erhöhung des Leguminosenanteils in Futtermischungen.

    Der letzte Vortrag durch Frau Dr. Milena Ouzunova (KWS, Einbeck) wurde eingeleitet mit einem sehr bemerkenswerten Zitat von Prof. Röbbelen von 1999: „Dem modernen Pflanzenzüchter kann die Markertechnik zwar in keinem Falle sein erfahrenes Züchterauge ersetzen; aber sie kann ihm in hilfreicher Weise als Brille dienen“. In einem sehr eindrucksvollen Vortrag leitete sie uns durch die rasante Entwicklung der letzten 20 Jahre: Die Etablierung immer kosteneffizienterer Hochdurchsatz-Genotypisierungstechnologien im Zusammenspiel mit einer immer ausgefeilteren Bioinformatik begleitet heute jeden Schritt in der Maiszüchtung sowie die gesamte Saatgutproduktion. Mit einem Zitat aus dem Lehrbuch von Kuckuck, Kobabe und Wenzel (Grundzüge der Pflanzenzüchtung) gab sie uns einen wichtigen Hinweis mit auf den Weg: „Jeder Züchter sollte sich bei der Wahl seiner Zuchtmethoden nicht von dem Kriterium ihrer Neuheitlichkeit leiten lassen, sondern lediglich von ihrer Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit“.

    Das Abendprogramm bildete ein Festessen im alten Rathaus der Stadt Göttingen zu der sich 64 Teilnehmer versammelten. In diesem Zusammenhang möchte ich der GPZ sowie allen Sponsoren: der Deutschen Saatveredelung, NPZ Lembke sowie der KWS SAAT SE danken, die die gesamte Tagung inhaltlich und finanziell unterstützt haben. Alle Teilnehmer wünschen den beiden Jubilaren noch ein langes Leben bei bester Gesundheit im Kreise ihrer Familien!

    Der zweite Tag der Tagung begann mit der internen Mitgliederversammlung im Hörsaal des Instituts für Pflanzenzüchtung. Zunächst wurde das Tagungsprogramm für den 18.-19.Juni 2020, anlässlich des 81. Geburtstags von Prof. Dr. Dr. h.c. Hartwig Geiger (*8.5.1939, Hamburg) in Stuttgart-Hohenheim vorgestellt (siehe auch GPZ Terminkalender). Im Weiteren haben die Mitglieder einstimmig für eine Beibehaltung der Tagung AG9, Geschichte der Pflanzenzüchtung, im jährlichen Rhythmus votiert.

    Es ist geplant das Biographische Lexikon der Pflanzenzüchtung fortzuschreiben. Dieses soll zunächst digitalisiert und weitere Einträge sukzessive hinzugefügt werden.  Für diese Arbeiten wird der Vorstand durch Prof. Heiko Becker sowie Prof. Henryk Flachowsky Unterstützung erhalten.

    Nach der Mitgliederversammlung haben sich die neuen Professoren am Lehrstuhl mit ihren geplanten Arbeitsgebieten in Göttingen vorgestellt:

    Prof. Dr. Timothy Beissinger (https://www.uni-goettingen.de/en/599788.html)

    “Pflanzenzuchtmethodik”.

    Die Ziele dieser Gruppe sind quantitativ- und populationsgenetische Ansätze, zum besseren Verständnis, wie sich Pflanzenarten in der Vergangenheit entwickelt haben, wie Phänotypen und Genotypen in der Gegenwart zusammenhängen und wie diese Informationssätze in Zukunft zur Verbesserung der Pflanzen genutzt werden können. Die primären Interessen lassen sich in zwei Kategorien einteilen:

    1. Verständnis, wie Organismen auf evolutionäre Kräfte wie künstliche Selektion reagieren.
    2. Besseres Verständnis der Komplexität von Genotyp-Phänotyp-Beziehungen sowie Interaktionen und nicht-additive Merkmalserscheinungen

    Prof. Dr. Nils Stein

    https://www.uni-goettingen.de/en/+neues+zeitalter+f%C3%BCr+genbanken+bricht+an/598247.html  https://www.ipk-gatersleben.de/en/genebank/genomics-of-genetic-resources/

    Biodiversität ist mehr als nur die Vielfalt der Arten. Ein weiterer, wichtiger Aspekt von Biodiversität ist die genetische Vielfalt innerhalb einer Art. Diese zeigt sich bei Kulturpflanzen in der Vielfalt der Sorten. Ein internationales Forschungskonsortium unter der Leitung von Prof. Dr. Nils Stein hat nun eine der weltweit umfassendsten Sammlungen von Gerstensorten molekular charakterisiert – insgesamt mehr als 22.000 Saatgutmuster. Stein hat eine Brückenprofessur, welche die Universität Göttingen mit dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben verbindet. Die Wissenschaftler beschreiben den Beginn eines neuen Zeitalters für Genbanken, die sich von reinen Sammlungen zu bio-digitalen Ressourcenzentren entwickeln.

    Prof. Dr. Stefan Scholten

    http://uni-goettingen.de/en/division+of+crop+plant+genetics/607325.html)

    Abteilung für Nutzpflanzengenetik

    Höhere Pflanzen besitzen mehrere Arten der Fortpflanzung, die die Grundlage für Ertrag und Zuchtwert sind. Die molekulargenetische und genomische Dissektion der sexuellen und asexuellen Fortpflanzung mit Schwerpunkt Epigenetik sowie die Samenqualität sind wichtige Forschungsgebiete der Abteilung. Schlüsselmethoden sind die Transkriptomik von kodierenden und nicht-kodierenden RNAs sowie biotechnologische Techniken. Vor allem bei Mais und Raps werden unter anderem folgende Themen behandelt: Saatgutentwicklung und Saatgutqualität, Hybridisierung und Heterosis, in vivo Haploid-Induktion und Androgenese sowie Vorhersage der Hybridleistung

    Besichtigung des IMPAC³ Versuchs auf dem Versuchsgut Reinshof: Mischanbau mit neuartigen Genotypen für eine verbesserte nachhaltige Landnutzung in Ackerbau, Grünland und Forst

    https://www.uni-goettingen.de/de/528191.html

    IMPAC³ verbindet innovative Pflanzenzüchtung mit der Verbesserung der Diversität in der Agrarlandschaft. Eine erhöhte Diversität der angebauten Kulturpflanzen hat das Potenzial, Erträge zu erhöhen und die Ausnutzung der Ressourcen zu verbessern. Dazu entwickelt ein Konsortium aus Wissenschaftlern und Unternehmen der Pflanzenzüchtung ein Feldexperiment mit assoziierten Versuchs- und Demonstrationsflächen für eine detaillierte Kausal-Analyse zum Mehrertrag von Mischkulturen.

    Für die drei Landnutzungen Ackerland, Grünland und Gehölzkulturen werden unterschiedliche Genotypen im Rein- und Mischanbau kultiviert. Die zentrale Hypothese von IMPAC³ besagt, dass der Erfolg von Mischanbausystemen von bestimmten Eigenschaften der verwendeten Genotypen abhängt und dass eine ideale Kombination der Mischungspartner die Produktivität und Stabilität der Produktionssysteme verbessert.

    Prof. Dr. Wolfgang Link und viele weitere Mitarbeiter im Projekt führten uns durch die Versuche. Leider haben wir die Zeit zu knapp bemessen dieses umfangreiche Programm ausreichend zu besichtigen.

    Volker Lein, Remy/Frankreich

  • Bericht über die 25. Tagung der AG (9) Geschichte der Pflanzenzüchtung am 21. und 22. Juni 2018 bei der KWS SAAT SE in Einbeck

    – 27 Teilnehmer –

    Die Tagung begann am 21. Juni um 13.00 Uhr im Audimax der KWS. In einem Kurzportrait der KWS SAAT SE“ stelle Dr. Leon Broers das Unternehmen mit seine weltweiten Aktivitäten bei den verschiedenen Kulturpflanzen vor.

    Im ersten Vortrag „Haben Zell- und Gewebekulturen etwas für die Praxis gebracht?“ ließ Prof. Gerhard Wenzel (früher TUM Weihenstephan) diverse Verfahren der letzten Jahrzehnte Revue passieren. Ein wichtiger Punkt dabei war, dass eine beschränkte Förderdauer dazu führt, dass immer wieder neue Schwerpunkte für eine Förderung gebildet werden müssen. Der lebhafte Vortrag fand großen Anklang. Es zeigte sich, dass einige der Verfahren wie die in vitro Vermehrung und die Haploidenerzeugung wichtige Verfahren in der Praxis geworden sind, aber nicht alle Verfahren fanden dauerhaft Eingang in die Züchtungspraxis.

    Im nächsten Vortag „Biotechnologie in der Pflanzenzüchtung im Wandel der Zeit“ stellte Dr. Jon Falk dar, in welcher Weise die SU Biotec GmbH die neuen Verfahren der Biotechnologie aufgreift und umsetzt. Für ein Dienstleistungsunternehmen ist eine Anpassung der Verfahren an die Kundenanforderungen wichtig. Dabei sind alle Entwicklungen im Auge zu behalten.

    Den letzten Vortrag des Nachmittages „Von der Einzelzelle zur ganzen Pflanze:

    Anwendungsbeispiele aus der Pflanzenzüchtung“  hielt Dr. Clement Springmann von der KWS SAAT SE. Er stellte vergleichend die Entwicklung der Firma und der Zell-und Gewebekulturen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts vor. Auch die KWS stellt sich den aktuellen Herausforderungen an die Pflanzenzüchtung.

    Nach den Vorträgen stelle Dr. Sebastian Förster die neue Robotertechnik zur Überprüfung von Rübensaatgut vor. Jede Partie für den Verkauf muss überprüft werden. Das bisherige Verfahren der manuellen Prüfung in Keimschalen stellt eine große Arbeitsbelastung dar. Das neue Verfahren erlaubt eine weitgehende Automatisierung der Auswertung mittels Bildanalyse. Auch das Auslegen der Samen ist teilmechanisiert. Dadurch kann ein Teil des Personals nun bei anderen Aufgaben eingesetzt werden. Schließlich stellte Herr Christoph Gellermann in einer Präsentation die verschieden Schritte der Erzeugung von Hybridmais vor.

    Am Abend bewirtete uns die KWS SAAT SE mit einem üppigen Buffet, das dankbar angenommen wurde.

    Am 22. Juni hatten wir nach der Arbeitssitzung Gelegenheit, am Vortrag „Plant Breeding in the 21st Century: Molecular Breeding and High Throughput Phenotyping“ von Prof. Mark E. Sorrells teilzunehmen. Einige Themen waren Genomische Selektion, Phenotyping mittels Drohnen und das Zusammenwirken der Genome A, B und D im Weizen, wobei der Einfluss der Genome getrennt und ihre Wechselwirkung untersucht wurden.

    Nach einer Führung  durch das Zuckerrübensaatgutlager durch Herrn O. Brinkmann fuhren wir zur Zuchtstation Wetze der KWS Lochow und besichtigten die Versuchsfelder zur Prüfung von Weizendoppelhaploiden, die über Antherenkultur erzeugt wurden. Es ist mit einer spontanen Aufdopplungsrate von etwa 70 % zu rechnen. Entweder wird alles ausgepflanzt einschließlich der sterilen haploiden Pflanzen, oder es erfolgt eine Vorselektion über Flowzytometrie. Wichtig ist, möglichst schnell zu ausreichend Saatgut für erste Feldtests zu bekommen, damit der Zeitgewinn gegenüber dem SSD-Verfahren erhalten bleibt.

    Den Abschluss bildete ein rustikales Mittagessen in der Blockhütte in Wetze.

    In der Arbeitssitzung dankte Prof. Eberhard Weber zunächst der KWS SAAT SE für die hervorragende Vorbereitung der Tagung. Da die AG Geschichte jedes Jahr tagte, war es schon die 25. Tagung. Die AG wird in Zukunft Dr. Volker Lein als Vorsitzenden haben, der dann auch die Leitung der Sitzung übernahm. Er stellte seine Vorschläge für die nächsten Tagungen vor. Sie stießen auf allgemeine Zustimmung. Einzelheiten dazu sind aber noch zu klären.

    W. E. Weber, Halle

  • Bericht über die 24. Tagung der AG (9) Geschichte der Pflanzenzüchtung am 30. und 31. März 2017 in der TU Braunschweig – in Zusammenarbeit mit dem Philosophischen Seminar der TU Braunschweig

    – 30 Teilnehmer –

    Die Tagung begann am 30. März um 13.00 Uhr im Senatssitzungssaal der TU Braunschweig. Nach einer kurzen Einführung hielt Frau Prof. Dr. Nicole C. Karafyllis einen Vortrag mit dem Thema „Entwurf einer Theorie der Lebendsammlungen am Beispiel der Braunschweig Genetic Resources Collection (BGRC)“ (Datei). Dabei wurde klar, dass es zahlreiche Konzepte zur Beschreibung einer Lebendsammlung wie die der früheren Braunschweiger Genbank gibt, die als westdeutsche Genbank für Kulturpflanzen von 1970 bis 2003 existierte. Im anschließenden Vortrag ging Herr Uwe Lammers unter dem Thema „Die Geschichte der Braunschweig Genetic Resources Collection (BGRC)“ auf Einzelheiten näher ein und beleuchtete die wichtigsten Akteure (u.a. Hermann Kuckuck, Dieter Bommer, Lothar Seidewitz und Manfred Dambroth) und Objekte, insbesondere das Deutsch-Niederländische Kartoffelsammlungsprojekt.

    Nach der Kaffeepause stellte Herr Dr. Joachim Keller vom IPK Gatersleben „Die Geschichte der Kryokonservierung in Gatersleben“ ausführlich dar (Datei2). Die Kryokonservierung ist ein wichtiges Verfahren, um nicht über Samen zu erhaltende Genotypen langfristig zu erhalten. Dazu gehören unter den Pflanzen z. B. nicht samenbildende Formen (etwa der Gattung Allium) oder bei Kartoffeln spezielle Sorten.

    Braunschweig besitzt mit der DSMZ eine wichtige Lebendsammlung auch von Pflanzenpathogenen, die uns Herr Dr. Wulf Menzel unter dem Thema „Geschichte und Aufgabe der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen – Sammlung und Nutzung von genetischen Ressourcen, Schwerpunkt Pflanzenviren“ vorstellte.

    Den Abschluss des wissenschaftlichen Programms am ersten Tag bildete ein Besuch des Arboretums in Riddagshausen. Hier führte uns der Wildbiologe Herr François Bao 90 Minuten lang durch die erhaltenen Bestände des im 19. Jahrhundert angelegten Arboretums. Dabei wurden zahlreiche Probleme bezüglich der Erhaltung alter Einzelbäume und der Pflege der Anlage diskutiert. Die Teilnehmer hatten auch reichlich Gelegenheit, ihre botanischen Kenntnisse zu überprüfen. Der Tag klang aus in der historischen Gaststätte Grüner Jäger.

    Am Freitag, den 31. März standen nach der Arbeitssitzung noch zwei Vorträge auf dem Programm. Frau Melanie Nowak von der TU Braunschweig stellte ihre Untersuchungen zu „Horizontaler Naturstofftransfer – Nachweis und Grundlagen eines bislang unbekannten Phänomens“ vor. Da hierzu bisher wenige systematische Untersuchungen vorgenommen wurden, konnte sie teilweise überraschende Ergebnisse präsentieren. Den Abschluss bildete der Vortrag „Biodiversität und Klimawandel – Interaktionen und Implikationen“ von Herrn Prof. Dr. Hans-Joachim Weigel, der am Thünen-Institut in Braunschweig tätig war.

    In der Arbeitssitzung wurde zunächst die nächste Tagung angesprochen. Hierzu wurde schon Kontakt mit einem Unternehmen aufgenommen. Als Thema wird anvisiert, die geschichtliche Entwicklung der Biotechnologie darzustellen, soweit sie in der praktischen Pflanzenzüchtung getestet und schließlich Eingang in die Züchtung gefunden hat. Dabei betont Dr. Ralf Schachschneider sein Anliegen, dass es nicht um Wunschvorstellungen, sondern um die Tauglichkeit der Methoden in der züchterischen Praxis geht. In einer solchen Tagung können die Erfahrungen, die die verschiedenen Züchterhäuser gesammelt haben, erörtert werden.

    Ein weiteres Thema ist die Geschichte der Methodenentwicklung zur Erfassung von Werteigenschaften von Pflanzen in der Sortenzüchtung. Es wurde darauf hingewiesen, dass es in der Vergangenheit immer wieder einzelne Sorten gegeben hat, die maßgeblich in die weitere Züchtung eingeflossen sind. Hier wäre an Einzelfällen darzustellen, was dazu geführt hat bzw. haben könnte.

    Die Teilnehmer fanden die Untersuchungen von Frau Prof. Dr. Nicole C. Karafyllis und Herrn Uwe Lammers zur Braunschweiger Genbank, die bisher kaum und  dokumentiert , hoch interessant und würden ein weitere enge Zusammenarbeit begrüßen. Zu denken ist an eine Aufarbeitung der inzwischen aufgelösten Institute der früheren Bundesanstalt für Züchtungsforschung (BAZ) in Grünbach (Resistenzforschung) und Ahrensburg (Zierpflanzen). Das setzt allerdings voraus, dass entsprechende Projekte mit Kooperationspartnern eingeworben werden können.

    Einige Teilnehmer äußerten den Wunsch, dass die Vorträge der Tagungen auch später eingesehen werden können. Der Vorsitzende sagte zu, dass er veranlassen will, dass die Beiträge als pdf-Dateien auf der Internetseite der GPZ (Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V.) bei der AG Geschichte abgelegt werden.

    Schließlich wurde auch über die weitere Leitung der AG Geschichte gesprochen, die Herr Prof. Eberhard Weber (MLU Halle) schrittweise abgeben will. Herr Dr. Ralf Schachschneider (Nordsaat) erklärte sich bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. Herr Dr. Volker Lein (SUR) erklärte, dass er ihn dabei unterstützen werde.

     W. E. Weber, Halle

  • Bericht der 23. Tagung der AG (9) Geschichte der Pflanzenzüchtung am 22. Juni 2016 bei der Nordsaat in Böhnshausen und am 23. Juni im IPK Gatersleben

    – 39 Teilnehmer –

    Die Tagung begann um 12.30 Uhr bei der Nordsaat in Böhnshausen mit einem Imbiss. Anschließend stellte Frau Dr. Lissy Kuntze die Firma Nordsaat vor, die Sommer- und Wintergeste, Winterweizen, Triticale und Sommerhafer züchtet. Im ersten Vortrag berichtete Dr. Helmut Knüpffer vom IPK Gatersleben über „Mirza Gökgöl – Weizenforscher mit aserbaidschanisch-deutsch-türkischer Biographie“.

    Anschließend stellte Dr. Rolf Bielau aus Quedlinburg die „Agrarwissenschaftler und Pflanzenzüchter in Saatzuchtunternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen vor und nach 1945 in Quedlinburg“ vor. Die Pflanzenzüchtung begann in Quedlinburg schon sehr früh. Dr. Bielau stellte eine große Zahl an Züchterpersönlichkeiten im Bild und mit Lebensdaten vor, dazu auch viele alte Dokumente und Aufnahmen von den Zuchtstätten in früherer Zeit. Die Fülle war beeindruckend.

