Bericht der 17. AG-Tagung in Verbindung mit dem Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt: Abteilung Magdeburg, Standort Wernigerode in 38855 Wernigerode, Lindenallee 21 am 06./07. Mai 2010 in Kloster Drübeck und Wernigerode

– 43 Teilnehmer –

Organisation und Leitung:
Dr. Albrecht Meinel, Heimburg

Im Verlauf von Recherchen zur Geschichte der Pflanzenzüchtung in Deutschland festigte sich bei den Mitgliedern der AG9 die Überzeugung, dass die Erschließung von Möglichkeiten für die sichere Bewahrung von Archivmaterialien aus den Züchterhäusern eine sehr dringliche Aufgabe darstellt. Auf früheren Tagungen wurde bereits mehrfach vorgeschlagen, über die „Archivierung in der Pflanzenzüchtung“ zu beraten.  Die 17.Tagung widmete sich daher speziell diesem Thema und fand am 1.Tag im „Evangelischen Zentrum Kloster Drübeck“ bei Wernigerode statt. Am 2.Tag besichtigten die Teilnehmer das Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt (LHSA) im Gebäude der „Orangerie“ in Wernigerode, das Archivgut aus 10 Jahrhunderten, u.a. auch Guts- und Familienarchive einiger Saatzuchtgüter, beherbergt.

Nach Begrüßung der Teilnehmer und Gäste durch den Unterzeichnenden ergriff Prof. Röbbelen das Wort und verlas ein Glückwunschschreiben für Dr. Meinel aus Anlass seines 75.Geburtstages, in dem ihm die Mitglieder der AG für sein Wirken bei der Organisation und inhaltlichen Gestaltung der Arbeit zur „Geschichte der Pflanzenzüchtung“ danken und weiter zu lesen ist: „ … Sie haben als erfolgreicher Züchter selbst ein Stück Geschichte der Pflanzenzüchtung gestaltet und mit Ihren Bemühungen um das Bewahren des Gedenkens an Wilhelm Rimpau und seines züchterischen Vermächtnisses einen bedeutenden Beitrag zur Geschichte der Pflanzenzüchtung in Deutschland geleistet.“

Anschließend sprach Dr. J. Brückner, Leiter des Standortes Wernigerode des LHSA, zu dem Thema „Das Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt und seine Bestände speziell zur Saat- und Pflanzenzucht sowie die Möglichkeiten zur Deponierung von Nachlässen.“ In dem Dienstgebäude des LHSA „Tessenowhalle“ in Magdeburg befinden sich Archivalien folgender Pflanzenzuchtbetriebe:  Gustav Jaensch, Aschersleben aus den Jahren 1886-1945; Rabbethge & Giesecke, Kleinwanzleben ab 1823; Gebrüder Dippe, Quedlinburg 1871–1945 sowie persönliche Nachlässe von Carl Esche und Heinrich Mette, Quedlinburg. Weiterhin: Archivalien aus dem „Institut für Genetik und Kulturpflanzenforschung“ Gatersleben (1945-1991), aus dem „Institut für Züchtungsforschung“ Quedlinburg (1952-1990) und aus dem „Institut für Rübenforschung“ Kleinwanzleben (1956–1991). Das LHSA Standort Merseburg beherbergt Archivunterlagen aus der „VVB Saat- und Pflanzgut“ Quedlinburg (1950–1986), der Nachfolgeeinrichtung „VE Kombinat für Pflanzenzüchtung und Saatgutwirtschaft“ (1988-1990) sowie aus dem Gut Boltze & Wentzel in Teutschenthal (1800-1945). Im LHSA Standort Wernigerode befinden sich Archivalien aus den Gütern der Familien von Zimmermann (Benkendorf), von Veltheim (Harbke), von Nathusius (Meyendorf und Hundisburg), Wentzel (Teutschenthal) und Rimpau (Langenstein).  –  Die Übernahme von Archivalien durch das LHSA kann auf der Grundlage kostenfreier Depositalverträge (bei individueller Ausgestaltung ) oder auch als Schenkung  (gegen Spendenquittung) erfolgen. Die Bearbeitung übernommener Archivalien geschieht dann zunächst durch deren Bewertung (unter Einbeziehung von Fachleuten), gefolgt von der Einrichtung einer Ordnung sowie Vergabe von Bezeichnungen und Signaturen. Es folgt die Erarbeitung von Findbüchern, wobei deren zunehmende Vernetzung zwischen verschiedenen Archiven zu virtuellen Findbüchern in Zukunft für Nutzer außerordentlich hilfreich sein wird.