    Der dritte Vortrag von Dr. Klaus Richter aus Hadmersleben brachte einen „Vergleich der Zulassungspraxis des Bundessortenamtes in der BRD und der Zentralstelle für Sortenwesen in der DDR aus der Sicht eines Getreidezüchters“. Große Ähnlichkeiten bestanden hinsichtlich der zu bewertenden Eigenschaften, allerdings waren die regionalen Anforderungen z. B. hinsichtlich der Winterfestigkeit unterschiedlich. Was aber besonders auffiel, waren die unterschiedlichen Anzahlen an Anmeldungen und Zulassungen sowie Unterschiede in der Zahl der Prüforte. Im Vergleich zur Prüfung durch das Bundessortenamt wurden beim Amt für Sortenwesen der DDR wesentlich weniger Kandidaten in die erste Wertprüfung einbezogen, dafür aber von Anfang an sehr umfangreich geprüft. Es erfolgte auch eine sehr schnelle Einengung auf ganz wenige Neuzüchtungen, die dafür sehr schnell in das Anbauprogramm einbezogen wurden. Die signifikant verschiedenen Sorten-Zulassungszahlen ebenso wie das weit größere Prüfortnetz in der kleineren DDR sind letztlich begründet in der unterschiedlichen Agrarpolitik und -struktur in Ost und West. Es wurde deutlich, dass der Wettbewerb der privaten Züchter in der Bundesrepublik zu einer hohen Anmeldung an Sortenkandidaten und auch zu einer größeren Zahl an Sortenzulassungen führt. Davon setzen sich allerdings dann auch nur wenige Sorten im Anbau durch.

    Nach einer Kaffeepause konnten sich die Teilnehmer zunächst auf einer Feldrundfahrt einen Überblick über den umfangreichen Anbau im Feld verschaffen. Das bezieht sich auf die Erstellung und Vermehrung von Zuchtmaterial und auch auf Leistungsprüfungen. Anschließend stellte Dr. Ralf Schachschneider seine Erfahrungen als erfolgreicher Züchter bei der Nordsaat unter dem Thema „Züchtung selbstbefruchtender Getreidesorten – Rückblick und Ausblickaus der Sicht eigener 40 jähriger Erfahrungen“ vor. Dabei fand ein Übergang auf die Nutzung der Doppelhaploidentechnik bei allen bei der Nordsaat bearbeiteten Getreidearten mit Ausnahme des Sommerhafers statt. Eine wichtige Rolle spielt auch die Einführung von Hybriden bei Winterweizen auf der Basis von Gametoziden. Mit Hybriden lassen sich Ertragszuwächse und Saatgutwechsel erreichen. Auch zur Erzeugung von Hybriden mittels CMS hat die Nordsaat Erfahrungen gesammelt. Ein wesentliches Problem stellt für die Züchtung die Bewältigung einer großen Zahl an Prüfgliedern dar, wie zuvor bei der Feldrundfahrt schon deutlich wurde. Hier nutzt die Nordsaat verfügbare viele neue Techniken wie Ansteuerung der Parzellen über GPS und die Entwicklung leistungsfähiger Feldtechnik zur Einsparung von Arbeitskräften bei gleichzeitiger Erhöhung der Präzision. Beispielhaft zeigte Dr. Schachschneider die Entwicklung der Technik für die Gamatozidspritzung zur Erzeugung von Hybridsaatgut.

    An den Vortrag von Dr. Schachschneider schloss sich eine Podiumsdiskussion zu dem Thema „Die Entwicklungsgeschichte der Pflanzenzüchtung und Genetik von 1850 bis 2050″ an. Ziel dieser Diskussionsrunde sollte es sein, die AG Geschichte für einen breiten Kreis an künftigen Teilnehmern attraktiv zu machen.

    Ein Punkt wurde schon in dem Vortrag von Dr. Klaus Richter angeschnitten: Wie fällt eine fachliche Bewertung der unterschiedlichen Zahlen an Sortenzulassungen in der DDR und der Bundesrepublik aus? Ein anderer Punkt betrifft die Einstellung der Gesellschaft zu neuen Verfahren in der Züchtung. Hier stoßen positive Bewertungen und schroffe Ablehnung hart aufeinander. Dies ist oft darin begründet, dass zunächst sehr hohe Erwartungen erzeugt werden, die erst im weiteren Verlauf auf ein in der Wirklichkeit erreichbares Maß zurückgeführt werden. Es wäre wünschenswert, frühzeitig zu vorurteilsfreien Einschätzungen zu kommen. Neue Verfahren erfordern immer erst mal einen Vorlauf, in dem Erfahrungen gesammelt werden, die dann auch dazu führen können, dass ein Verfahren nicht weiter verfolgt wird. Dabei sind bei einem Vergleich verschiedener Verfahren auch die Kosten zu berücksichtigen.

    Einen breiten Raum nahm die Frage nach der Bedeutung der Geschichte in der Pflanzenzüchtung ein. Alle jetzt eingesetzten Verfahren haben eine Geschichte. Manche Verfahren setzen sich sehr schnell durch, andere haben sehr lange Vorlaufzeiten. Es könnte eine künftige Aufgabe der AG auf den nächsten Veranstaltungen sein, für spezielle Teilaspekte wie die Erzeugung von haploiden oder die Entwicklung molekularer Marker, der Analytik, der Informationstechnologie im Zuchtprozess und der Zuchtgartentechnisierung seit Einführung von restsaatgutlosen Drillmaschinen und Parzellenmähdreschern in den 1960er Jahren bis zum gegenwärtigen Kenntnisstand zu recherchieren und darzustellen und für eine Publikation in der Reihe ‘Vorträge für Pflanzenzüchtung’ vorzusehen.

    Das geringe Interesse von Studenten an Geschichte hat verschiedene Ursachen. Im Fächerkanon der Hochschulen spielt die Agrargeschichte kaum noch eine Rolle. Dass aber ein Interesse geweckt werden kann, zeigt in Berlin die Nachfrage eines entsprechenden Vorlesungsangebotes durch die Studenten. Auch persönliche Gespräche erfahrener Züchter mit den jungen Leuten kann diese dazu führen, sich für die Entwicklung zum gegenwärtigen Betriebsablauf zu interessieren.

    Der erste Tag klang aus bei einem Abendessen in der Villa Heine in Halberstadt.

    Am zweiten Tag wurde in der Arbeitssitzung der AG bei der Nordsaat diskutiert, wie die weitere Arbeit der AG zu gestalten ist. Hier steht die Wahl eines neuen Vorsitzenden an. Zunächst wird Prof. Weber vorbereitende Gespräche für die nächste Tagung führen. Dabei ist auch die Terminfrage zu klären. Für Züchter stellt die Vegetationszeit eine besondere Arbeitsspitze dar, Hochschullehrer sind andererseits an Vorlesungszeiten gebunden.

    Nach der Arbeitssitzung wurden beim IPK Gatersleben noch zwei Projekte zur Phänotypisierung vorgestellt. Prof. Thomas Altmann zeigte den Teilnehmern die Lemnatec- Anlagen, in denen Einzelpflanzen im Gewächshaus unter weitgehend gesteuerten Bedingungen automatisch untersucht werden können. Die Pflanzen werden durch das Gewächshaus zu einem Kamerasystem geführt und anschließend mit Topf gewogen. Je nach Fragestellung kann dabei das fehlende Wasser ergänzt werden. Diese Anlage erlaubt, die tägliche individuelle Entwicklung des Phänotyps der Pflanzen über eine Vielzahl an Parametern zu erfassen. Da von diesen Pflanzen auch das Genom untersucht wurde, lässt sich hier ein Zusammenhang zwischen Phänotyp und Genotyp analysieren. Dr. Ralf Sammler zeigte die Phänotypisierung auf dem Feld mittels eines GPS-gesteuerten Gerätes, das Pflanzen unter Freilandbedingungen erfasst und dabei Spektralaufnahmen über einen weiten Spektralbereich weit über das sichtbare Licht hinaus macht. Dabei können u. a. einzelne Inhaltsstoffe analysiert werden, da über Referenzwerte zuvor Korrelationen zwischen Spektrum und Inhaltsstoffbestimmt wurden. Allerdings sind anders als in der Lemnatec-Anlage die schlecht kontrollierbaren äußeren Bedingungen mit einzubeziehen. Über Düngestreifen, die in verschiedenen Bodentiefen eingebracht werden, kann auch der zeitliche Verlauf der Wurzelentwicklung erfasst werden.

    Den Abschluss bildete ein der Besuch des neu gestalteten Casinos.

    W. E. Weber (Halle)

  • Bericht der 22. Tagung der AG 9 (Geschichte der Pflanzenzüchtung) am 2./3. September 2015 in Hannover-Herrenhausen

    – 32 Teilnehmer –

    Die Tagung begann um 13:30 Uhr im Hörsaal „Blaue Grotte“, Herrenhäuser Str. 2, der Leibniz-Universität Hannover. In den beiden ersten Vorträgen stand die Rose im Mittelpunkt. Prof. Thomas Debener gab in seinem Vortrag „Anwendung neuer Sequenzierungs- und Markertechnologien in der Züchtungsgenetik von Rosen einen Einblick in seine genetischen Arbeiten zur Resistenz gegen Sternrußtau und zeigte dabei, in welcher Weise moderne molekulargenetische Methoden zur Aufklärung der Resistenz eingesetzt werden. Über den züchterischen Ansatz, Marker zur Selektion auf Resistenz zu finden, hinaus ist das Ziel, die Resistenz genetisch aufzuklären. Dabei kommt der schnellen und bezahlbaren Sequenzierung von Genomabschnitten im Bereich eng gekoppelter Marker eine entscheidende Bedeutung zu.

    Frau Eilike Vemmer stellte in ihrem Vortrag „Rosen im Wandel der Jahrhunderte“ ausführlich den geschichtlichen Werdegang der Rose von den Anfängen der Antike bis hin zu den modernen Kulturrosensorten. Immer wieder kamen neue Formen hinzu, zunächst durch Einführung neuer Arten aus fernen Ländern. Kreuzungen zwischen Arten führten und Mutanten führten immer wieder zu neuen Variationen hinsichtlich Form, Farbe und Habitus. In den letzten Jahrhunderten stieg die Formenvielfalt planmäßige Züchtung und gezielte Kreuzungen noch einmal stark an. Der Vortrag von Frau Vemmer beeindruckte die Zuhörer  auch durch die zahlreichen schönen Rosenbilder.

    In den beiden folgenden Vorträgen stand der Berggarten in Herrenhausen im Mittelpunkt. In seinem Vortrag „Auf der Suche nach Pflanzen – Der Reisebericht des Hofgärtners Heinrich Ludolph Wendland aus dem Jahr 1820“ erläuterte Prof. Joachim Wolschke-Bulmahn, unter welchen Umständen damals der noch junge Hofgärtner seine Reise durchführte. Es fügte sich äußerst glücklich, dass 2010 das Reisetagebuch Heinrich Ludolph Wendlands von seiner Reise in die Schweiz, nach Österreich und Preußen sowie durch eine Reihe kleinerer deutscher Länder an die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek übergeben wurde.  Dieses (private) Tagebuch war nicht unter den Beständen der Königlichen Gartenbibliothek, sondern wurde von der Familie mit anderen Nachlassmaterialien der Leibniz Bibliothek zur Verfügung gestellt. Die Tagebuchaufzeichnungen waren nur für den privaten Gebrauch bestimmt, sind jetzt aber transkribiert worden und auch als Buch erhältlich (Hubertus Fischer, Georg Ruppelt, Joachim Wolschke-Bulmahn (Hg.), Das Reisetagebuch des Hofgärtners Heinrich Ludolph Wendland aus dem Jahr 1820, CGL Studies, AVM.edition).

    Im anschließenden Vortrag „Die Herrenhäuser Gärten und ihre Pflanzenschätze“ gab Prof. Anke Seegert zunächst einen Abriss über die Geschichte des Berggartens und ihrer jeweiligen Leiter, zu denen ja auch der vorher genannte Heinrich Ludolph Wendland gehört. Der Berggarten war zunächst ein Wirtschaftsgarten, die Entwicklung zum Botanischen Garten setzte im 18. Jahrhundert ein. Einen großen Einschnitt brachten dabei die Bombenabwürfe im zweiten Weltkrieg, die einen großen Teil der Sammlung, das große Palmenhaus und die anderen Gewächshäuser vernichteten. Jedoch überlebten einige der alten Bäume, zu denen auch die Süntelbuche gehört. Im Folgenden ging Frau Seegert dann auf die einzelnen Sammlungen und die dabei verfolgten Ziele ein. Im Berggarten werden nicht nur  Pflanzensammlungen, sondern auch verschiedene Sorten gezeigt. Dadurch wirken die einzelnen Abteilungen sehr anziehend auf die Besucher. Dieser Vortrag wurde dann am zweiten Tag ergänzt durch einen sehr ausführlichen Rundgang durch den Berggarten, wobei Frau Seegert zu zahlreichen Themenbereichen wie Steppen-und Präriegarten, das Kanarenhaus, Moor und Heide, der Blumenwiese oder der Süntelbuche den Teilnehmern sehr aufschlussreiche Erläuterungen gab. Ein besonderes Problem stellt gegenwärtig die Lindenallee zum Mausoleum dar, die nicht mehr standsicher ist, aus Naturschutzgründen aber auch nicht gerodet werden darf. Den Abschluss dieses Rundganges bildete ein Besuch der Gewächshäuser mit der weltbekannten Orchideensammlung.

    In Hannover Herrenhausen sind verschiedene Gartentypen eng beieinander. Herzstück ist dabei der barocke Große Garten, der deswegen nahezu unverändert erhalten blieb, weil nach seiner Anlage der Kurfürst von Hannover englischer König wurde und daher die Sommerresidenz in Hannover nicht mehr im Mittelpunkt stand. Dieser Garten wurde zum Abschluss des ersten Tages besichtigt. Aber auch die nach dem Barock aufkommende Form des englischen Landschaftsgartens ist mit dem an den Großen Garten angrenzenden Georgengarten und dem Welfengarten vertreten.

    In der Arbeitssitzung am Morgen des zweiten Tages ging es um die künftige Entwicklung der AG Geschichte. In der AG kommen Züchter und Wissenschaftler zusammen, für die vor der Wende höchst unterschiedliche Voraussetzungen für ihre Tätigkeit gegeben waren. Zwei wichtige Aktivitäten in früheren Jahren waren die Erarbeitung des Bibliographischen Lexikons und eine Tagung zur Pflanzenzüchtung im Dritten Reich. Prof. Weber wies darauf hin, dass im Laufe der Jahre die Teilnehmerzahl abgenommen hat. Das traf auch für diese Tagung zu. Eine kurze Diskussion entspann sich um die Frage eines Vergleiches der Züchtung unter den Bedingungen in den alten und neuen Bundesländern vor 1989. Herr Meinel wies darauf hin, dass die hierbei eine wichtige Rolle spielende Eigentumsfrage nicht von dieser AG sachgerecht untersucht werden kann. Trotzdem soll dieser Aspekt auf der nächsten Tagung der AG angesprochen werden. Herr Debener wies auf die Probleme für die Pflanzenzüchter in der Auseinandersetzung mit Vertretern der ökologischen Richtung hin. Hier fehlt es bei vielen Vertretern, auch unter jungen Studierenden, sehr oft am Grundwissen für eine sachgerechte Diskussion. Herr Kley nahm dies zum Anlass, auf ein für die Züchtung sehr wichtiges Problem hinzuweisen. Die EU-Verordnung 511/2014, die geht weit über die im Nagoya-Protokoll niedergelegten Grundsätze hinaus geht, ist überbürokratisch und schränkt den Zugang zu und die Nutzung von pflanzengenetischen Ressourcen vor allem für die Pflanzenzüchtung ein. Die Züchtung wird vor das nahezu unlösbare Problem gestellt, für Materialbeschaffungen zahlreiche Einzelverträge mit den jeweiligen Partnerländern abzuschließen. Als noch schwieriger wird es sich erweisen, bei Neuanmeldung von Sorten einen lückenlosen Herkunftsnachweis über alle bei der Entwicklung der Sorte verwendeten Ressourcen zu führen. Auch diese Problematik soll bei der Tagung in 2016 angesprochen werden. Geplant ist, diese Tagung bei der Nordsaat in Böhnshausen durchzuführen und dabei eine breite Diskussion in den Mittelpunkt zu stellen.

    W. E. Weber (Halle)

  • Bericht der 21. Tagung der AG (9) Geschichte der Pflanzenzüchtung gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie (DGGTB) am 17./18. Juni 2014 Freising-Weihenstephan und Moosburg „Züchtungsfragen: gestern – heute und morgen“

    – 40 Teilnehmer –

    Die Tagung begann um 14 Uhr im neu erbauten Hans-Eisenmann-Haus der TUM Weihenstephan mit einem Vortrag von Prof. Chris Carolin Schön zum Thema „Genomische Selektion“. Dieser noch recht junge Ansatz basiert darauf, dass im Unterschied zur Marker gestützten Selektion die gesamte verfügbare Genominformation für die Selektion herangezogen wird. Dazu ist zunächst eine Referenzpopulation genomisch und phänotypisch zu analysieren, um einen Zusammenhang zwischen Genom und phänotypischer Ausprägung zu ermitteln und zu quantifizieren. Weitere Kandidaten werden dann nur auf der Basis ihres Genoms bewertet. Im Institut für Pflanzenzüchtung der TUM Weihenstephan steht dabei der Mais im Vordergrund, weitere dort bearbeitete Kulturarten sind Roggen und Sonnenblumen.

    Prof. Dr.  Ekkehard Höxtermann ging in seinem Vortrag Elisabeth Schiemann (1881-1972) im Lichte neuer Quellen – ein Perspektivenwechsel und ein Beitrag zum 100. Gründungsjubiläum des Baur-Instituts für Vererbungsforschung“ auf wichtige Weichenstellungen im Leben von Elisabeth Schiemann ein und legte dar, dass hier historische Darstellungen kritisch zu betrachten sind. Prof. Höxtermann legte dar, dass Frau Schiemann in entscheidenden Situationen ihren wissenschaftlichen Weg selbst bestimmt hat. Er stellte diese Ausführungen in den größeren Rahmen der Entwicklung der Genetik in Berlin, bei der Erwin Baur eine zentrale Rolle zukam. Hier ist auch auf das kürzlich erschienene Buch von  R. Nürnberg, E. Höxtermann und M. Voigt, „Elisabeth Schiemann 1881-1972 Vom AufBruch der Genetik und der Frauen in den UmBrüchen des 20. Jahrhunderts“ hinzuweisen.

    Nach einer Kaffeepause führte Dr. Hubert Kempf mit seinem Vortrag Weizenzüchtung bei der Secobra-Saatzucht – im Spannungsfeld von Wettbewerb, Handel, Landwirtschaft und Verbraucher“ in die praktische Pflanzenzüchtung ein. Anschließend zeigte er auf einer Feldrundfahrt die Zuchtfelder der Secobra in Feldkirchen. Zum Abschluss des Tages lud die Firma Secobra die Teilnehmer zu einem rustikalen Abendeessen ein.

     Am Morgen des 18. Juni hielt  auf der Versuchsstation der Saatenunion in Grünseiboldsdorf bei Moosburg Dr. Peter Doleschel einen Vortrag zur Geschichte der Pflanzenzüchtung in Bayern“. Anschließend zeigte Franz-Xaver Zellner kurze Videos zur Zuchtstation und zum Einsatz einer Drohne zur Feldbeobachtung. Die Zuchtstation verfügt über sehr ausgefeilte neue Technik für das Versuchswesen. Hierzu wurden eine Sämaschine, ein Häcksler und eine vielseitig verwendbare Erntemaschine vorgestellt, die über GPS gesteuert arbeiten. Ein Gerät zum Scheiteln von Raps demonstrierte die Vorteile des maschinellen Scheitelns im Vergleich zum Scheiteln von Hand.

    Ein rustikaler Imbiss, zu dem die Saatenunion einlud, beschloss das Programm der Tagung.

     Die Geschäftssitzung fand am Abend des 17. Juni 2014 nach dem Abendessen statt. Für das nächste Treffen liegt ein Angebot von Prof. Thomas Debener aus Hannover vor. Als mögliche Termine nannte er eine der beiden Wochen vom 24.-28. August und 31. August – 4. September 2015. Dieser Vorschlag wurde angenommen.

    Zur weiteren Arbeit der AG Geschichte entspann sich eine lebhafte Diskussion.  Prof. Röbbelen wies darauf hin, dass in der zurückliegenden Zeit einige Hefte in der Reihe „Vorträge Pflanzenzüchtung“ auf die Arbeit der AG Geschichte zurückgehen. In jahrelanger Arbeit wurde außerdem das Bibliografische Lexikon erstellt. Ein Thema für eine künftige Darstellung könnte die Zusammenführung des Bundessortenamtes mit der Zentralstelle für Sortenwesen in der DDR nach der Vereinigung sein. Dr. Meinel regte eine Ergänzung des Bibliografischen Lexikons an, da ja inzwischen einige Namen neu aufzunehmen sind. Prof. Röbbelen wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es heute schwierig ist, neue Ergebnisse einzelnen Personen zuzuordnen, da fast überall im Team gearbeitet wird. Das gilt für die Forschung, aber auch für die Züchtung neuer Sorten.  Interessant wäre hier eine Darstellung, wie sich die Arbeitsweisen im Laufe von Jahrzehnten verändert haben. Ein anderes Thema könnte sein, einzelne  Persönlichkeiten darzustellen. Hierzu hat der Vortrag von Prof. Höxtermann zu Elisabeth Schiemann ein Beispiel gegeben.

     W. E. Weber (Halle)

  • Bericht der 20. Tagung der AG (9) Geschichte der Pflanzenzüchtung Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie (DGGTB) am 14./15. Mai 2013 im alten Speicher der NPZ-Lembke in Hohenlieth „Nutzung von Pflanzen für die Ernährung und die Energiegewinnung“

    – 40 Teilnehmer –

    Vorbereitung und Organisation:
    Dr. Martin Frauen, Dr. Gunhild Leckband, Hilke Rades

    Leitung:
    Prof. Dr. W. Eberhard Weber

    Vor Beginn der Tagung wurden die Teilnehmer durch die Seniorin, Frau Barbara Brauer, im Stadthotel Eckernförde begrüßt und zu einem Imbiss eingeladen. In Hohenlieth begann die wissenschaftliche Tagung mit einer Vorstellung der Geschichte der Norddeutschen Pflanzenzucht Hans-Georg Lembke KG durch den geschäftsführenden Gesellschafter Dietmar Brauer.  Das Unternehmen hat seine Wurzeln in Malchow auf Poel. Dort übernahm 1897 Prof. Dr. h.c. Hans Lembke den elterlichen Landwirtschaftsbetrieb und begann mit der Züchtung von Winterraps, Rübsen, Rotklee, Gräserarten, Winterweizen, Hafer und Kartoffeln. Der Betrieb wurde nach dem 2. Weltkrieg enteignet und als „Volkseigenes Saatzuchtgut“ fortgeführt, Hans Lembke blieb aber weiterhin Saatzucht- und Betriebsleiter. Später erfolgte eine Umbenennung in „Institut für Öl- und Eiweißpflanzenzüchtung Hans Lembke (IÖF)“. Sein Sohn Hans-Georg Lembke gründete 1946 in Schleswig-Holstein die Norddeutsche Pflanzenzucht, die 1952 in Hohenlieth bei Eckernförde ansässig wurde. Nach seinem Tod 1965 übernahm seine Frau Helene Lembke zusammen mit ihrem Schwiegersohn Dr. h.c. Dietrich Brauer die Geschäftsführung. Das Unternehmen entwickelte sich besonders erfolgreich in der Rapszüchtung. Hierzu trug entscheidend die Umstellung auf 00-Qualitätsraps bei. Ein wesentlicher Schritt war der Rückkauf des ehemaligen Zuchtbetriebes in Malchow auf Poel von der Treuhand. Seit dieser Zeit hat die NPZ Hans-Georg Lembke KG die beiden Hauptstandorte in Hohenlieth und Malchow. Für Winter- und Sommerraps erfolgt die Züchtung an beiden Standorten,  Welsches Weidelgras, Ackerbohnen und Erbsen werden in Hohenlieth, Deutsches Weidelgras und Rotklee in Malchow bearbeitet. Die NPZ ist heutzutage Partner zahlreicher Kooperationen wie Saaten-Union GmbH, Saaten-Union Biotec GmbH, Rapool-Ring GmbH und German Seed Alliance GmbH. Hinzu kommen zahlreiche Beteiligungen und Tochterfirmen im In- und Ausland. Dies ist charakteristisch für die mittelständigen Pflanzenzüchtunternehmen im Wettbewerb mit den großen Konzernen.

     Frau Dr. Gunhild Leckband, zuständig für Forschung und Patente bei der NPZ, ging in ihrem Vortrag „Praxisorientierte Forschung in der Rapszüchtung“ näher auf das Forschungsprogramm der NPZ bei Raps ein. Für ein Zuchtunternehmen ist praxisorientierte Forschung essentiell für eine erfolgreiche Sortenentwicklung. Erfprscht werden Komponenten der Ertragsbildung und –sicherheit, und spezifische Qualitätsaspekte wie Doppel-Null, Hoch-Ölsäure, Hoch-Erucasäure und Raps für eine gesundheitsfördernde Ernährung unter Nutzung molekularer Ansätze und neuer Phänotypisierungstechniken. In der Rapszüchtung ist ein weiterer sehr wichtiger Gesichtspunkt die Saatgutqualität. Hier wird nach molekularen Markern zur Erhöhung der Triebkraft gesucht, die sich für eine markergestützte Selektion eignen. Andere Forschungsprogramme beziehen sich auf die Resistenz gegen wichtige Krankheiten wie Sclerotinia und Verticillium. Für eine erfolgreiche Züchtung besteht stets die Notwendigkeit, die genetische Variation zu verbreitern. Hierzu gehören die Ansätze wie Mutantenerzeugung über TILLING und die Identifizierung von Kandidatengenen über Hochdurchsatzsequenzierung. Der hohe Anfall an Daten erfordert außerdem ein ausgeklügeltes Managementsystem. Auch hierzu läuft ein Forschungsprogramm.

     Der nächste Vortrag „UFOP und 20 Jahre RME – eine Erfolgsgeschichte im Zielkonflikt der THG- und Tank/Teller-Diskussion“ wurde von Dieter Bockey (UFOP Berlin) gehalten. Am Beginn 1992 stand ein Flächenstilllegungsprogramm zur Reduktion der Nahrungsmittelproduktion. Der UFOP gelang es, mit einer Kampagne die Landwirte für den Anbau von Raps für Biodiesel auf Überschussflächen zu gewinnen. Die weitere Entwicklung war stark durch politische Entscheidungen bedingt. Für den Anbau von Raps für Biodiesel ist auch zu beachten, dass Biodiesel nicht nur aus Raps hergestellt wird. Dabei sind auch die unterschiedlichen Emissionswerte zu berücksichtigen. Zur  Tank/Teller- Diskussion gibt es politische Beschlüsse von 2012, den Anteil Ackerfläche für die Energiegewinnung deutlich zu senken bei gleichzeitig starker Reduzierung der Treibhausgase aus Anlagen für Biokraftstoffe. Über einen iLUC- Faktor (indirekte Landnutzungsänderung) soll bei Biokraftstoffen die Gewinnung von Energie aus Ölen stärker belastet werden als aus Zucker oder Stärke. Raps für Biodiesel stellt aber auch über Kopplungsprodukte eine Proteinquelle dar. Die Reduzierung des Rapsanbaus würde zu einer Erhöhung der Sojaimporte führen. Dies ist bei einer Vergleichsrechnung zu berücksichtigen. Insgesamt sprach sich Herr Bockey dafür aus, ähnlich wie 1992 strategisch vorzugehen, um den Anbau von Raps für Biodiesel langfristig zu sichern.

     Im folgenden Vortrag „Entwicklung und Stand des Leguminosenanbaus in Deutschland“ zeigte Dr. Wolfgang Sauermann (Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein Kiel), wie sich für alle Leguminosen (Erbsen, Ackerbohnen, Lupinen) der Anbau in Deutschland stark rückläufig entwickelte. Herr Sauermann wies darauf hin, dass um 1900 an der Westküste von Schleswig-Holdstein ein Schwerpunkt für den Anbau von Ackerbohnen lag mit teilweise 50 % der Anbaufläche. Für den starken Rückgang der Leguminosen ist in erster Linie die mangelnde Konkurrenzkraft mit anderen Kulturarten verantwortlich. So ist es nicht verwunderlich, dass es in Deutschland nur noch wenige Zuchtprogramme für Leguminosen gibt.

     Die „Pflanzenzüchtung bei der NPZ“ stellte Dr. Martin Frauen, Saatzuchtleiter und Gesellschafter bei der NPZ, zunächst in einem Vortrag vor, im Anschluss konnten sich die Teilnehmer im Betrieb einen Eindruck von der Leistungsfähigkeit der NPZ ein Bild machen. Herr Frauen erläuterte die ersten Züchtungsschritte im Gewächshaus. Besonders beeindruckend waren für die Teilnehmer die neuen Gebäude für die technische Bewältigung der Aussaat und Bearbeitung der eingehenden Ernte und der Lagerung von Zuchtmaterial. Da im Mai der Raps draußen auf dem Feld steht, sah es so aus, als sei hier sehr viel Platz. Dies wird jedoch zur Kampagnezeit ganz anders aussehen.

    Ein wichtiger Bestandteil eines Saatzuchtunternehmens ist die Aufbereitung von Verkaufssaatgut. Das Saatgutlager wurde von Stephan Leckband vorgestellt. Für jede Partie ist festzustellen, ob die vorgegebenen Qualitätsnormen eingehalten werden. Die Teilnehmer bekamen einen Eindruck, welch hoher technischer Aufwand erforderlich ist. Ein aktuelles Problem besteht in dem Verbot für den Einsatz von Neonicotinoiden als Beizmitteln ab 1. Dezember 2013 für zunächst ein Jahr. Das Verbot wird mit der Gefahr für Bienen begründet. Dies ist schwer nachvollziehbar, da ja nur das Saatgut behandelt wird. Bei einer Feldbesichtigung zeigte Herr Frauen den Stand der im Anbau befindlichen und der sich in einer Endphase der Prüfung befindlichen Sorten der NPZ und der anderen Züchter. Dabei müssen neben den Leistungseigenschaften auch gleichzeitig noch Unterscheidungsmerkmale gegenüber dem großen Rapssortiment gefunden werden.

     Der Tag klang aus bei einer üppigen Abendmahlzeit, zu der die NPZ in den alten Speicher eingeladen hatte. Dabei konnten in entspannter Atmosphäre auch noch einige Fragen diskutiert werden, die aus den Vorträgen ergeben hatten.

     Am nächsten Tag hatte die NPZ zu einen Besuch des Globushauses und des Barockgartens in Schleswig eingeladen. Das Globushaus ist eine Rekonstruktion des barocken Globushauses aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Der Globus mit einem Durchmesser von 3,11 m kann auch von innen betreten werden. Außen zeigt er die Welt um 1650, von innen sieht man die Sternbilder. Außerdem gab es eine Führung durch den rekonstruierten Barockgarten, eine Anlage in mehreren Terassen.  Die Tagung klang aus bei einem Mittagessen im Schlosskeller, zu dem die NPZ geladen hatte.

     Die Arbeitssitzung  fand vor dem Besuch in Schleswig im Stadthotel Eckernförde statt. Zunächst berichtete Dr. Meinel über den Stand der Archivierung von Zuchtmaterial. Dies gestaltet sich äußerst mühsam. Als weiterer Punkt wurden Möglichkeiten einer Darstellung in Buchform zur Entwicklung der Pflanzenzüchtung in Deutschland erörtert, 25 Jahre nach der Vereinigung. Dieser Punkt soll von Herrn v. Broock beim BDP vorgebracht werden. Als Termin für die nächste Tagung sind  der 17. und 18. Juni 2014 vorgesehen, die Tagung soll in der Nähe der Versuchsstation der Saatenunion in Moosburg stattfinden. Herr Franz Xaver Zellner hat angeboten, am zweiten Tag in der Versuchsstation vor Ort die Möglichkeiten moderner Versuchstechnik kennenzulernen. Für das Tagungsprogramm bietet es sich an, die Pflanzenzüchtung mit Schwerpunkt Bayern aus geschichtlicher Sicht sowie aus dem Blickwinkel eines praktischen Züchters, der Wissenschaft und der Versuchstechnik zu betrachten.

     W. E. Weber (Halle)

  • Bericht der 19. Tagung der AG (9) Geschichte der Pflanzenzüchtung: Gemeinsame Vortragstagung mit der Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie am 14./15. März 2013 in Halle/ S. “Persönlichkeiten aus Pflanzenforschung und -züchtung im Hallenser Raum”

    – 60 Anmeldungen –

    Vorbereitung und Organisation:
    Prof. Dr. W. E. Weber

    Leitung:
    Prof. Weber, Dr. A. Meinel, Dr. K. Wenig

    Dr. A. Meinel hieß die Teilnehmer im „Julius-Kühn-Saal“ des Institutes für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Universität Halle, dem neuen Hörsaal des ältesten landwirtschaftlichen Institutes an deutschen Universitäten willkommen. Erste Kontakte zwischen den gemeinsam tagenden Gesellschaften knüpften Prof. Odenbach und Prof. Höxtermann im Sommer 2010. Auf einer Beratung in Berlin im November 2011, in deren Verlauf das beiderseitige Interesse an einer Zusammenarbeit zum Ausdruck kam, wurden das Thema sowie Tagungsort und –termin dieser ersten Vortragstagung festgelegt. – Beide Gesellschaften wurden nach der Wiedervereinigung Deutschlands gegründet, haben historisch jedoch tiefere Wurzeln. In der DGGTB wirken Wissenschaftshistoriker und Wissenschaftler auf dem gesamten Gebiet der Biologie zusammen. Die AG „Geschichte der Pflanzenzüchtung“ der GPZ vereint vorwiegend Pflanzenzüchter und Hochschullehrer dieser Fachrichtung. – Meinel brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Zusammenarbeit auch weiterhin gedeihen wird, da die Schnittmengen von Biologie und Pflanzenzüchtung in der Geschichte weit über das aktuelle Generalthema – die Biografik – hinausreichen.Inhalte der Beiträge werden hier nicht ausführlich referiert, da die Veröffentlichung in der GPZ–Reihe „Vorträge für Pflanzenzüchtung“ vorgesehen ist.

    Die Vorträge des ersten Tages moderierte Prof. K. Pillen, Lehrstuhl Pflanzenzüchtung Halle. Der einleitende Beitrag zur „Bedeutung der Biografik in der Wissenschaftsgeschichte“ von Peter M. Zigmann (Jena) schuf die Grundlage für eine Einordnung der folgenden Beiträge. Er führte aus, dass professionelle Historiker die Vorzüge der Wissenschaftler-Biographik in den 1990er Jahren neu entdeckt haben. Neuere Forschungen und Arbeiten auf diesem Gebiet befassen sich nicht ausschließlich mit dem Wirken und den Verdiensten der einzelnen Persönlichkeit, sondern in besonderem Maße auch mit der Vernetzung ihres Wirkens unter den wissenschaftlichen, philosophischen, politischen und sozialen Bedingungen ihrer Zeit. Dadurch wird die Biographik zu einer wichtigen Methode, „die Komplexität historischer Begebenheiten … in den Griff zu bekommen und dem interessierten Leser zu vermitteln“.

    Prof. W. E. Weber (Halle) sprach über „Theodor Roemer und seine Schule“ und verlas anschließend für den leider verhinderten Dr. K. A. Lein (Hohendorf) dessen Beitrag „Theodor Roemers 444 Tage-Intermezzo in den Westzonen (Juni 1945 bis September 1946)“, dessen Grundlage Tagebuchaufzeichnungen seines Vaters Dr. Alfred Lein (1912 – 1977) sowie Originalbriefe der „Gruppe Roemer“ bilden. – Persönliche „Erinnerungen an Hermann Kuckuck“ ergänzte Prof. T. Tatlioglu (Hannover) durch Darstellung von Kuckucks Wirken (Quelle: „Wandel und Beständigkeit im Leben eines Pflanzenzüchters. Parey Berlin und Hamburg 1988). – Prof. W. Odenbach (Berlin) übergab den Tagungsteilnehmern vorab eine Zusammenstellung wichtiger Daten zum wissenschaftlichen Werdegang von „Walther Hoffmann“ und besprach – an Hand von dessen Publikationen – die wissenschaftlichen Schwerpunkte und deren Kontinuität in Hoffmanns Wirken an den verschiedenen Wirkungsstätten. – Über „Hans Stubbe“ sprach Prof. U. Wobus (Gatersleben), der in dessen „übergroße Fußspuren“ getreten ist, als er selbst die Leitung des Gaterslebener Institutes nach der Wiedervereinigung Deutschlands übernommen hatte. Die öffentliche Abendveranstaltung war der Präsentation zweier Publikationen gewidmet, die zu der Thematik der Tagung Beziehungen stehen. Dr. R. Nürnberg (Berlin) führte ein in Inhalt und die Entstehungsgeschichte des Symposiumsbandes „Elisabeth Schiemann (1881-1972). Vom Aufbruch der Genetik und der Frauen in den Umbrüchen des 20. Jahrhunderts“, der demnächst im Verlag Natur und Text, Basilisken-Presse erscheint. Anschließend sprach die Mitherausgeberin Frau M. Voigt (Berlin) über ihren Beitrag zu diesem Band „Elisabeth Schiemann – Bekenntnis und Widerstand im Nationalsozialismus“. – Den Abschluss der Abendveranstaltung bildeten Ausführungen von Dr. A. Meinel (Heimburg) über das 2008 als Heft 76 in der GPZ-Reihe „Vorträge für Pflanzenzüchtung“ erschienene Buch „Aufbruch in die wissenschaftliche Pflanzenzüchtung. Der Beitrag von Wilhelm Rimpau (1842-1903)“.

    Die drei ersten Vorträge am zweiten Tag moderierte Dr. habil. K. Wenig (Strausberg). – Auf der Grundlage seines Meinungsaustausches mit Prof. Schmalz über die wissenschaftlichen Schwerpunkte während dessen Tätigkeit in Halle von 1950 bis 1989 trug Prof. W. E. Weber (Halle) eigene „Erinnerungen an Hellmut Schmalz“ bei. – Dr. M. Kaasch (Halle), Verfasser einer Biografie über K. Mothes, stellte die Forscherpersönlichkeit und das Wirken von Mothes unter den Bedingungen drastischer politischer und institutioneller Veränderungen dar. Er klärte das Zitat im Titel seines Vortrages „Der ‚ungekrönte König aller Wissenschaftler in Halle‘ – Der Biochemiker und Leopoldina-Präsident Kurt Mothes (1900-1983)“ bald auf: es entstammt den Unterlagen des MfS der DDR. – Als Gründungsdirektor und Leiter des „Institutes für Genetik an der Universität Halle“ über zweieinhalb Jahrzehnte stellte Prof. R. Hagemann (Halle) die Bedingungen für die Gründung und den Aufbau dar, nannte die Forschungsschwerpunkte und Ergebnisse bei der Ausbildung von Genetikern.Die Moderation der abschließenden Vorträge übernahm Dr. A. Börner (Gatersleben). Prof. I. Schubert (Gatersleben) sprach über das Jahrzehnte währende kreative Zusammenwirken der beiden Zytologen „Rigomar Rieger und Arnd Michaelis“, ihre wissenschaftlichen Leistungen und deren Weiterentwicklung am Gaterslebener Institut. – Ausführungen zu „Rudolf Mansfeld, ein sytematischer Botaniker und seine Beziehung zur Züchtung“ von Dr. P. Hanelt (Gatersleben), „einem der wenigen Menschen hier, die Rudolf Mansfeld persönlich gekannt haben“ (Mansfeld-Symposium 2001) bildeten den Abschluss.