Im zweiten Vortrag befasste sich Dr. A. Börner (IPK Gatersleben) mit der Frage: „60 Jahre Evaluierung von Genbankmaterial – unübersehbares Datenmeer oder nutzbare Ressource?“  Als Bundeszentrale für die ex situ–Erhaltung von Kulturpflanzen verfügt die Genbank des IPK Gatersleben gegenwärtig über 148.000 Akzessionen von über 2.400 kultivierten Arten mit der Zielstellung, diese Kollektionen weiter zu ergänzen, zu erhalten und genetisch zu analysieren sowie über Referenzsortimente verschiedener Arten.  Bei der Erhaltung und Bearbeitung der Kulturpflanzensortimente fallen zu ihrer Charakterisierung sowie bei primärer und sekundärer Evaluierung umfangreiche Mengen von Passport- und Evaluierungsdaten an. Die früher übliche Methode der handschriftlichen Datenerfassung in Tabellen wurde durchgängig computerisiert, so dass heute für jede Akzession Passport- und Evaluierungsdaten sowie zusätzliche Informationen abrufbar sind. – Für die Entschlüsselung und züchterische Nutzung der genetischen Variabilität von vorhandenen Samenmustern stellen die dokumentierten Evaluierungsdaten aus verschiedenen Screenings, die z. T. in Zusammenarbeit mit weiteren Instituten erhoben wurden, die Grundlage für eine Auswahl dar. Auf Grund dieser Daten können „core collections“ für Analysen züchterisch relevanter Merkmale gebildet werden, für deren genetische Analyse im IPK u.a. die assoziationsbasierte Kartierung angewendet wird. – Seit 1953 erfolgte die Bereitstellung von über 770.000 Mustern für verschiedene Nutzer, davon im Jahr 2009 insgesamt 22.799 Muster (für Züchter 3.637).

In der Arbeitssitzung wurde zunächst das weitere Vorgehen in Zusammenhang mit dem „Biographischen Lexikon zur Geschichte der Pflanzenzüchtung“ erörtert. Dr. Meinel dankte Prof. Röbbelen für die abschließende Bearbeitung der 4. Folge sowie der Fertigstellung und Auslieferung der digitalisierten Fassung als 2. Auflage.  Der Konzeption dieses Lexikons entsprechend stellt die Weiterführung durch Einbeziehung von Biographien „nachrückender“ Züchter und Forscher eine ständige Aufgabe der GPZ dar, für welche die Herausgeberschaft durch den Vorstand zu klären ist. Bis das geschehen ist wird vorgeschlagen, anfallende neue biographische Daten und Ergänzungen zunächst in einem Briefkasten im Sekretariat der GPZ im JKI Quedlinburg zu sammeln. Prof.  Röbbelen schlug vor, diesen Briefkasten später in der BDP-Zentrale in Bonn einzurichten. – Anschließend informierte der Unterzeichnende über die von einer Arbeitsgruppe (Vorsitz: Dr. E. Brecht, Bürgermeister) begonnene Erarbeitung eines Memorandums zur Errichtung eines „Science Center Pflanze“ in der Welt-Kulturerbe-Stadt Quedlinburg. Neben Vertretern der BTU Cottbus (Architektur), des IBA-Büros Dessau und der Stadt Quedlinburg gehören dieser AG aus Fachkreisen an: Prof. Wobus (IPK Gatersleben), Prof. Ordon, Prof. Schiemann, Dr. Schumann (JKI Quedlinburg), Dr. Katzek (BIO Mitteldeutschland), Prof. J. Rimpau (Rat f. nachhaltige Entwicklung Berlin), W. von Rhade (NORDSAAT Böhnshausen),  Dr. Meinel (Heimburg) und Prof. W. Rimpau (Berlin). Mit Bezug auf die Thematik unserer 17. AG9-Tagung heißt es in einem Beratungspapier: „Es könnte ein Ort der Geschichte der wissenschaftlichen Archive und historischen Objekte, der Kommunikation über Ernährung und der Produktion von Nahrungsmitteln … sein.“ Für die zu erwartenden baulichen Veränderungen auf dem ehem. Dippe-Gelände in Quedlinburg wies Dr. Stein darauf hin, dass die dortige Dippe-Büste von der GPZ gestiftet wurde und das JKI deren Bewahrung sichern sollte. – Als Tagungsort für die 18. Tagung der AG Geschichte 2011 schlug Prof. Röbbelen das Zuckerdorf Kleinwanzleben vor, in dem kürzlich ein Zuckermuseum eröffnet wurde. Dr. Junghans erklärte die Bereitschaft zur organisatorischen Vorbereitung in Zusammenarbeit mit der KWS. Für die Moderation der Tagung wurde Prof. W.E. Weber (Halle) vorgeschlagen. Dr. Meinel bat anschließend um Vorschläge und auch Unterstützung des GPZ-Vorstandes für die anstehende Neuwahl des AG–Vorsitzenden und erklärte: „Seit 1998 habe ich mich mit Interesse und Freude an der Gestaltung der jährlich folgenden Veranstaltungen beteiligt und bitte nach dieser 17. Tagung um Entlastung von der Funktion des AG-Vorsitzenden.“ – Den Hauptgegenstand der Diskussionen in der Arbeitssitzung bildeten Detailfragen zur Archivierung züchterischer Nachlässe: Als „archivierungswürdig“ wurden zunächst Urkunden, Nachweise von Rechtsvorgängen, Fotos, Karten, Pläne, Jahresbilanzen (beispielhaft) genannt (Brückner, Senff). Wichtig sind besonders auch komplette Dokumentationen von Zuchtprogrammen aus verschiedenen Zeitepochen (Schachschneider, Röbbelen). Für bekannte Züchterpersönlichkeiten sollten die noch vorhandenen Gesamtnachlässe (auch Briefwechsel, weitere Archivalien zum persönlichen Wirken über die Pflanzenzüchtung hinaus u.a.) in Archive zur kompetenten Bewahrung gegeben werden (W. Rimpau, Berlin). – Für die Übergabe von privaten Archiven bestehen verschiedene rechtlich geregelte Möglichkeiten, z.B. individuell gestaltete Depositalverträge, Stiftungen u.a. (Brückner). – Im Verlauf der zurückliegenden Recherchen zur Geschichte der Pflanzenzüchter durch die AG9 wurde die Dringlichkeit besonders deutlich, züchterisches Archivmaterial zu sichern, wofür die Mitglieder der AG9 und weitere  Zeitzeugen besondere Verantwortung tragen. Sie werden sich, soweit das möglich ist, an der Sichtung und Beurteilung der vorhandenen und für die Archivierung vorgesehenen Unterlagen beteiligen. Weiterhin wurde vorgeschlagen, ein Schreiben der AG9 an den BDP-Vorstand zu richten (evtl. unter Beifügung des Musters eines Depositalvertrages), um die Möglichkeiten für die Bewahrung von züchterischen Archivalien aus Züchterkreisen in Archiven zu kommunizieren (Kley, Bulich). – Diesem Vorschlag folgend wird der Unterzeichnende – nach Abstimmung mit Dr. Brückner (LHSA), Prof. Röbbelen, Dr. Kley und Dr. Bulich – ein Schreiben  dem BDP–Vorstand  für die Tagung im August übergeben.  – Die Arbeitssitzung wurde  gegen 17.30 Uhr geschlossen.