    Auf der Arbeitssitzung der AG „Geschichte der Pflanzenzüchtung“ (GPZ) wurde zunächst über den Stand der Bemühungen zur Archivierung von Dokumenten zur Geschichte der Pflanzenzüchtung informiert und von Prof. Röbbelen vorgeschlagen, Dr. Bulich (Bonn) zu bitten, dieses Anliegen auf der bevorstehenden Jahrestagung des BDP vorzutragen. Seitens der AG 9 wird Dr. Meinel diese Aufgabe weiterhin wahrnehmen. – Der scheidende Vorsitzende Dr. Meinel schlug Herrn Prof. Weber zur Wahl als Vorsitzenden vor. Für diesen Vorschlag votierten die anwesenden AG-Mitglieder ausnahmslos und Herr Prof. Weber nahm die Wahl an. – Die 20. Tagung der AG wird nach Vorabsprachen von Prof. Röbbelen mit Herrn Brauer, Frau Dr. Leckband und Herrn Dr. Frauen am 14. und 15. Mai 2013 bei NPZ in Hohenlieth stattfinden. Dr. Wenig erklärte im Namen der Biologie-Historiker der DGGTB das Interesse zur Teilnahme und Mitwirkung bei der Programmgestaltung. Prof. Röbbelen schlug als Thema „Biologische Grundlagen – züchterischer Nutzen?“ vor.

    Prof. Weber dankte im Namen der zahlreichen Teilnehmer den Vortragenden sowie den Mitarbeitern des Institutes für Agrar- und Ernährungswissenschaften für die perfekte Organisation der Tagung und bat um kurzfristige Zusendung der Beiträge für die Publikation in der Reihe „Vorträge für Pflanzenzüchtung“.  

    Dr. A Meinel (Heimburg)

  • Bericht der 18. Tagung der AG (9) Geschichte der Pflanzenzüchtung am 15./16. Juni 2011 in der Zuchtstation Klein Wanzleben der KWS Saat AG

    – 44 Teilnehmer –

    Vorbereitung und Organisation:
    Dr. W.Joachim, Dr. E.Junghans


    Leitung:
    Dr. A.Meinel, Heimburg

    Zum 2. Mal tagte die Arbeitsgruppe „Geschichte der Pflanzenzüchtung“ nach 1995 in dem weltbekannten Züchtungsstandort in der Magdeburger Börde, dessen Ortsname zwischenzeitlich offiziell durch die Bezeichnung „Zuckerdorf“ ergänzt wurde. – Nach Begrüßung der Teilnehmer durch den Leiter der Station Dr. Joachim und den Vorsitzenden übernahm Herr Prof. Weber (Halle) die Moderation des Vortragsprogrammes.

    Dr. E. Junghans, selbst langjährig im Qualitätslabor Klein Wanzleben und von 1991 bis 2001 als dessen Leiter tätig, sprach über Die Zuckerrübenzüchtung in Klein Wanzleben von 1859 bis 1945 – ein historischer Rückblick. Seit Jahren widmet er sich der Erschließung des KWS-Archives und gestaltete seinen Vortrag mit Hilfe historischer Fotografien und Dokumente als interessant kommentierte Bildfolge, mit der er die Geschichte der KWS (zuletzt publiziert von B. Meißner „Erfolg kann man säen. 150 Jahre KWS“, Wallstein-Verlag 2007) darstellte. Dabei fand das 1902 von der Aktiengesellschaft errichtete Laborgebäude bis zu seinem Verfall ab Mitte 1991 und Abriss durch die Nordzucker AG im Jahr 2008 besondere Erwähnung (Junghans, E., 2010: Der Abbruch des Laborgebäudes in Klein Wanzleben – Ende einer Institution. Sugar Industry/ Zuckerindustrie 135, 181-184). Abschließend folgten kurze Angaben zur Übersiedlung/Verlagerung der KWS nach Einbeck am Ende des 2. Weltkrieges, zur Eingliederung der damals in Klein Wanzleben verbliebenen Zuchtkapazitäten in die DSG (Deutsche Saatzuchtgesellschaft) der sowjetisch besetzten Zone und zur Bildung des Institutes für Pflanzenzüchtung Kleinwanzleben der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR 1952 mit den Direktoren Prof. O. Heinisch 1952 – 1961, Prof. G. Gerdes 1962 – 1968 und Prof. J. Oehme 1968 – 1990. (s. Röstel, H.J., 2001: Die Zuckerrübenzüchtung in der DDR. Zur Arbeit der Züchtergemeinschaft Betarüben. Vortr. Pflanzenzüchtung 51, 117 – 131). – Als 2. Vortrag  folgte die Vorstellung der Zuchtstation Klein Wanzleben durch den Stationsleiter Dr. W. Joachim. Mit Aufnahmen von Zuchtarbeiten an Blüten-/Fruchtständen von 4 m hohen Sonnenblumen (von einer Leiter aus) und von ähnlich hohen Mais- und Sorghum-Pflanzen wurde zu Anfang eindrucksvoll gezeigt, dass gegenwärtig Zuchtprogramme bei Mais und Energiepflanzen (Leiter Dr. G. Zieger) neben der Zuckerrübenzüchtung (Leiter Dr. W. Joachim) intensiv bearbeitet werden. – Der Referent blickte einleitend zurück auf die Anfänge der eigenen Tätigkeit im Institut Kleinwanzleben im Jahr 1974 in der Zuchtabteilung von Prof. Röstel und würdigte dessen Zuchterfolge, insbesondere bei der Züchtung von monokarpen Sorten. – Die gegenwärtigen Aufgaben der KWS Zuchtstation Klein Wanzleben auf dem Gebiet der Züchtung (160 ha) umfassen die Mitarbeit in den Zuckerrüben-Züchtungsprogrammen der KWS, die Maiszuchtprogramme Nordwest- und Nordost-Europa sowie das Energiesorghum-Zuchtprogramm und darüber hinaus die Analyse der Inhaltsstoffe von Rüben in dem neu errichteten KWS Zentrallabor. – Die Abteilung Landwirtschaft (1527 ha) dient der Saatgutvermehrung und ist gleichzeitig Modellbetrieb für die Demonstration neuer Sorten und Anbauverfahren (u.a. Fruchtfolgen mit Energiepflanzen). – In der Zuchtstation sind gegenwärtig ganzjährig 40 Personen und im Jahresdurchschnitt 10 Saisonkräfte beschäftigt. – Mit dem Vortrag Über moderne Methoden der Pflanzenzüchtung beendete Frau Dr. A. Matzk (Leiterin Regulatory Affairs Biotechnology der KWS in Einbeck) das Vortragsprogramm. KWS gehört zu den weltweit operierenden Unternehmen der Saatgutbranche, die mit hohen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet gentechnischer Verfahren in Kombination mit intensiven Zuchtprogrammen daran arbeiten, den Züchtungsfortschritt zu erhöhen, zu beschleunigen und neue Zuchtzielstellungen erfolgreich zu bearbeiten. Damit leistet die KWS einen wichtigen Beitrag zu einer signifikanten Erhöhung der pflanzlichen Produktion, um dadurch den sich abzeichnenden globalen Veränderungen (Anwachsen der Weltbevölkerung, rel. Abnahme der landwirtsch. nutzbaren Fläche, Begrenzung der Wasser-Ressourcen, Klimawandel und –schutz)  nachhaltig begegnen zu können. Erläutert wurden die Grundsätze der KWS bei Anwendung der Gentechnik, die internationalen Zuchtfortschritte bei gv Zuckerrüben und Mais, die aktuellen Forschungsprojekte sowie die Problematik „Europa verliert den Anschluss“, wobei aber KWS die Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in Deutschland weiter ausbaut. – Die verfügbare Zeit für Anfragen der Teilnehmer nach dem sehr informationsreichen Beitrag erwies sich als nicht ausreichend, so dass den Interessenten demnächst u. a. die Publikationsreihe „KWS im Dialog“ zugesandt werden wird, wofür vielmals gedankt sei.

    Die Tagungsteilnehmer nutzten anschließend die Möglichkeit, im ‚Haus Biologie‘ eine Firmenausstellung sowie das Firmenarchiv und im Gebäude der Gemeindeverwaltung die neu gestaltete Ausstellung zu Geschichte und Entwicklung des Zuckerdorfes Klein Wanzleben zu besichtigen. In anschaulicher Weise vermitteln Exponate die Veränderungen, die sich seit der Gründung der Zuckerfabrik im Jahre 1838 im Ortsbild, in der Landwirtschaft, im sozialen und politischen Leben vollzogen. Mit besonderem Interesse wurden diejenigen Exponate betrachtet, die – seit der bahnbrechenden Einführung des Polarimeters zur direkten Zuckergehaltsbestimmung (1862) – im historischen Kontext die Modernisierungsschritte in der Zuckerrübenzüchtung, der Zuckertechnologie und Saatgutproduktion bis in die Gegenwart belegen sowie auch Dokumente über das Engagement der Kleinwanzlebener Saatzucht in der Futterrüben- und Getreidezüchtung.

    Am Abend fand man sich auf Einladung der KWS SAAT AG zu Abendessen und geselligem Beisammensein bei angeregten Gesprächen im historischen Casino zusammen, das heute als ‚Hotel & Restaurant CASINO Zuckerdorf Klein Wanzleben“ firmiert.

    Am Morgen des zweiten Tages konnten sich die Tagungsteilnehmer während einer kurzen Feldrundfahrt von dem hohen Niveau der Feldbewirtschaftung und der ausgezeichneten Qualität der Versuchs- und Demonstrationsflächen überzeugen. Erläuterungen von Dr. Joachim zu den Feldbeständen und Versuchsflächen und besonders zur Silhouette des Ortes (u.a. ehem. RgW-Bullenmastanlage, Ruine des ehem. DSG-Speichers, die moderne Zuckerfabrik NORDZUCKER mit einer täglichen Verarbeitungskapazität von 16000 t Rüben, das Bio-Ethanolwerk und die im Bau befindliche Biogasanlage) verdeutlichten die progressive Entwicklung dieses seit nunmehr über 150 Jahre existierenden Zentrums von Pflanzenzüchtung und höchster Produktivität im Pflanzenbau in der Magdeburger Börde.

    In der sich anschließenden Arbeitssitzung informierte der Vorsitzende über das lt. Beschluss der 17. Tagung erarbeitete Memorandum „Für den Aufbau eines historischen Archivs der Pflanzenzüchtung in Deutschland“ (Brückner, LHASA Wernigerode; Röbbelen, Kley, Meinel). Der Vorstand des Bundes Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) schätzte diese Initiative nach Auskunft von Dr. Bulich als „gute Initiative“ ein, jedoch gingen bisher aus den Mitgliedsbetrieben bisher keine Rückäußerungen ein, die eine konkrete Unterstützung bei der Bewahrung züchterischer Archivalien anfordern. Daher wurde beschlossen, dass eine Gruppe von Mitgliedern der AG (Ahlheim, Bulich, Junghans, Kley, Röbbelen, Meinel) eine Übersicht erarbeiten wird, in der vorrangig diejenigen Betriebe oder Personen erfasst werden, die aus Kenntnis der Umstände vorrangig zu kontaktieren sind, um Informationen zu Umfang, Standort etc. von historisch wertvollen Archivalien zur Geschichte der Pflanzenzüchtung zu erhalten. Auf Grund dieser Erhebung könnten Mitglieder der AG9 dann im Sinne des Memorandums unterstützend wirksam werden. – Zur Vorbereitung der 19. Tagung 2012 hat Prof. Weber bereits Gespräche u.a. mit Dr. Klaus Wenig von der DGGTB (Deutsche Gesellschaft für die Geschichte der Theorie und Biologie e.V.) geführt mit dem vorläufigen Ergebnis, dass eine Gruppe von historisch interessierten Mitgliedern dieser Gesellschaft  eine gemeinsamen Tagung mit der AG9 (GPZ) 2012 in Halle befürworten. Der Gedanke, auf gemeinsamen Veranstaltungen beider Gesellschaften erstmals die gemeinsamen Schnittmengen von Biologie, speziell Botanik und Pflanzenzüchtung seit deren wissenschaftlichen Anfängen zu bearbeiten, entwickelte sich  bereits im vergangenen Jahr aus Kontakten von Prof. Odenbach zu Prof. Höxtermann (DGGTB). Zur weiteren Konkretisierung wird Prof. Weber gebeten, mit Vertretern der DGGTB ein Treffen (Teilnahme seitens der AG9: Weber, Odenbach, Röbbelen, Meinel) zu vereinbaren, auf dem Vorschläge zu Programm und Termin (Vorschlag: 13./15.03.2012) erarbeitet werden könnten. – Für die 19.Tagung 2012 ist die Wahl eines neuen Vorsitzenden vorgesehen. Der Vorsitzende erklärte dazu, dass er nach zwei Wahlperioden nicht mehr kandidieren wird. Im Protokoll der Vorstandssitzung der GPZ vom 30.03.2011 schlägt der Vorstand Herrn Dr. R. von Brook als neuen Leiter der AG9 vor. Dieser Vorschlag wird von den Anwesenden ausnahmslos unterstützt. Weitere Vorschläge sind bitte bis zum Jahresende 2011 dem Vorsitzenden zu übermitteln. – Zeitgleich mit der Arbeitssitzung der AG-Mitglieder demonstrierte  Dr. Joachim den Begleitpersonen die Züchtung männlich steriler Rüben in den Zuchtgewächshäusern und führte durch die modernen Saatgut- und Kühllagerräume der Zuchtstation.

    Zur Besichtigung des Schaugartens der BioTechFarm Üplingen wurden die Teilnehmer nach ca. halbstündiger Autofahrt von Herrn Dr. Schrader in dem besonders geschützten Teil des Versuchsfeldes mit den Freisetzungsversuchen gentechnisch veränderter Pflanzen begrüßt. Unter dem Motto „Pflanzenforschung erleben“ werden der Öffentlichkeit auf dem Stiftsgut Üplingen seit 2007 die Ergebnisse moderner Züchtungsprogramme sowie weitere innovative Forschungsbereiche der Pflanzenforschung demonstriert und erläutert. Damit ist Üplingen einer der wenigen Standorte in der BRD, in dem gegenwärtig Freisetzungsversuche gentechnisch veränderter Pflanzen durchgeführt werden. Auch ist Üplingen einer der wenigen Orte, an denen eine Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern moderner Züchtungsmethoden am Objekt möglich ist. – Die Besichtigung begann an einem agrotechnischen Versuch mit herbizidresistenten gv Zuckerrüben („Round up ready“), führte vorbei an Freisetzungsversuchen brandresistenter Weizen einer Züricher Forschergruppe zu Parzellen mit gentechnisch verändertem Mais der nächsten Generation (u.a. Einlagerung mehrerer gentechnisch veränderter Merkmale). Ein Versuch mit Maishybriden, ihren Elternformen und Nachbaugenerationen soll zu einem späteren Besichtigungszeitpunkt besonders Landwirten die Bedeutung des Hybrideffektes eindrucksvoll demonstrieren. – Im „Energiegarten“ werden die Zuchtergebnisse bei Energierüben, Mais, Sorghum und Sonnenblumen sowie pflanzenbauliche Möglichkeiten für Fruchtfolgen zur Energiepflanzenproduktion demonstriert. – Nach der Besichtigung konnten sich die Tagungsteilnehmer im Herrenhaus des Stiftsgutes auf Einladung des Gastgebers, der KWS SAAT AG Zuchtstation Klein Wanzleben, für die Heimreise nochmals stärken.

    Zum Schluss dankte der Vorsitzende im Namen der Teilnehmer den Herren Dr. Joachim und Dr. Junghans vielmals für die interessante und ausgewogene Gestaltung des Tagungsprogrammes, ihren Mitarbeitern für die perfekte Organisation und der KWS SAAT AG für die erwiesene Gastfreundschaft.

    (A.Meinel, Heimburg)

  • Bericht der 17. AG-Tagung in Verbindung mit dem Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt: Abteilung Magdeburg, Standort Wernigerode in 38855 Wernigerode, Lindenallee 21 am 06./07. Mai 2010 in Kloster Drübeck und Wernigerode

    – 43 Teilnehmer –

    Organisation und Leitung:
    Dr. Albrecht Meinel, Heimburg

    Im Verlauf von Recherchen zur Geschichte der Pflanzenzüchtung in Deutschland festigte sich bei den Mitgliedern der AG9 die Überzeugung, dass die Erschließung von Möglichkeiten für die sichere Bewahrung von Archivmaterialien aus den Züchterhäusern eine sehr dringliche Aufgabe darstellt. Auf früheren Tagungen wurde bereits mehrfach vorgeschlagen, über die „Archivierung in der Pflanzenzüchtung“ zu beraten.  Die 17.Tagung widmete sich daher speziell diesem Thema und fand am 1.Tag im „Evangelischen Zentrum Kloster Drübeck“ bei Wernigerode statt. Am 2.Tag besichtigten die Teilnehmer das Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt (LHSA) im Gebäude der „Orangerie“ in Wernigerode, das Archivgut aus 10 Jahrhunderten, u.a. auch Guts- und Familienarchive einiger Saatzuchtgüter, beherbergt.

    Nach Begrüßung der Teilnehmer und Gäste durch den Unterzeichnenden ergriff Prof. Röbbelen das Wort und verlas ein Glückwunschschreiben für Dr. Meinel aus Anlass seines 75.Geburtstages, in dem ihm die Mitglieder der AG für sein Wirken bei der Organisation und inhaltlichen Gestaltung der Arbeit zur „Geschichte der Pflanzenzüchtung“ danken und weiter zu lesen ist: „ … Sie haben als erfolgreicher Züchter selbst ein Stück Geschichte der Pflanzenzüchtung gestaltet und mit Ihren Bemühungen um das Bewahren des Gedenkens an Wilhelm Rimpau und seines züchterischen Vermächtnisses einen bedeutenden Beitrag zur Geschichte der Pflanzenzüchtung in Deutschland geleistet.“

    Anschließend sprach Dr. J. Brückner, Leiter des Standortes Wernigerode des LHSA, zu dem Thema „Das Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt und seine Bestände speziell zur Saat- und Pflanzenzucht sowie die Möglichkeiten zur Deponierung von Nachlässen.“ In dem Dienstgebäude des LHSA „Tessenowhalle“ in Magdeburg befinden sich Archivalien folgender Pflanzenzuchtbetriebe:  Gustav Jaensch, Aschersleben aus den Jahren 1886-1945; Rabbethge & Giesecke, Kleinwanzleben ab 1823; Gebrüder Dippe, Quedlinburg 1871–1945 sowie persönliche Nachlässe von Carl Esche und Heinrich Mette, Quedlinburg. Weiterhin: Archivalien aus dem „Institut für Genetik und Kulturpflanzenforschung“ Gatersleben (1945-1991), aus dem „Institut für Züchtungsforschung“ Quedlinburg (1952-1990) und aus dem „Institut für Rübenforschung“ Kleinwanzleben (1956–1991). Das LHSA Standort Merseburg beherbergt Archivunterlagen aus der „VVB Saat- und Pflanzgut“ Quedlinburg (1950–1986), der Nachfolgeeinrichtung „VE Kombinat für Pflanzenzüchtung und Saatgutwirtschaft“ (1988-1990) sowie aus dem Gut Boltze & Wentzel in Teutschenthal (1800-1945). Im LHSA Standort Wernigerode befinden sich Archivalien aus den Gütern der Familien von Zimmermann (Benkendorf), von Veltheim (Harbke), von Nathusius (Meyendorf und Hundisburg), Wentzel (Teutschenthal) und Rimpau (Langenstein).  –  Die Übernahme von Archivalien durch das LHSA kann auf der Grundlage kostenfreier Depositalverträge (bei individueller Ausgestaltung ) oder auch als Schenkung  (gegen Spendenquittung) erfolgen. Die Bearbeitung übernommener Archivalien geschieht dann zunächst durch deren Bewertung (unter Einbeziehung von Fachleuten), gefolgt von der Einrichtung einer Ordnung sowie Vergabe von Bezeichnungen und Signaturen. Es folgt die Erarbeitung von Findbüchern, wobei deren zunehmende Vernetzung zwischen verschiedenen Archiven zu virtuellen Findbüchern in Zukunft für Nutzer außerordentlich hilfreich sein wird.

    Im zweiten Vortrag befasste sich Dr. A. Börner (IPK Gatersleben) mit der Frage: „60 Jahre Evaluierung von Genbankmaterial – unübersehbares Datenmeer oder nutzbare Ressource?“  Als Bundeszentrale für die ex situ–Erhaltung von Kulturpflanzen verfügt die Genbank des IPK Gatersleben gegenwärtig über 148.000 Akzessionen von über 2.400 kultivierten Arten mit der Zielstellung, diese Kollektionen weiter zu ergänzen, zu erhalten und genetisch zu analysieren sowie über Referenzsortimente verschiedener Arten.  Bei der Erhaltung und Bearbeitung der Kulturpflanzensortimente fallen zu ihrer Charakterisierung sowie bei primärer und sekundärer Evaluierung umfangreiche Mengen von Passport- und Evaluierungsdaten an. Die früher übliche Methode der handschriftlichen Datenerfassung in Tabellen wurde durchgängig computerisiert, so dass heute für jede Akzession Passport- und Evaluierungsdaten sowie zusätzliche Informationen abrufbar sind. – Für die Entschlüsselung und züchterische Nutzung der genetischen Variabilität von vorhandenen Samenmustern stellen die dokumentierten Evaluierungsdaten aus verschiedenen Screenings, die z. T. in Zusammenarbeit mit weiteren Instituten erhoben wurden, die Grundlage für eine Auswahl dar. Auf Grund dieser Daten können „core collections“ für Analysen züchterisch relevanter Merkmale gebildet werden, für deren genetische Analyse im IPK u.a. die assoziationsbasierte Kartierung angewendet wird. – Seit 1953 erfolgte die Bereitstellung von über 770.000 Mustern für verschiedene Nutzer, davon im Jahr 2009 insgesamt 22.799 Muster (für Züchter 3.637).

    In der Arbeitssitzung wurde zunächst das weitere Vorgehen in Zusammenhang mit dem „Biographischen Lexikon zur Geschichte der Pflanzenzüchtung“ erörtert. Dr. Meinel dankte Prof. Röbbelen für die abschließende Bearbeitung der 4. Folge sowie der Fertigstellung und Auslieferung der digitalisierten Fassung als 2. Auflage.  Der Konzeption dieses Lexikons entsprechend stellt die Weiterführung durch Einbeziehung von Biographien „nachrückender“ Züchter und Forscher eine ständige Aufgabe der GPZ dar, für welche die Herausgeberschaft durch den Vorstand zu klären ist. Bis das geschehen ist wird vorgeschlagen, anfallende neue biographische Daten und Ergänzungen zunächst in einem Briefkasten im Sekretariat der GPZ im JKI Quedlinburg zu sammeln. Prof.  Röbbelen schlug vor, diesen Briefkasten später in der BDP-Zentrale in Bonn einzurichten. – Anschließend informierte der Unterzeichnende über die von einer Arbeitsgruppe (Vorsitz: Dr. E. Brecht, Bürgermeister) begonnene Erarbeitung eines Memorandums zur Errichtung eines „Science Center Pflanze“ in der Welt-Kulturerbe-Stadt Quedlinburg. Neben Vertretern der BTU Cottbus (Architektur), des IBA-Büros Dessau und der Stadt Quedlinburg gehören dieser AG aus Fachkreisen an: Prof. Wobus (IPK Gatersleben), Prof. Ordon, Prof. Schiemann, Dr. Schumann (JKI Quedlinburg), Dr. Katzek (BIO Mitteldeutschland), Prof. J. Rimpau (Rat f. nachhaltige Entwicklung Berlin), W. von Rhade (NORDSAAT Böhnshausen),  Dr. Meinel (Heimburg) und Prof. W. Rimpau (Berlin). Mit Bezug auf die Thematik unserer 17. AG9-Tagung heißt es in einem Beratungspapier: „Es könnte ein Ort der Geschichte der wissenschaftlichen Archive und historischen Objekte, der Kommunikation über Ernährung und der Produktion von Nahrungsmitteln … sein.“ Für die zu erwartenden baulichen Veränderungen auf dem ehem. Dippe-Gelände in Quedlinburg wies Dr. Stein darauf hin, dass die dortige Dippe-Büste von der GPZ gestiftet wurde und das JKI deren Bewahrung sichern sollte. – Als Tagungsort für die 18. Tagung der AG Geschichte 2011 schlug Prof. Röbbelen das Zuckerdorf Kleinwanzleben vor, in dem kürzlich ein Zuckermuseum eröffnet wurde. Dr. Junghans erklärte die Bereitschaft zur organisatorischen Vorbereitung in Zusammenarbeit mit der KWS. Für die Moderation der Tagung wurde Prof. W.E. Weber (Halle) vorgeschlagen. Dr. Meinel bat anschließend um Vorschläge und auch Unterstützung des GPZ-Vorstandes für die anstehende Neuwahl des AG–Vorsitzenden und erklärte: „Seit 1998 habe ich mich mit Interesse und Freude an der Gestaltung der jährlich folgenden Veranstaltungen beteiligt und bitte nach dieser 17. Tagung um Entlastung von der Funktion des AG-Vorsitzenden.“ – Den Hauptgegenstand der Diskussionen in der Arbeitssitzung bildeten Detailfragen zur Archivierung züchterischer Nachlässe: Als „archivierungswürdig“ wurden zunächst Urkunden, Nachweise von Rechtsvorgängen, Fotos, Karten, Pläne, Jahresbilanzen (beispielhaft) genannt (Brückner, Senff). Wichtig sind besonders auch komplette Dokumentationen von Zuchtprogrammen aus verschiedenen Zeitepochen (Schachschneider, Röbbelen). Für bekannte Züchterpersönlichkeiten sollten die noch vorhandenen Gesamtnachlässe (auch Briefwechsel, weitere Archivalien zum persönlichen Wirken über die Pflanzenzüchtung hinaus u.a.) in Archive zur kompetenten Bewahrung gegeben werden (W. Rimpau, Berlin). – Für die Übergabe von privaten Archiven bestehen verschiedene rechtlich geregelte Möglichkeiten, z.B. individuell gestaltete Depositalverträge, Stiftungen u.a. (Brückner). – Im Verlauf der zurückliegenden Recherchen zur Geschichte der Pflanzenzüchter durch die AG9 wurde die Dringlichkeit besonders deutlich, züchterisches Archivmaterial zu sichern, wofür die Mitglieder der AG9 und weitere  Zeitzeugen besondere Verantwortung tragen. Sie werden sich, soweit das möglich ist, an der Sichtung und Beurteilung der vorhandenen und für die Archivierung vorgesehenen Unterlagen beteiligen. Weiterhin wurde vorgeschlagen, ein Schreiben der AG9 an den BDP-Vorstand zu richten (evtl. unter Beifügung des Musters eines Depositalvertrages), um die Möglichkeiten für die Bewahrung von züchterischen Archivalien aus Züchterkreisen in Archiven zu kommunizieren (Kley, Bulich). – Diesem Vorschlag folgend wird der Unterzeichnende – nach Abstimmung mit Dr. Brückner (LHSA), Prof. Röbbelen, Dr. Kley und Dr. Bulich – ein Schreiben  dem BDP–Vorstand  für die Tagung im August übergeben.  – Die Arbeitssitzung wurde  gegen 17.30 Uhr geschlossen.

    Danach erlebten die Tagungsteilnehmer eine Führung durch die Klosteranlage und die romanische Klosterkirche St. Vitus als Kern des ehemaligen Benediktinerinnenklosters, das erstmalig im Jahre 960 urkundlich erwähnt wurde. Das „Evangelische Zentrum Kloster Drübeck” verfügt heute nach umfangreichen Rekonstruktions- und Modernisierungsmaßnahmen über moderne Tagungsräume für unterschiedlich große Gruppen sowie Übernachtungsmöglichkeiten für 100 Gäste.

    Am Morgen des 07.Mai besichtigten die Teilnehmer das Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt (Standort Wernigerode) in dem ehemaligen Gebäude der Orangerie der barocken Gartenanlage der Grafen zu Stolberg-Wernigerode, das in den Jahren 1964 – 1967 im Auftrag der Staatlichen Archivverwaltung der DDR zu einem Archivzweckbau umgestaltet worden war. Nach Darstellung der Geschichte des Archivstandortes Wernigerode (Dr. Brückner), der bedeutungsvollsten Bestände (aus der preußischen Provinz Sachsen und deren territorialen Vorgängern; Herrschafts- und Gutsarchive, Leichenpredigten-Sammlungen) sowie zu praktischen Fragen des Archivwesens (Nutzung, Archivberatungsstelle, Archiv-Netzwerke für Findbücher, Archivpflege u.a.) durch Dr. Vollmer wurden Archivräume (u.a. mit Separationskarten aus der Provinz Sachsen und weiteren preußischen Gebieten in originalen Holzkisten) besichtigt. Mitglieder der AG äußerten nach der Besichtigung ihre uneingeschränkte Zustimmung, den an der Archivierung ihrer Bestände interessierten Züchterhäusern zu empfehlen, mit dem Wernigeröder Archiv in Verbindung zu treten.

    Den Abschluss der Tagung bildete eine interessante Führung (Herr W. Kropf) durch die Innenstadt von Wernigerode, der „Bunten Stadt am Harz“, die durch ihre Lage, ihre kulturelle Ausstrahlung (Internationale Chor- und Klavierwettbewerbe, Schloss-Festspiele) und touristischen Angebote zunehmendes Interesse ihrer zahlreichen Besucher erfährt.

    (A. Meinel, Heimburg)

  • 15. AG-Tagung in der Humboldt-Universität 11./12. März 2008 in Berlin

    – 50 Teilnehmer –

    Organisation und Leitung:
    Prof. Erhard Thomas, Potsdam-Babelsberg

     Am 18. Februar 1908 traten die deutschen Pflanzenzüchter im Architektenhause in Berlin zur Gründung der „Gesellschaft zur Förderung deutscher Pflanzenzucht e.V.“ zusammen. Der 100ste Jahrestag, der am 10. März 2008 mit einen Festvortrag von Frau Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung, im Museum für Gegenwart, ehemals Hamburger Bahnhof, Invalidenstraße 50, Berlin, gebührend begangen wurde, war Anlass für die Einladung zur 15. Tagung der GPZ-AG (9) „Geschichte der Pflanzenzüchtung“ am folgenden Tage hier nach Berlin-Mitte in das historische Gebäude der Agrarfakultät der Humboldt-Universität in der Invalidenstraße 42.

    Die Tagung eröffnete der Dekan der Fakultät, Prof. Otto Kaufmann, indem er die Tagungsteilnehmer und eine größere Anzahl weiterer Gäste begrüßte und ihnen die derzeitige Situation und Perspektiven der Fakultät vorstellte. Die Fakultät hat die Lehre sehr früh und mit gutem Erfolg auf Bachelor- und Master-Studiengänge umgestellt. Inzwischen haben aber rigide Sparmaßnahmen dazu geführt, dass beim Lehrkörper kaum noch die „kritische Masse“ für die Durchführung einer ordnungsgemäßen akademischen Lehre gegeben ist. Das bringt eine sehr hohe Belastung für die Lehrenden mit sich. Da die agrarwissenschaftlichen Einrichtungen in Ostdeutschland an den Universitäten in Halle und Rostock in ähnlicher Lage sind, entstand ein Projekt, durch einen Verbund dieser Einrichtungen die Lehre auf einem angemessenen Niveau zu gewährleisten. Ähnliches ist im Gartenbaustudium in internatonalem Rahmen u. a. mit Bologna und Budapest geplant. Die Forschungsleistungen der Fakultät finden allenthalben hohe Anerkennung
    Anschließend hob Prof. Gerhard Röbbelen noch einmal hervor, dass es die GPZ-AG Geschichte war, die erstmals bereits 2003 auf die Gründung der GFP im Jahre 1908 aufmerksam machte. Sie erarbeitete als Votivgabe für die GFP zu ihrem Jubiläum in nahezu vierjähriger Arbeit eine Dokumentation über „Die Entwicklung der Pflanzenzüchtung in Deutschland (1908-2008)“. Dieses Opus von 70 Autoren, ganz überwiegend Mitgliedern unserer Gesellschaft (GPZ), konnte termingerecht fertig gestellt werden. Unter dem Applaus der Anwesenden überreichte Prof. Röbbelen das erste öffentlich verfügbare Exemplar dem bekannten englischen Agrarhistoriker Prof. Jonathan Harwood, London, der anlässlich eines Forschungsaufenthalts in Berlin an der AG-Veranstaltung teilnahm. Sodann berichtete Prof. Röbbelen aus den Anfängen der GFP kurz über den Ort der GFP-Gründung – das Architektenhaus in Berlin, über den Initiator ihrer Gründung, den damaligen Zuckerrüben-züchter Ludwig Kühle-Aderstedt und seine engagierte und kluge Führung als Erster Vorsitzender der GFP über 25 Jahre bis zu ihrer Auflösung („Gleichschaltung“) durch die Nationalsozialisten 1933 sowie über die Aktivitäten der GFP in diesem ersten Vierteljahrhundert, die deutlich weiter gesteckt waren als das Aufgabengebiet der heutigen GFP.

    Der AG-Vorsitzende, Dr. Albrecht Meinel, der leider diesmal an der Tagung nicht teilnehmen konnte, hatte aus dem umfangreichen Nachlass von Wilhelm Rimpau (1842-1903), Schlanstedt und Langenstein, einige Ausschnitte aus dessem Briefwechsel mit den Berliner Professoren Hugo Thiel (1838-1918) und Ludwig Wittmack (1839-1929) ausgewählt, die von dem Urenkel des Züchters, Prof. Dr. med Wilhelm Rimpau, Berlin, sowie den Berliner Professoren Odenbach und Thomas in verteilten Rollen vorgetragen wurden und das wissenschaftliche Klima nacherlebbar machten, in dem sich die Anfänge der modernen Pflanzenzüchtung in Deutschland in den letzten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts vollzogen haben.

    Nach einer Kaffeepause führte Prof. Thomas unter der Überschrift „Berlin – Standort der Agrarforschung seit 1810“ die Teilnehmer anhand einer kommentierten Zeittafel von den Wurzeln in der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin, gegründet 1700 von König Friedrich I von Preußen auf Vorschlag von Gottfried Wilhelm Leibniz, und der Lehranstalt Albrecht Daniel Thaers in Möglin hin zur Eröffnung der Berliner Universität im Jahre 1810 (ab 1828: Friedrich-Wilhelms-Universität), in der Thaer als Erster auf eine Professur für Kameralistik berufen wurde, die er bis 1819 innehatte. Es folgten 1859 in Landwirtschaftliches Lehrinstitut an der Friedrich-Wilhelms-Universität und1881 die Königlich Landwirtschaftliche Hochschule mit ihrem repräsentativen Gebäude in der Invalidenstraße auf dem Gelände der ehemaligen königlichen Eisengießerei (1881-1934), die strukturellen Einschnitte der Vor- und Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges mit der Eingliederung der Landwirtschaftlichen Institute in Dahlem in die Technische Universität Westberlins bis zur Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin heute.

    Eingesprengt in dieses Gerüst schilderten 8 Beiträge verschiedener Redner schlaglichtartig die Bedeutung einzelner Berliner Institutionen und in ihnen das Wirken bekannter Wissenschaftler. Prof. Wolfrudolf Laux, Berlin, stellte anhand der Entstehungsgeschichte der Kaiserlichen Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft heraus, wie diese Gründung 1898 einen Wendepunkt in der Wissenschaftspolitik des Deutschen Reiches bezeichnete, indem sich hier aus der Zuständigkeit des Reiches für die Maßnahmen des internationalen Reblausabkommens und dem damit betrauten Kaiserlichen Gesundheitsamt Schritt für Schritt ein gesamtstaatlicher agrarischer Verantwortungsbereich entwickelte, der bis dahin Landesinstituten vorbehalten war. Der Beitrag der späteren Biologischen Reichsanstalt zur Entwicklung des bald weltbekannten Wissenschaftszentrums in Dahlem und die Integration dieser ersten gesamtstaatlichen Forschungseinrichtung für Agrarwissenschaften in dieses „Deutsche Oxford“ geschahen gleichermaßen beispielgebend.

    Alle Vortragstexte dieser AG-Tagung sind inzwischen in Heft 74 der GPZ-Reihe „Vorträge für Pflanzenzüchtung“ im Druck erschienen und nachlesbar. Deshalb mag es ausreichen, an dieser Stelle die Themen und Redner der weiteren Beiträge aufzulisten:

    –  Kurt von Rümker (1859-1940), vorgetragen von seinem Enkel Arnold von Rümker, Berlin;

    –  Elisabeth Schiemann (1881-1972), eine außergewöhnliche Wissenschaftlerin, und

    – Das Institut für Vererbungs- und Züchtungsforschung in Berlin-Dahlem unter dem Direktorat von Hans Kappert (1931-1957), beide Beiträge zusammengestellt von Wolfgang Horn, Freising, und Walter Hondelmann, Großhansdorf (Vortragender);

    –  Die Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin, AdL (1951-1991), ein Beitrag von Karl Krieghoff, Dorf Wehlen;

    –  Vererbungs- und Züchtungsforschung an der Humboldt-Universität nach 1950 – Mudra, Zimmermann und die Folgen, berichtet von Erhard Thomas, Potsdam;

    –  Das Institut für Vererbungs- und Züchtungsforschung / Angewandte Genetik in Berlin-Dahlem 1958-2000, Auszüge aus einer 2003 von Gertrud Linnert † und Werner Odenbach, Berlin, verfassten Instituts-Chronik, und

    – Das Dahlemer Institut heute, von Thomas Schmülling, dem derzeit zuständigen Institutsleiter.

    Für die Begleitpersonen hatte Frau Thomas nachmittags ein Kulturprogramm vorbereitet mit Führungen im Brechthaus und über den Dorotheenstädtischen Friedhof bzw. im Centrum Judaicum, der restaurierten Berliner Synagoge. Am Abend versammelten sich die Tagungsteilnehmer zu einem geselligen Beisammensein im nahen Hotel Joachimshof an der Invalidenstraße.
    Die Themen der AG-Geschäftssitzung an kommenden Morgen waren unspektakulär.

    –  Prof. Röbbelen dankte noch einmal allen an der Dokumentation (Vortr. Pflanzenzüchtg. 75) beteiligten Autoren für ihre ungewöhnliche, engagierte Kooperation, durch die ein Buch zustande kam, das die erste Monographie von 1910 über die deutsche Pflanzenzüchtung von Paul Hillmann würdig fortsetzen dürfte.

    – Schon fast als Routine bat er um Zusendung jedweder biographischen Dokumente – Laudationes, Jubiläumsberichte, Nachrufe, historische Recherchen – , an das GPZ-Sekretariat, woselbst diese sorgsam archiviert und vor dem Vergessen bewahrt werden. Für ein umfassenderes Archiv oder gar Museum der deutschen Pflanzenzüchtung haben die Gespräche Beteiligter bisher noch keine realisierbare Lösung gefunden; aber das Thema wird nach wie vor verfolgt. – Zunächst wird das GPZ-Sekretariat am 1. Oktober diesen Jahres seinen Standort wechseln: Im Julius-Kühn-Institut in Quedlinburg hat es sehr freundlich und hilfreich unterstützt ein neues Domizil gefunden.