Danach erlebten die Tagungsteilnehmer eine Führung durch die Klosteranlage und die romanische Klosterkirche St. Vitus als Kern des ehemaligen Benediktinerinnenklosters, das erstmalig im Jahre 960 urkundlich erwähnt wurde. Das „Evangelische Zentrum Kloster Drübeck” verfügt heute nach umfangreichen Rekonstruktions- und Modernisierungsmaßnahmen über moderne Tagungsräume für unterschiedlich große Gruppen sowie Übernachtungsmöglichkeiten für 100 Gäste.

Am Morgen des 07.Mai besichtigten die Teilnehmer das Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt (Standort Wernigerode) in dem ehemaligen Gebäude der Orangerie der barocken Gartenanlage der Grafen zu Stolberg-Wernigerode, das in den Jahren 1964 – 1967 im Auftrag der Staatlichen Archivverwaltung der DDR zu einem Archivzweckbau umgestaltet worden war. Nach Darstellung der Geschichte des Archivstandortes Wernigerode (Dr. Brückner), der bedeutungsvollsten Bestände (aus der preußischen Provinz Sachsen und deren territorialen Vorgängern; Herrschafts- und Gutsarchive, Leichenpredigten-Sammlungen) sowie zu praktischen Fragen des Archivwesens (Nutzung, Archivberatungsstelle, Archiv-Netzwerke für Findbücher, Archivpflege u.a.) durch Dr. Vollmer wurden Archivräume (u.a. mit Separationskarten aus der Provinz Sachsen und weiteren preußischen Gebieten in originalen Holzkisten) besichtigt. Mitglieder der AG äußerten nach der Besichtigung ihre uneingeschränkte Zustimmung, den an der Archivierung ihrer Bestände interessierten Züchterhäusern zu empfehlen, mit dem Wernigeröder Archiv in Verbindung zu treten.

Den Abschluss der Tagung bildete eine interessante Führung (Herr W. Kropf) durch die Innenstadt von Wernigerode, der „Bunten Stadt am Harz“, die durch ihre Lage, ihre kulturelle Ausstrahlung (Internationale Chor- und Klavierwettbewerbe, Schloss-Festspiele) und touristischen Angebote zunehmendes Interesse ihrer zahlreichen Besucher erfährt.

(A. Meinel, Heimburg)