    –  Für die Zukunft der GPZ-AG Geschichte gilt es, neues Engagement zu entwickeln: Der schon im Vorjahr gefasste Beschluss, dass jedes Mitglied zur nächsten Tagung ein neues Mitglied mitbringt, wird angesichts des steigenden Durchschnittsalters nachdrücklich wiederholt. Auch hat inzwischen der zweite AG-Vorsitzende, Graf Hardnak von der Schulenburg, aus gesundheitlichen Gründen gebeten, ihn von diesem Ehrenamt zu entbinden. So wird 2009 auch eine Neuwahl im Vorsitz zu erörtern sein.

    –  In Vertretung des AG-Vorsitzenden Albrecht Meinel fragt Röbbelen nach Vorschlägen für die nächstjährige Tagung bezüglich Orten und Themen. Sein schon vormals gemachter Vorschlag, in Hohenheim zu tagen und auf dem Weg dorthin das Samenhändlermuseum in Gönningen, ggf. auch eine der Blumenzuchtstätten im Stuttgarter Raum, z.B. die Firma Klemm und Sohn, zu besuchen, wird von den Anwesenden überwiegend als nicht außerhalb ihrer Reisemöglichkeiten gesehen.

    Einen überaus anregenden Abschluss fand die Tagung mit einem Besuch in dem der Agrarfakultät unmittelbar benachbartem Naturkunde-Museum (Invalidenstr. 43). Nach einer Einführung durch den stellvertretenden Generaldirektor Dr. Ferdinand Damaschun wurden die Teilnehmer im Innenhof des Museums mit seinem Riesensaurierskelett empfangen und in zwei Gruppen von hoch kompetenten Mitarbeitern mit vielen spannenden Informationen über die Entwicklung der Lebensformen dieser Erde durch die letzten ein- bis zweihundert Millionen Jahre geführt. Angesichts der Fülle des pädagogisch vorbildlich Demonstrierten reichten die verfügbaren 2 ½ Stunden nur für einen ersten Eindruck und den dringenden Wunsch zum Wiederkommen aus.

    (E. Thomas, Potsdam, und G. Röbbelen, Göttingen)

  • 14. AG-Tagung im Department für Nutzpflanzenwissenschaften, Universität Göttingen, und bei der Ernst Benary Samenzucht, Hann.Münden 3./4. Mai 2007 in Göttingen und Hann.Münden

    – 52 Teilnehmer –

    Organisation:
    Prof. Gerhard Röbbelen, Göttingen

    Leitung:
    Dr. A. Meinel, Heimburg, und Dr. H. Graf v.d. Schulenburg, Salzuflen

     Nach einem gemeinsamen Mittagessen der Tagungsteilnehmer in der Klinik-Mensa der Universität Göttingen diente der erste Teil des Treffens einer öffentlichen Vortragsveranstaltung im Hörsaal in der Von-Siebold-Straße, in dem Graf von der Schulenburg rd. 120 Zuhörer im Namen der GPZ begrüßen konnte. Unter dem Generalthema

    „Göttingen seit 1767 (1857) Standort von Lehre und Forschung für die Landwirtschaft“

    erinnerte Prof. Wolfgang Böhm als erster Redner an zwei historische Daten:

    Im Wintersemester 1767/68 hielt der soeben nach Göttingen berufene Johann Beckmann (1739-1811) hier die erste Vorlesung über Landwirtschaft. Weit über Göttingen hinaus wurde Beckmann bekannt durch sein erstmals 1769 erschienenes Lehrbuch „Grundsätze der deutschen Landwirtschaft“, das bis 1806 sechs Auflagen erlebte und in dem er das damalige landwirtschaftliche Wissen systematisierte, klassifizierte und versuchte, aus der Alltagssprache der Landwirte eine wissenschaftliche Terminologie zu entwickeln.

    Parallel zu diesen Kameralwissenschaftlern, die an den Universitäten Vorlesungen über Landwirtschaft hielten, betätigten sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zahlreiche gebildete Landwirte als so genannte „Experimentalökonomen“. Sie legten Feldversuche an und veröffentlichten deren Ergebnisse in zum Teil umfangreichen Büchern. Einige dieser Landwirte gründeten private Schulen, so in Celle 1802 Albrecht Daniel Thaer (1752-1828). Aber seine Bemühungen, seinen landwirtschaftlichen Lehrkurs nach Göttingen zu verlegen und dort ein landwirtschaftliches Institut zu begründen, scheiterten nicht zuletzt auch am Widerstand Johann Beckmanns. Erst den zunehmenden Forderungen der landwirtschaftlichen Provinzialvereine im Königreich Hannover gelang es, dass 1848 ein solcher landwirtschaftlicher Lehrkurs auch an der Universität Göttingen eingerichtet wurde. Dessen organisatorische Leitung oblag der Direktion von mehreren Professoren, zu denen auch Friedrich Griepenkerl (1826-1900), ein Schüler Justus von Liebigs, gehörte.   Ihm diente das vor den Toren Göttingens gelegene Klostergut Weende als Demonstrations- und Musterbetrieb. Dieser wurde, dem Zeitgeist folgend, 1857 in „Königlich Hannoversche landwirtschaftliche Akademie zu Göttingen-Weende“ umbenannt. Noch im selben Jahre beschloss die Königliche Landwirtschafts-Gesellschaft zu Celle, ihre landwirtschaftliche Versuchstation unter der Leitung von Wilhelm Henneberg (1825-1890), vormals Sekretär der Celler Landwirtschafts-Gesellschaft, nach Weende zu verlegen. Mit Hennebergs grundlegenden Arbeiten zur Futtermittelbewertung erlangte die Weender Versuchsstation weit über die Landesgrenzen hinaus internationales Ansehen. Aber auch an der Universität Göttingen entwickelte sich aus diesen Anfängen die landwirtschaftliche Ausbildung geradlinig weiter, wie Prof. Böhm fortführend berichtete.

    Danach rückten vier weitere Göttinger Professoren in ihren Vorträgen die anschließenden Perioden der Pflanzenzüchtung an diesem Ort in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen:

    Gerhard Röbbelen: Von Otto Beseler bis August Lohmann – Pflanzenzüchtung im Klostergut Weende – 1890-1945 (1970).

    Gerd Kobabe: Von Kurt von Rümker bis Arnold Scheibe – Pflanzenzüchtung im (Landwirtschaftlichen) Institut der Universität – 1889-1970.

    Bernward Märländer: Das Institut für Zuckerrübenforschung an der Universität Göttingen – Public Private Partnership seit 1947.

    Heiko Becker: Pflanzenzüchtung an der Universität Göttingen – Die letzten 3 ½ Jahrzehnte.

    Alle Vorträge sollen in absehbarer Zeit in der GPZ-Reihe „Vorträge für Pflanzenzüchtung“ gedruckt verfügbar gemacht werden.

    Während der Zeit der Vortragsveranstaltung waren die begleitenden Damen der Teilnehmer der freundlichen Einladung von Frau Dr. Röbbelen zu einem Teestündchen in den Tuckermannweg gefolgt.
    Am Abend des ersten Tages fuhren alle Tagungsteilnehmer nach Hann.Münden, wohin die Firma Ernst Benary Samenzucht zur Besichtigung ihrer „Pack Trial“-Blumenschau eingeladen hatte. Hier eröffnete Dr. Meinel das Programm und dankte den Herren Benary sen. und jun. für die nach 10 Jahren erneute freundliche Einladung. Während der anschließenden Führung in zwei Gruppen durch die eindrucksvolle Schau der Neuzüchtungen und des gesamten Sortiments der Firma durch die Herren Benary jun. und den Zuchtleiter Dr. Mehring-Lemper standen unter anderem die folgenden züchterischen Fragen zur Diskussion:

    –  Der Einfluss der „großtechnischen“ Pflanzenanzucht in spezialisierten und weitgehend automa- tisierten Jungpflanzen-Anzuchtbetrieben, die bis zu 60 ha Fläche unter Glas bewirtschaften, auf  Züchtungsverfahren und Saatgutqualität bei verschiedenen Arten;

    –   Blütenbiologische und vermehrungstechnische Besonderheiten verschiedener Zierpflanzen;

    – Der wissenschaftlich-technische Fortschritt auf dem Gebiet der Saatgutproduktion und -bearbeitung, wie Pillierung, Primung u.a.m.

    Mit einem gemeinsamen Abendessen und Beisammensein inmitten der wunderschön arrangierten Exponate der Benary’schen Zierpflanzenzüchtungen klang der Tag aus – ein besonderes Erlebnis!
    Nach Übernachtung der auswärtigen Teilnehmer im benachbarten Hotel Freizeit Auefeld traf sich die AG hier am nächsten Morgen von 8.30 bis 10.00 Uhr zu ihrer Arbeitssitzung. Dr. Meinel begrüßte insbesondere Frau Dr. G. Oettler, Hohenheim, und die Herren B. Stiller, Waldbrunn/Oberdielbach, und Dr. K. Brunckhorst, Einbeck, die zum ersten Mal an der Tagung teilnahmen, und eröffnete die Tagesordnung:

    Biographisches Lexikon: Prof. Röbbelen verteilte an die Mitglieder eine Zusammenstellung von möglichen Vorlagen für eine 4. Folge (s. Anlage) und stellte die Frage, ob eine solche Fortsetzung bereits jetzt infrage komme. Es wurde beschlossen, dass jeder Teilnehmer an ihn in den nächsten 4 Wochen eine Liste schickt von potentiellen Eintragungen mit Namen der zu Behandelnden und möglichst mit denkbarem Autor. Sollten insgesamt wenigstens 100 im Wesentlichen neue Biographien zusammen kommen, soll die Arbeit in Angriff genommen werden. Aus technischen Gründen müsste die 4. Folge allerdings noch im Laufe des Jahres 2008 erscheinen!

    Archivierungsfragen: Dr. Meinel unterstrich am Beispiel von Wilhelm Rimpau (1842-1903) die Notwendigkeit, eine baldige Lösung für eine professionelle Archivierung von Nachlässen bedeutender Züchter/Züchtungsforscher zu finden. Es wird beschlossen, dass die AG 9 zu diesem Thema ein Memorandum erarbeitet, für das die Herren Drs. von der Schulenburg, Meinel und Ahlheim in den nächsten Monaten einen Entwurf vorzubereiten gebeten werden. Dafür wird in der Diskussion auf folgende Details hingewiesen: Bereits staatlich archivierte Unterlagen (z.B. aus dem IfZ Quedlinburg im Landesarchiv in Magdeburg und Merseburg) sollten natürlich dort verbleiben, aber nach Möglichkeit zentral erfasst werden (Stein). Für das Bundesarchiv sind in den gesetzlichen Regelungen Kriterien für die Auswahl von zu archivierendem Material vorgeschrieben, die zu beachten sind (Ahlheim). Die positiven Erfahrungen von Prof. W. Rimpau mit dem Staatsarchiv Sachsen-Anhalts in Wernigerode im Zusammenhang mit der Archivierung von Material seiner Familie sollten als Hinweis für Archivierungsmöglichkeiten bisher ungesicherter Nachlässe benutzt werden (Meinel).

    Entwicklung der Züchtung und des Samenbaus bei Futterpflanzen in Baden. Als Saatzuchtleiter der Pflanzenzucht Oberdielbach von 1963 bis 1997 berichtete Herr Stiller über die dortigen Züchtungsaktivitäten. Ausgehend von einer Arbeitsgemeinschaft für Altfränkische Luzerne und dem

    Badischen Verein für Futtersaatenbau wurden hier im Jahre 1924 gemeinsame Arbeiten zum Samenbau und zur Züchtung von Futterpflanzen (Luzerne, Deutsches Weidelgras, Lieschgras, Knaulgras, Rotschwingel, Wiesenrispe, Rotklee, Schwedenklee, Hornschotenklee u.a.) begonnen. Unter der tatkräftigen, sachkundigen Leitung des in Oberdielbach aufgewachsenen Futterpflanzenzüchters Fritz Schmidt erlebte die Odenwälder Saatzucht Oberdielbach nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Entwicklung zahlreicher ertragreicher und bestens adaptierter Gräser- und Kleesorten einen überaus erfolgreichen Aufschwung und machte den Namen Oberdielbach weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Bald nach der Übernahme der Genossenschaft (zeitweise über 1000 Mitglieder) durch die Raiffeisen Karlsruhe 1992 musste die Züchtung ein-
    gestellt werden. Herr Stiller hat darüber eine Dokumentation zusammengetragen, die sich im Archiv der Gemeinde Waldbrunn befindet.

    Entwicklung der Pflanzenzüchtung in Deutschland – 100 Jahre GFP e.V. – eine Dokumentation.
    Prof. Röbbelen informierte über den Bearbeitungsstand und die Absicht, die Dokumentation (ca. 650 Seiten) bis zum Oktober des Jahres in Druck zu geben. Das erfordert konzentrierte Arbeit an den noch ausstehenden Beiträgen (insbes. im Abschnitt V zu Wirtschaft und gesellschaftlicher Bewertung der Pflanzenzüchtung). Die Erarbeitung der eigentlichen Festschrift zum GFP-Jubiläum erfolgt durch die Agentur PUBLIK und ist hier in guten Händen. Die Druckkosten für die Dokumentation der GPZ gestatten es nicht, den beteiligten Autoren außer einer Anzahl von Sonderdrucken ihrer Beiträge je ein Freiexemplar zukommen zu lassen. Für die beteiligten Autoren wird mit einem Vorzugspreis von 25,- € / Exemplar gerechnet, was ausnahmslos akzeptiert wurde.

    AG-Tagung 2008. Es wird vorgeschlagen, die Tagung unmittelbar vor oder nach der Festveranstaltung „100 Jahre GFP“ zu organisieren. Hierzu liegen uns seitens der GFP noch keine Informationen über Termin, Ort etc. vor. Falls der Ort Berlin ist, kämen für die AG als Tagungsort die Invalidenstraße 42 bzw. das Brauerei-Institut in Berlin oder auch das Leibnitz-Institut in Müncheberg/Mark infrage. Prof. Thomas erklärte sich zu Vorklärungen vor Ort bereit.
    Zum Abschluss der Tagung erfolgte unter der Führung von zwei sehr sachkundigen Damen des Verkehrsamts ein Rundgang durch die seit dem Mittelalter niemals zerstörte Stadt mit ihren Bauten aus den verschiedensten Stilepochen, die den historischen Reichtum dieses Handels- und Warenumschlagsplatzes an Werra und Weser bis heute widerspiegeln. Mit einem erstklassigen Menü (zu 10 €) im Ratsbrauhaus und einem allgemeinen „Auf Wiedersehen im nächsten Jahr“ endete die Tagung.

    (A. Meinel, Heimburg)

  • 13. AG-Tagung bei der Deutschen Saatveredelung, Zuchtstation Leutewitz 22./23. Juni 2006 in Leutewitz/Meissen

    – 61 Teilnehmer –

    Organisation:
    Dr. J.C. Vaupel, Leutewitz

    Leitung:
    Dr. A. Meinel, Heimburg, und Dr. H. Graf v.d. Schulenburg, Salzuflen

     Nach seiner Begrüßung lud der Leiter der DSV-Station Leutewitz, Dr. Vaupel, die Teilnehmer als Erstes zu einem Imbiss ein. Das Vortragsprogramm eröffnete Dr. H. Graf v.d. Schulenburg im Obergeschoss des neuen Saatzuchtgebäudes mit einem Dank an Dr. Kley und die Leitung der DSV für die freundliche Einladung nach Leutewitz. Von den Teilnehmern begrüßte er besonders Frau Hanna Steiger und Herrn Dr. H.U. Steiger mit seiner Frau Cornelia als Vertreter der Familie Steiger, die ihren Besitz in Leutewitz durch die Bodenreform in der SBZ 1946 verloren und verlassen mussten.

    Die Vorträge der Tagung mit Beiträgen zur Geschichte der Pflanzenzüchtung in Leutewitz sollen in einem nächsten Heft der GPZ-Reihe „Vorträge für Pflanzenzüchtung“ gedruckt werden. Ihr Inhalt sei deshalb nachfolgend nur mit wenigen Stichworten skizziert:

    Frau Dr. U. Schütze: „Anfang und Entwicklung – die Familie Steiger“.

    Das Gut Leutewitz war von 1767 (85 ha) bis 1945 im Besitz der Familie Steiger. Aus den „Erinnerungen aus meinem Stammschäferleben“, einem >500-seitigen Manuskript von
    Adolph Steiger über die Anfänge (1805) der „weltbekannten“ Leutewitzer Merino-Vollblut-Stammzucht. – Beginn (1825) der Massenauslese bei Futterrüben aus der bayerischen Landsorte ‘Oberndorfer Rübe’ durch C.A. Leberecht Steiger; Zuchtziele: Nährstoffertrag (Laboranalysen) und Rübenform (Kugel); positiver Standorteinfluss (Leutewitz) zugunsten hoher Trockentoleranz der ‘Leutewitzer Rübe’. – 1876 Beginn der Massenauslese aus dem Sächsischen Gebirgshafer durch K. Otto Steiger; Zuchtziele: Feinspelzigkeit (<22%), Frühreife und Ertrag. – 1880 Beginn der erfolgreichen Auslesezüchtung im englischen ‘Squarehead’-Weizen, den O. Steiger direkt aus Dänemark bezogen hatte; Zuchtziel: Erhöhung der Winterfestigkeit. 1887 DLG-Wanderversammlung in Dresden mit Exkursion nach Leutewitz.

    Dr. H. Graf v. d. Schulenburg: „Futterrübenzüchtung in Leutewitz und Eckendorf“.

    Darstellung der Kulturgeschichte der „Runkelrübe“ vom Beginn des Anbaus 1750 über die enorme Ertragssteigerung durch Stickstoffdüngung in den Jahren 1860-80 bis zu einer maximalen Anbaufläche von rd. 1 Mio. ha in Deutschland 1940; danach ein stetiger Rückgang im Anbau bis nahezu zur wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit der Futterrübe in der Gegenwart. Alle Bemühungen der Züchter, die arbeitsökonomischen Nachteile u.a. durch Entwicklung monogermer Sorten und maschinell erntefähiger Rübenformen auszugleichen, konnten den Niedergang nicht aufhalten. – Während in Leutewitz die Schaffütterung Ausgangspunkt für die Futterrübenzüchtung war, wurde W.v. Borries in Eckendorf seit 1846 durch den zunehmenden Einsatz von Futterrüben in der Milchviehfütterung zur Auslese von walzenförmigen „Runkeln“ aus einem Formengemisch angeregt. – In Zukunft wird der Futterrübenanbau begrenzt sein: zur Ausnutzung der diätetischen Wirkung (in der Milchviehfütterung) vorwiegend in kleinen Tierbeständen und evt. Einsatz in der Biogaserzeugung.

    Dr. G. Kley, Lippstadt: „Die DSV – von Landsberg nach Lippstadt und Leutewitz“.

    1923 Gründung der DSV in Landsberg/Warthe: Mangelhafte Versorgung mit Futterpflanzensaatgut nach dem 1. Weltkrieg, Grünlandbewegung. – Dr. Walther Fischer, erster DSV-Geschäftsführer; wegweisender Aufbau des Vertragsanbaus bei der Futtersaatenvermehrung.– 1929 „Landsberger Gemenge“ = je 20 kg/ha Weidelgras, Inkarnatklee und Winterwicken.

    – 1945 Wiederaufbau der DSV durch Dr. Renius in Lippstadt; 1952 ist DSV größte Produk-tionsfirma von Futterpflanzensaatgut in Deutschland; 1965 und 1976 Übernahme weiterer Zuchtprogramme durch die DSV. – Aufnahme Dänemarks in die EU löst 1980/81 drastischen Preisverfall von Futterpflanzensaatgut aus. Erweiterung des Fruchtartenspektrums bei der DSV, positive Entwicklung insbesondere bei Qualitätsraps. – 1990 erste Kontakte des VEG Saatzucht Leutewitz zur DSV; diese führten 1991 zur Übernahme des VEG durch die DSV.

    Dipl. agr. M. Freitag, Dresden: „Pflanzenzüchtung und Saatgutwirtschaft in Sachsen“

    1895: Vereinheitlichung der Frachtgebühren für Saatguttransporte fördert in ganz Sachsen den Saatgutkauf der Landwirte. – 1900: Saatbaugenossenschaft ‘Pirnaer Roggen’. ‘Erzgebirgischer Gelbhafer’ und Flachszüchtung in Altmitweida. – 1907: erste „Saatbauinspektoren“ als Absolventen des Landwirtschaftl. Instituts der Univ. Dresden. – Erste Mähdruschversuche Ende der 1920er Jahre. – Nach 1934: Reichsnährstandsgesetze fördern den Saatgutwechsel. – 1937 wird in Nossen eine Sortenregisterstelle eingerichtet (Milatz): Infolge der Kriegswirren wird 1943 die Zentrale des Sortenregisters von Berlin nach Nossen verlegt. – Bodenreform in Sachsen: Enteignete Fläche = 270.000 ha. – 1950 werden das Gut Berthelsdorf bei Löbau, 1953 das Gut Plaußig bei Leipzig zu Saatzuchtbetrieben; in Motterwitz Fortsetzung der Gräserzüchtung (A. Günther). – Hohes Saatgutaufkommen des VEB Saat- und Pflanzgut Dresden für die sozialistischen Landwirtschaftsbetriebe (100%iger Saatgutwechsel bei Getreide) und für den Export (25.000 t in die Sowjetunion, insbes. Sommergerste). – Seit der Wiedervereinigung ist die BayWa führend in der Saatgutversorgung der sächsischen Landwirte.

    Dr. C. Funke, Celle verliest auszugsweise einen Bericht über die Exkursion der „Fachschule für Landwirtschaft des Landes Sachsen in Meißen“ am 26. Juni 1948 zur Besichtigung des DSG-Betriebes Leutewitz.

    Dr. J.C. Vaupel, Leutewitz: „Die Pflanzenzüchtung in Leutewitz von 1945 bis heute“.

    1952 wird Leutewitz Saatzuchthauptgut mit vorwiegend erhaltungszüchterischen Aufgaben. 1965 Beginn von Neuzüchtungsarbeiten bei Gräsern (Frau Dr. Schütze). 1970 Neuzüchtung bei Wintergerste (Dr. Herrmann). 1978 wird Leutewitz Hauptzuchtstation für Wintergerste und Gräser des VVB Saatgut; umfangreiche Investitionen (Gebäude, Gewächshäuser). 1988 Beginn eines Biotechnologie-Gebäudes, bis zur Wiedervereinigung nicht fertig gestellt. Aktive Rolle der Saatzucht Leutewitz bei der Entwicklung der Zuchtgartentechnik in der DDR. – 1990 Beginn der Kooperation mit der IG Pflanzenzucht München. 1991 Übernahme durch die DSV Lippstadt. Erfolgreicher Aufbau der Winterweizenzüchtung nach 1990 (Herr Schlieter).

    Besichtigung der neuen Saatgutaufbereitungs- und Lagerhallen, der Gewächshäuser und Aufbereitungsräume für Zuchtmaterial, der Demonstrationsfläche Getreide und des sorgfältig restaurierten Gutshofes.

    Anlässlich des gemeinsamen Abendessens der Teilnehmer im Hotel „Goldener Löwe“ in Meißen übergab Dr. Junghans eine gerahmte Reproduktion der „Leutewitzer Runkelrübe“ an Herrn Dr. Steiger. In den 1920er Jahren hatte der Werbephotograph und -zeichner Hansen für die KWS farbige Darstellungen aller Futterrübensorten gefertigt. Aber von der „Leutewitzer“ blieb nur eine photographische Schwarz-Weiß-Platte erhalten, von der Dr. Junghans das übergebene Bild reproduzieren ließ.

    Arbeitssitzung der AG am 23.6., 8:30 bis 10:30 Uhr im Hotel „Goldener Löwe“ (Leitung Dr. A. Meinel).

    Personalia: Prof. Röbbelen informiert: Die Mitglieder der AG Herr Rudolf Benary und Freiherr Grote haben ihr Ausscheiden aus Alters- bzw. Gesundheitsgründen mitgeteilt. Mit ihren Grüßen an alle Teilnehmer haben sich für diese Tagung als verhindert gemeldet: Herr Dipl. H. Baudis, Prof. R. Steuckardt, Dr. W. Baier, Dipl. M. Hortig und Prof. W. Hondelmann.

    Verschiedenes: Dr. Stein weist auf ein Buch für historisch Interessierte hin: „Familie Mette – Quedlinburg am Harz. Eine Geschichte zur Entwicklung der Saatzucht in Deutschland seit 1784“, aufgezeichnet von Hans-Jürgen Vogler, Habsburgstr. 14, CH 3006 Bern, Dezember 2005, 158 Seiten incl. Abbildungen, Preis € 40,00 (!). Bezug durch Immobilienbüro Dr. Drewes, Brühlstr. 1, 06484 Quedlinburg.
    Als sehr informativ und lesenwert erschien inzwischen die Dissertation von Thomas Wieland: „Wir beherrschen den pflanzlichen Organismus besser, …“, Wissenschaftliche Pflanzenzüchtung in Deutschland, 1889-1945. Deutsches Museum, München. 271 S., € 25,00. Bezug: GPZ-Sekretariat.

    Dr. Stein empfiehlt überdies einen Besuch in dem zu einem Hotel ausgebauten ehem. Stammsitz der Familie von Kameke in Streckenthin [Hotel Bursztynowy Palac, Strzekęcino 12,
    PL-76 024 Świeszyno. Tel.: +48 (094) 31 61 227. Fax: +48 (094) 31 61 442.
    eMail: recepcja@bursztynowypalac.pl
    Internet: www.hotel.bursztynowy-palac.pl

    Biographisches Lexikon: Prof. Röbbelen erhielt seit Abschluss der 3. Folge des Lexikons bereits weitere 30 Eintragungen (vorwiegend von Dr. Reiser), die einen Ergänzungsdruck in absehbarer Zeit nahe legen. Dementsprechend bittet er alle Mitglieder um Weiterführung einschlägiger Recherchen, insbesondere um Mitteilung jedweder relevanten Information (Jubiläen, Laudationes, Auszeichnungen, Nachrufe u.a.m.) an seine Adresse. Die Einrichtung eines „Biographischen Briefkastens“ (z.B. im Haus der Pflanzenzüchtung“ in Bonn) wird von ihm weiter verfolgt.

    Pflanzenzüchtung in Deutschland – 100 Jahre GFP e.V.: Prof. Röbbelen verteilt eine Übersicht über den derzeitigen Bearbeitungsstand: 28 Beiträge liegen druckfertig vor, 12 Beiträge sind bei den Autoren in Revision, 13 Autoren haben noch nichts vorgelegt, sind jedoch „an der Arbeit“. Für 5 Beiträge werden Autoren noch gesucht. Insbesondere fehlen Informationen über die Zeit des Neuanfangs in Westdeutschland nach dem Kriege zwischen 1945 und 1956 (Jahr der Wiedergründung der GFP) sowie Beispiele für nationale und internationale Kooperationen von Zuchtbetrieben/Züchtern in den letzten 50 Jahren.

    Prof. Röbbelen bittet alle Autoren, die noch ausstehenden Beiträge bis spätestens Ende September d.J. fertig zu stellen. Im Oktober möchte die GFP beginnen, auf der Grundlage des Gesamttextes die rd. 100seitige Festschrift „im Hochglanzformat“ in Angriff zu nehmen. Gleichzeitig will die GPZ anhand des umfassenden Gesamttextes, dessen Veröffentlichung in den „Vorträgen für Pflanzenzüchtung“ vorgesehen ist, mit der Erarbeitung der bewertenden Gesamtschau im Abschlusskapitel (19) beginnen unter der Überschrift „Auf und Ab in der gesellschaftlich/politischen Wahrnehmung der Agrarwirtschaft und Pflanzenzüchtung in Deutschland im vergangenen Jahrhundert“. Als Ausgangspunkt hierfür ist ein eintägiges Rundgespräch zwischen hochkarätigen Experten aus verschiedenen, einschlägigen Disziplinen vorgesehen, dessen Ergebnis die Zusammenfassung der Monographie in diesem Schlusskapitel wesentlich mitbestimmen soll.

    Anregungen zu Details der Darstellung geben Dr. Kley (Berücksichtigung der Rolle von Backe und Strasser, die staatliche Förderung der Pflanzenzucht in Deutschland im Rahmen der „Erzeugungsschlacht“ bis 1945 sowie die entscheidende Mitwirkung von Dr. K.H. Römer, erster BSA-Präsident, und Dr. Büttner als Rechtsberater für die Pflanzenzüchtung der BRD in der frühen Nachkriegszeit), Dr. Bätz (Kooperationsbeispiel Kartoffelzüchter) und Dr. Ahlheim (der die Protokolle der Sortenausschuss-Sitzungen auf generell interessante historische Daten der Nachkriegszeit durchsehen will).

    Vorschläge für die nächstjährige Tagung: Dr. Meinel erinnert an die Einladung der Fa.
    Benary, die im Vorjahre ausgesprochen wurde und die Dr. Kley ausdrücklich unterstützt. Prof. Röbbelen schlägt im Hinblick auf die GFP-Schrift ggf. als Ort Hannover (das BSA) oder auch Göttingen (und Einbeck) als Tagungsort 2007 vor.

    Stadtführung Meissen: Die begleitenden Damen hatten am Morgen bereits mit der Stadtführerin Frau Selzer die Porzellan-Manufaktur besichtigt. Nach der Geschäftssitzung der AG setzten alle Teilnehmer gemeinsam die Stadtführung durch die vom 2. Weltkrieg weitgehend verschonte Altstadt fort und lauschten beim Aufstieg zur Albrechtsburg dem Porzellan-Glockenspiel der Frauenkirche: „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre …“. Mit einem Dank an alle Akteure und einem herzlichen „Aufwiedersehen“ vor dem Dom endete die Tagung.

    (A. Meinel, Heimburg)

  • 12. Arbeitstagung im Evangelischen Augustinerkloster zu Erfurt 27./28. Juli 2005 in Erfurt

    – 56 Teilnehmer –

    Organisation und Leitung:
    Dr. W. Reiser, Erfurt, Dr. A. Meinel, Heimburg, Dr. H. v.d. Schulenburg, Bad Salzuflen

    Herr Dr. Reiser, der die AG schon im vergangenen Jahre nach Erfurt eingeladen hatte, empfing die große Schar der (>40) früh angereisten Teilnehmer um 10:30 Uhr am Haupteingang der ega, der 1952 begründeten und inzwischen international bekannten Erfurter Gartenausstellung. Die Führung durch die gepflegten Anlagen und die bunte Blumenpracht übernahm ein Mitarbeiter der ega, der für den Rundgang einige besonders interessante Objekte ausgewählt hatte, u.a. das „größte ornamental bepflanzte Blumenbeet Europas“ (fast 1 km lang), den Rosengarten und den neuen japanischen Fels- und Wassergarten. Aber in der Kürze der verfügbaren eineinhalb Stunden konnte damit von dem fast 60 ha großen Ausstellungsgeländes nur ein sehr kleiner Ausschnitt besichtigt werden – eine Anregung zum Wiederkommen!

    Offiziell begann die Tagung um 14:00 Uhr in der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in der Leipziger Strasse, wo in Vertretung von Herrn Dr. Czekalla die Teilnehmer von der stellvertretenden Direktorin Frau Altmann begrüßt wurden. Ausgehend von einer Ingenieurschule für Gartenbau entstand hier seit 1991 eine moderne Ausbildungsstätte für Meister und Techniker im Gartenbau in Verbindung mit einer Versuchsstation für den Gemüse-, Obst- und Zierpflanzenbau sowie den Garten- und Landschaftsbau. Mit ihrem 15 ha großen Gelände grenzt die Anstalt unmittelbar an die Fachbereiche Gartenbau und Landschaftsarchitektur der Fachhochschule Erfurt und ist mit diesen durch vielfältige Zusammenarbeit verbunden. Sie verfügt über einen gepflegten, z. T. neuen Gebäudebestand und rd. 50 Mitarbeiter, einschließlich der Lehrer, die gleichzeitig Versuchsleiter sind. Über die eigenen ein- bzw. zweijährigen Fachlehrgänge hinaus wurde der Anstalt kürzlich auch die überbetriebliche Ausbildung im Garten- und Landschaftsbau des Landes Hessen übertragen – ein Beleg für ihr hohen fachliches Niveau. Der 2stündige Rundgang durch die Versuchsanlagen ließ das Herz aller Gartenfreunde höher schlagen: Üppig blühende Balkonkästen und Blumenampeln, exakte Prüfanlagen für Rosen und andere Blütenstauden, überreich fruchtende Reihen von Schwarzen Johannisbeeren, Äpfeln oder Schwarzem Holunder; für den Produktionsgartenbau modernste Gewächshäuser und für den Gartenlandschaftsbau eine großzügige Ausbildungshalle und ein kunstvoll angelegter Lehrgarten mit Arboretum und vielgestaltiger Staudenbepflanzung sowie vieles andere mehr.

    Zurück im Vortragsraum der Anstalt genossen die Teilnehmer die angebotenen riesengroßen Kirschen ebenso wie die Vorträge von Dr. Blüthner und Dr. Reiser über die Geschichte des Erfurter Gartenbaus von seinen Anfängen unter Christian Reichart (1685-1775), dem Begründer des modernen Erwerbsgartenbaus, bis heute. Beide Berichte sollen demnächst in der GPZ-Reihe „Vorträge für Pflanzenzüchtung“ im Druck erscheinen.

    Zum abendlichen Beisammensein trafen sich die Teilnehmer im Luthersaal des Augustinerklosters, wo sie sich dem Ort angemessen vielfältiger Konversation befleißigten. Aber klösterliche Askese ließ das üppige Buffet nicht aufkommen, weshalb unklar blieb, ob zur Nacht Einige durch das niedergehende Gewitter oder eine innere Unruhe aus dem Schlaf gerissen wurden.

    Am nächsten Morgen fand die Arbeitssitzung der AG im Raum Wittenberg im Renaissancehof des Klosters statt. Tagesordnungspunkte waren: (1) die Fortführung des Biographischen Lexikons (Nachträge sollen je nach Anfall als „Dokument“ in den „Vorträgen“ veröffentlicht werden; im übrigen soll im BDP in Bonn ein Briefkasten für historisch bedeutsame Informationen eingerichtet werden); (2) die Vorbereitung einer Monographie über „Pflanzenzüchtung in Deutschland – 100 Jahre GFP e.V.“, die Prof. Röbbelen vorstellte und für die er um Mitarbeit bat, und (3) Verschiedenes; hier wurde u.a. Dr. Kley gebeten, bei der DSV anzufragen, ob die AG 9 ihre nächste Tagung im Juni 2006 in Leutewitz veranstalten könnte, wo Christian Adolf Steiger für seine berühmte Merino-Schafzucht schon 1825 mit der Runkelzüchtung begann (die Zusage liegt inzwischen vor!). Zu dieser Tagung soll (so Röbbelen), um der Vergreisung der AG zu begegnen, jedes AG-Mitglied einen interessierten Jungpensionär mitbringen!

    Um 10:30 Uhr fand man sich auf dem Hof der alteingesessenen Erfurter Samenfirma N.L. Chrestensen ein, wo der Seniorchef, Herr Niels Lund Chrestensen, mit einigen Ausführungen zur Geschichte des Unternehmens und einer kurzen Vorstellung der Betriebsstruktur und des weltweiten Engagements im gärtnerischen Saatgutgeschäft begrüßte. Über weitere Einzelheiten informierte Dr. Blüthner beim Rundgang durch die Betriebsräume und Außenanlagen.

    Samenvermehrte Blumen, Gemüse sowie Arznei- und Gewürzpflanzen stehen im Zentrum der unternehmerischen Aktivitäten von N.L. Chrestensen. Vertragspartner in allen Teilen der Welt produzieren das Saatgut nach verbindlichen Qualitätskriterien. Im firmeneigenen Labor werden Reinheit, Keimfähigkeit und Triebkraft ermittelt, im Probefeld die sortentypischen Merkmale überprüft. Zahlreiche Fragen der Teilnehmer machten den Rundgang kurzweilig. So wurde z.B. berichtet, das im Hobbysamenbeutelbereich neben dem Aufdruck „Keimgewähr bis Monat und Jahr“ ein amtlich festgelegter Buchstabe das Jahr der Füllung des Beutels verrät. Die Aufbereitung der eingehenden Samenpartien erfolgt mit den alt bewährten Saatreinigungsmaschinen aus „Petkus-Wutha“, einer Thüringer Traditionsfirma. Für Kleinstmengen von Feinsämereien ist allerdings weiterhin eine Handaufbereitung notwendig. Hier sind vor allem Erfahrung und Geschick gefragt. Tausende von Saatgutpartien werden jährlich aufgearbeitet und vermarktet. Die Verkaufsbereiche umfassen das internationale Wiederverkäufergeschäft, den gärtnerischen Profibereich und die Hobbygärtner. Millionen der bunten Samenbeutel werden jährlich im eigenen Unternehmen gefüllt und vermarktet. Kennzeichnend für diesen Betrieb ist, dass er bis heute spezielle Samenvermehrungen, die Produktion von Elitesaatgutbeständen und eigene Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Bereich der Neuzüchtung von Arznei- und Gewürzpflanzen im Mutterhaus betreibt. So konnten sich die Teilnehmer mit der Erzeugung von F 1-Saatgut bei Petunien und Begonien vertraut machen. Im Probefeld wurden die Arbeiten in laufenden Projekten demonstriert. Auf der Grundlage eines EU-Projekts wurde die weltweit erste F 1-Hybride beim Majoran entwickelt; sie steht 2004/2005 im Pitolanbau. Ein Projekt zur Verbesserung von Welkeresistenz und Inhaltsstoffen beim Johanniskraut wurde 2005 abgeschlossen. Beim Fenchel laufen Arbeiten mit den Zielmerkmalen „Hoher Ölgehalt“, „Niedriger Estragolgehalt“, „Resistenz gegen Doldenkrankheiten“, „Kleinkörnigkeit“ und „Einjährigkeit“. Bei der Petersilie gibt es Vorarbeiten zur Resistenzzüchtung gegen Blattkrankheiten.

    Nach einem abschließenden Imbiss dankte Dr. H. Graf v.d. Schulenburg im Namen aller Gäste für die anregende und informationsreiche Betriebsführung.

    Die Familie Haage war seit 1640 in Erfurt ununterbrochen zunächst als Obst- und Gemüsegärtner tätig. Als Gärtnerlehrling beim Dresdner Hofgärtner Seidel hatte Friedrich Adolf Haage (1796-1866) die aus Amerika stammenden Kakteen als Pflanze fürstlicher Gärten kennen gelernt und weit blickend deren Liebhaberwert für das aufstrebende Bürgertum erkannt. Auf seine Kakteensammlung aufbauend, gründete sein Sohn Ferdinand 1822 eine Kakteengärtnerei, heute die älteste in Deutschland. Vom Seniorchef des Unternehmens, Hans-Friedrich Haage, begrüßt, erfuhren die Teilnehmer, dass die meisten Kakteen, abgesehen von den vegetativ vermehrten Blattkakteen, nicht eigentlich gezüchtet (gekreuzt), sondern über Samen natürlich erhalten werden. Entsprechend handelt es sich um vielgestaltige Populationen, die nach der neuesten Revision der IOS (Internationale Organisation für Sukkulentenforschung) nur noch (!) 98 Gattungen mit ca. 1500 Arten anstatt bisher 220 Gattungen mit insgesamt ca. 2500 Arten zugeordnet werden. Wie dem auch sei, zu sehen war bei dem Rundgang durch die teils sehr warmen (!) Gewächshäuser eine ungewöhnlich eindrucksvolle Vielfalt von diesen zumeist recht stacheligen Spezialisten. Dass in dem heute mehr als 150 Jahre alten Familienunternehmen eine einmalige Kompetenz in deren Behandlung und Kultur angehäuft wurde, bekundete Herr Haage mit seinen Antworten auf die vielen Fragen der Besucher eindrucksvoll. Aber die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens verlief während der fünf Generationen Haage keineswegs geradlinig, und es folgten dem ersten Kakteenboom der Biedemeierzeit mehrfach Rückschläge, ein vorletzter in der NS-Zeit (Kakteen wurden als „nicht-arisch“ angesehen). 1972 kam der Betrieb als „Brigade Kakteenzucht“ zum VEG Saatzucht Zierpflanzen Erfurt. Nach der Reprivatisierung 1990 ging es dann unter dem Namen Kakteen-Haage wieder aufwärts. Inzwischen konnte der Geschäftsbereich des Unternehmens dem Sohn Ulrich Haage nach Abschluss seines Marketing-Studiums übergeben werden, so dass sich der Vater heute wieder ausschließlich seiner großen Liebe, der Kakteenkultur widmen kann.

    Damit endete das offizielle Tagungsprogramm der AG. Eine kleinere Gruppe machte anschließend mit Dr. Reiser noch einen Besuch bei Frau Dipl.agr. Annegret Rose. Diese betreibt vor den Toren der Stadt seit 1993 als Neugründung aus dem VEG Saatzucht Zierpflanzen Erfurt auf 100 ha arrondierter Pachtfläche mit 7 Voll- und 13 Teilzeit-Mitarbeitern Samenvermehrungen von Sommerblumen, Stauden, Heil- und Gewürzpflanzen (rd. 250 Arten/Sorten) – ein bemerkenswert engagiertes Unternehmen, das kennen zu lernen zur historischen Abrundung der Tagung nicht hätte fehlen dürfen.

    (G. Röbbelen, Göttingen)

  • 11. Arbeitstagung bei der Fr. Strube Saatzucht Söllingen 24./25. Juni 2004 in der Westerburg und Schlanstedt

    – 67 Teilnehmer –

    Organisation:
    Dr. A. Meinel, Heimburg, u. Dr. H. Graf v.d. Schulenburg, Bad Salzuflen

    Die Anregung von Herrn Dr. Hermann Strube, für das diesjährige Treffen die Westerburg an der Straße der Romanik, bei Dedeleben nordwestl. Halberstadt, zu wählen, war ein „Goldtipp“ (Romanikpreis in Gold im April 2003 und Landestourismuspreis in Gold im Mai 2003). Seit 1999 im Privatbesitz der Familie Lerche und von dieser seit 2000 als Hotel genutzt (****, lerche@hotel-westerburg.de), gehört die Westerburg zu den ältesten und besterhaltenen deutschen Wasserschlössern mit bedeutenden romanischen Bauteilen, einer kastellartigen Wohnburg (um 1300) mit rundem Bergfried (um 1200), einer ovalen Vorburg als Wirtschaftshof in Fachwerkbau (um 1450), eingeschlossen von einem hohen Erdwall und doppeltem Wassergraben und zugänglich nur durch das spätgotische Vortorhaus auf dem Wall, das der (ehem.) Zugbrücke über den inneren Burggraben vorgelagert ist. Eine Führung durch die Gesamtanlage, den Fürstensaal mit beeindruckenden spätgotischen Balken, die barocke Schlosskapelle u.a. war allerdings den 28 „Begleitpersonen“ vorbehalten.

    Für die AG-Mitglieder begann das Tagungsprogramm um 13 Uhr mit der Internen Sitzung.

    Nach Begrüßung durch Dr. Meinel wurde die Tagesordnung genehmigt. Auf Grundlage der neuen Geschäftsordnung für die Arbeitsgemeinschaften der GPZ (vom Vorstand beschlossen am 5.1.2004) leitete Prof. Röbbelen die Wahl der AG-Leiter: Sein Vorschlag, die bisherigen Leiter, Dr. A. Meinel und Dr. H. Graf von der Schulenburg, wiederzuwählen, wurde von den Anwesenden einstimmig durch Akklamation bestätigt und ihre Wahl von den beiden Gewählten angenommen.

    Über das „Biographische Lexikon zur Geschichte der Pflanzenzüchtung“ und den Stand der Erarbeitung der 3. Folge-Ausgabe berichtete Prof. Röbbelen. Es liegen dafür inzwischen rd. 200 Artikel m.o.w. druckfertig vor. Das allen Teilnehmern zugesandte „Namens-verzeichnis“ der noch nicht in den Folgen 1 und 2 behandelten Personen lässt erkennen, dass es möglich sein sollte, die überwiegende Anzahl der zurzeit erreichbaren Daten mit einer abschließenden Anstrengung zu heben. Deshalb wurde beschlossen, die 3. Folge im laufenden Jahre fertig zu stellen und rechtzeitig vor Weihnachten herauszubringen. Sie soll enthalten: (1) die noch fehlenden Biographien aller Personen, die im deutschen Sprachraum Pflanzenzüchtung als Wissenschaftler, praktische Züchter oder in fachnahen Bereichen betrieben und im Jahre 2004 das 65. Lebensjahr erreicht oder ihre diesbezügliche berufliche Tätigkeit abgeschlossen haben. Noch ausstehende Unterlagen sollen dem Herausgeber, Prof. Röbbelen, vor dem 15. September 2004 zugesandt werden;

    (2) eine vollständiges Namensverzeichnis einschließlich derjenigen, für die keine detailliertere Informationen zur Erstellung einer Kurzbiographie, aber doch Daten zu Lebensjahren und -orten sowie Zuchtobjekten verfügbar sind;

    (3) Korrekturen und Ergänzungen zu Inhalten der 1. und 2. Folge.

    Auch zu (2) und (3) werden alle AG-Mitglieder vor dem 15.9. um Ergänzungen gebeten!

    Abschließend zu diesem TOP wird festgestellt, dass ein „Briefkasten“ im GPZ-Sekretariat eingerichtet werden sollte, in dem alle zukünftig anfallenden personenbezogenen Daten über Pflanzenzüchter (z.B. Ehrungen, Nachrufe u.ä.) gesammelt werden sollen, um sie zu gegebener Zeit als Unterlagen für eine 4. Folge oder Neuauflage zur Verfügung zu haben.

    Den Vorschlag für die Erarbeitung einer Monographie mit dem Titel „Pflanzenzüchtung in Deutschland – 100 Jahre GFP e.V. (1908-2008)“ erläutert Prof. Röbbelen. Diese Jubiläumsausgabe soll insbesondere die Wissenschafts- und Wirtschaftsgeschichte der Pflanzenzüchtung behandeln. Eine erste Themengliederung liegt diesem Protokoll bei. Das Gelingen des Vorhabens hängt wesentlich davon ab, ob eine hinreichende Anzahl von bereitwilligen und zureichend kompetenten Autoren für die einzelnen Kapitel gefunden werden kann. Darüber soll in den nächsten Monaten ein Gespräch zwischen den Koordinatoren der 5 skizzierten Kapitel entscheiden, in dem auch über mögliche Referenten zu den (über 20) Einzelthemen zu beraten sein wird. Anregungen zum Inhalt und für Autoren sind jederzeit willkommen!

    In Fortsetzung des Programms fuhren die Teilnehmer mit den eigenen PKWs in das 6 km entfernte Dorf Hessen, wo Herr A. Bartsch: Die Lustgärten des Johann Royer (1574-1655) vorstellte. Vor dem Vergessen bewahrt wurde diese manieristische Gartenanlage von europäischem Niveau durch ihre Aufnahme in das große Topographiewerk des Matthäus Merian (1654) und vor allem durch die von Royer in hohem Alter selbst gefertigte, umfangreiche Niederschrift „Beschreibung des ganzen Fürstl. Braunschw. gartens zu Hessem, mit seinen Künstlichen Abteihlungen, Qvartieren, gehegken, gebeuden, Lauber Hütten, WaßerKunsten, Prunnen und ausgehawenen Bildern, auch Ordentliche Specifikation aller derer Simplicium und Gewechse…, darinnen mit groser Lust und Verwunderung gezeuget worden, …“, erstmals erschienen 1648 in Halberstadt. In natura ist die Anlage neben den Ruinen des Fürstlichen Schlosses in Hessen heute nur noch in ihren Umrissen in der Gestalt einer rechteckigen Wiese erkennbar. Ausgangspunkt war die Wahl Hessens als Witwensitz durch Herzog Julius von Braunschweig (1568-1589), dessen Gattin sich hier bereits in vielfältiger Weise der Gartenkunst widmete. Aber erst ihre Schwiegertochter Elisabeth, eine Prinzessin aus königlich-dänischem Hause, verfolgte gemeinsam mit ihrem Gemahl Herzog Heinrich Julius (1589-1613) den Plan, aus den vorhandenen Anlagen einen wesentlich prächtigeren, eindrucksvolleren Lustgarten entstehen zu lassen. Dafür konnte sie, durch Vermittlung des Erzbischofs von Köln, den damals schon wohl bekannten Gartenmeister Johann Royer aus „Welsch Brabant“ gewinnen und 1607 nach Hessen holen. Unterstützt von zwei Gesellen und von der Herzogin direkt gefördert, insbesondere nachdem sie 1613 als Witwe in Hessen persönlich Wohnung genommen hatte, schuf Royer innerhalb von 15 Jahren eine erstrangige Gartenanlage mit 9 Quartieren in jeweils individuell konzipierter geometrischer Gestaltung (z.B. als Wappen-Quartier, als Rauten-, Stern-, Brunnen-, Trommel- oder Päonien-Quartier etc.), die ihresgleichen in Europa vor allem wohl deshalb kaum hatte, weil Royer hier eine so große Fülle von an die 1900 Pflanzenarten zusammenbrachte, dass der Bestand fast alle damals in Deutschland vorhandenen kultivierten und wilden Zierpflanzensippen und zahllose weitere aus der ganzen Welt umfaßte. Wie sein „Catalogus Derer Gewächse, so hieselbst zu Hessen, Bey Zeiten der Durchleuchtigen, Hochgebornen Fürstin und Frawen, Frawen Anna Sophia (die Schwiegertochter von Elisabeth), … von Anno 1630. an biß in das 1651. Jahr gezeuget worden“ ausweist, entsprach der Hessener Garten weniger einem landesüblichen Lustgarten als vielmehr einem Botanischen Garten, dessen Artenreichtum sich mit den Beständen der berühmtesten in Kopenhagen, Leiden, Paris, Altdorf der Padua messen konnte. Die zwei mit diesem Catalog überlieferten Pflanzenlisten (die erste alle Arten bis 1630 enthaltend) zweifelsfrei zu entschlüsseln, stößt allerdings auf erhebliche Schwierigkeiten; denn die erst von Linné eingeführte binäre Nomenklatur existierte damals noch nicht, und Royer verwendete die Bezeichnungen verschiedener Autoren oft ohne genauere Konnotation. Im anschließenden Küchengarten standen in Hessen nach dem Pflanzenkatalog Royers mehr als 270 gärtnerische Nutzpflanzen, für die er in seiner Schrift nicht nur bemerkenswert präzise Kulturanleitungen, sondern auch Rezepte zur ihrer Verwendung beifügt, wie er den etwa 100 hier kultivierten Obstgehölzen ebenso Anweisungen zur Technik erfolgreichen Pfropfens, die besondere Eignung einzelner Sorten als Reis oder Unterlage und vieles mehr anfügt. Sein Epitaph in der Kirche zu Hessen, das für ihn bereits 1638 sehr kunstvoll gefertigt wurde und ihn als wohlhabenden Mann im Kreise seiner Familie darstellt, lässt jedoch auch ein von schweren Schicksalsschlägen geprägtes Leben erkennen: Er verlor 3 von 4 Ehefrauen und 8 von 9 Kindern dieser Ehen. Der einzige verbliebene Sohn Maximilian erlernte das väterliche Metier und wurde später sein Nachfolger. Doch nach ihm verfiel der Garten in Hessen in wenigen Jahren. Eine Posterausstellung in einem verbliebenen Flügel des Fürstl. Schlosses, erarbeitet für ein wiss. Symposium 1998 anlässlich des 350. Jahres nach dem Erscheinen von Royers Schrift anhand von Modellen, vermittelte eine Ahnung von der damaligen Pracht dieses Fürstlichen Lustgartens aus der Zeit zwischen Renaissance und Barock.

    Weiter gings wieder an der Westerburg vorbei zum 20 km entfernten Schlanstedt, woselbst auf der Burg (der ehem. preußischen Domäne, von 1836-1945 ununterbrochen bewirtschaftet durch die Familie Rimpau) der heutige Burgherr Brümmer mit kunstvoll von seinen Kindern gefertigten Tischkarten und selbst gebackenem Kuchen die Gäste zum Kaffeetrinken erwartete. Mit informativen Angaben über die Geschichte von Schlanstedt wurden sie vom ehem. Ortsbürgermeister Dr. G.-E. Schuster willkommen geheißen, gefolgt von Herrn Henry Dannenberg, der über die Anfänge der Pflanzenzüchtung in Schlanstedt durch Rimpau, Strube und Behrens berichtete. In zwei Gruppen, geführt vom Burgherrn und seiner 15-jähr. Tochter, folgte ein Gang durch die geschichtsträchtigen Räume der Burg, anschließend die Besichtigung der von Frau O. Braune gestalteten Heimatstube im Dorf mit einer Sammlung ländlichen Materials und Mobiliars sowie Dokumenten zur Saatzuchtgeschichte, die vor wenigen Jahren noch ihren Platz in der Burg hatten, und zuletzt eine Fahrt mit der Feldbahn, die die Fa. Fr. Strube zum Gütertransport von ihren 1915 entstandenen Speichern zum 3 km entfernten Landesbahnhof in Eilenstedt zunächst Pferde-bespannt, danach mit Dieselloks noch bis in die 50er Jahre betrieb und die zurzeit im Rahmen eines agrartechnischen Museums ausgebaut wird.

    Zurück in der Westerburg erwartete der Gastgeber, die Fa. Strube, die Teilnehmer zum abendlichen Diner im festlichen Rittersaal der Burg – Gelegenheit nicht nur zu gepflegtem Speisen wie vor Hunderten von Jahren, sondern auch zu jedwedem Gespräch, persönliche, fachliche, kulturelle oder politische Dinge betreffend. Aber auch dabei blieben die Teilnehmer vom Nüsseknacken nicht verschont. Dr. Meinel und seine Frau präsentierten eine Auswahl aus 51 landwirtschaftlichen Rätseln, die der Landwirt und Züchter Wilhelm Rimpau (1842-1903) für seine Kinder und Enkel gereimt und aufgeschrieben hatte, um ihr Interesse an Natur und Landwirtschaft zu fördern („Großvaters landwirtschaftliche Rätsel“). Mit gleicher Absicht verfasste und illustrierte Rimpau 1885 ein „Lehrreiches „Bilderbuch für intensive Landwirtskinder“ (beides: Archiv der Familie Rimpau) in anmutigen Reimen, dessen Titelblatt ihn selbst und seinen 4-jährigen Sohn Wilhelm mit Botanisiertrommel zeigt, beide auf ein pflügendes Ochsengespann zugehend. Darunter schrieb er: „A bove majori discit arare minor“ (Vom großen Ochsen lernt das Pflügen der kleine).

    Das Programm des nächsten Morgens begann im großzügig renovierten Laborgebäude in Schlanstedt, das die Fa. Fr. Strube aus ihrem ehem. Eigentum 1992 zurückkaufte, um hier ihr Rübenqualitätslabor und ein modernes In-vitro-Kulturlabor für die Herstellung von DH-Zuckerrüben zu installieren. Mit einem kurzen historischen Abriß zur Fr. Strube Saatzucht eröffnete Dr. Hermann Strube, der alleinige Geschäftsführer des Familienunternehmens, das Vortragsprogramm, welches in der Einladung zu dieser Tagung mit „Anfang und Flucht, Neuanfang und Rückkehr“ überschrieben worden war. In Stichworten kennzeichnete er die Entwicklung wie folgt:

    1877: Der Landwirt Friedrich Strube beginnt in Schlanstedt mit der Auslesezüchtung von Zuckerrüben und Weizen.

    1897: Sein Sohn Hermann übernimmt den Saatzuchtbetrieb vom Vater und baut in den folgenden zwei Jahrzehnten mit unternehmerischem Weitblick alle wichtigen Saatzuchtgebäude in Schlanstedt mit einer vorbildlichen Einrichtung und in zukunftsweisender Dimension.

    1910: Strube beizt als erster Züchter das gesamte Weizensaatgut gegen Steinbrand.

    1919: Hermann Strubes Witwe Elisabeth übernimmt nach dem Tode ihres Mannes die Geschäftsführung.

    1925: Pachtung der Schlossdomäne Schöningen, Krs. Helmstedt.

    1938: Der Sohn Johann Friedrich Strube wird Mitgesellschafter.

    1945: Enteignung des Stammsitzes in Schlanstedt; Verlust nahezu des gesamten Zuchtmaterials. Flucht der Familie in die Westzone auf die Domäne Schöningen; dort Wiederaufnahme der Züchtungsarbeit.

    1964: Verlegung des Firmensitzes nach Söllingen in eine stillgelegte Zuckerfabrik.

    1965: Mitbegründung der Saaten-Union GmbH in Hannover.

    1966: Gründung der Zuckerrüben-Zuchtgemeinschaft Strube-Dieckmann und Ausbau der bestehenden Zusammenarbeit mit dem Züchter van der Have in Holland. Zulassung der ersten genetisch monogermen triploiden Hybrid-Zuckerrübensorte ‚Gemo’ in Deutschland für Strube-Dieckmann.

    1972: Dr. Hermann Strube übernimmt nach dem Tode des Vaters Johann-Friedrich Strube die alleinige Geschäftsführung.

    1982: Beitritt zur Hybridroggen-Zuchtgesellschaft ‚Hybro’ GmbH & Co. KG.

    1991: Vereinbarung über Sortenpoolung von Strube und Ackermann und Übernahme der Zweigniederlassung Irlbach in Bayern.

    1992: Rückkauf von Teilen des Stammsitzes in Schlanstedt.

    1999: Wechselweizen von Strube erhält Markenzeichen (WeW®)

    2000: Vorstellung des BlueMobil in Ingeleben.

    2001: Zulassung der in Deutschland ersten dreifach krankheitstoleranten Zuckerrübensorte ‚Premiere’.

    Diesem Strube-Portrait schloss sich der Vortrag von Herrn Ulrich Dieckmann an über die Fa. A. Dieckmann, ehem. Heimburg, dessen Sohn heute gleichfalls in der 4. Generation die Verantwortung für das Familienunternehmen jetzt in Sülbeck b. Stadthagen trägt. Auch in dieser Familie riß der Krieg tiefste Wunden: Adolf Dieckmann, der Sohn des ersten Zuckerrübenzüchters und Firmengründers als Domänenpächter in Heimburg, wurde 1945 von den russischen Besatzungstruppen verschleppt und kehrte erst nach über 10 Jahren heim, um ein Jahr später an den Folgen dieser Gefangenschaft zu sterben. Seine Frau Anna Marie nahm nach der Flucht aus der sowjetisch besetzten Zone die Züchtung im Krs. Goslar unter primitivsten Verhältnissen wieder auf. 1947 konnten erstmals wieder Samen der bekannten Sorten ‚Dieckmanns E