– 205 Teilnehmer –
Organisation:
PD Dr. T. Miedaner, Hohenheim [gemeinsam mit Prof. G. Bartels (BBA) und Prof. V. Zinkernagel (DPG)]
Als Vorsitzender der AG Krankheitsbekämpfung und Resistenzzüchtung in Getreide, Hülsenfrüchten und Raps begrüßte Prof. F. Klingauf, BBA Braunschweig, die Teilnehmer, die sich in großer Zahl wie seit Jahrzehnten im Saal des Kolpinghauses in Fulda versammelt hatten. Er eröffnete die Tagung mit einem herzlichen Dank an die Organisatoren und gab seiner Freude Ausdruck, dass sich die drei auf diesem Gebiet in Deutschland tätigen Vereinigungen hier nun zum dritten Male zur gemeinsamen Diskussion aktueller Fragen des Krankheitsaufkommens und Pflanzenschutzes sowie der Resistenzforschung und Resistenzzüchtung zusammengefunden haben.
Den Einstieg in den ersten Themenbereich der samenbürtigen Krankheiten gab Dr. T. Puhl, Bayer CropScience, mit einem kurzen Überblick über die Entwicklung der Samenbeizung, die um 1920 mit Quecksilber-haltigen Beizen begann (1982 verboten) und sich schrittweise mit neuen Mitteln zu einer der wirksamsten und zugleich ökologisch schonendsten Pflanzenschutzmaßnahmen entwickelte. Vormals gewichtige Krankheiten, wie Schneeschimmel oder Brandkrankheiten, spielen heute auch bei engen Fruchtfolgen, pflugloser Bodenbearbeitung oder geringen Aussaatmengen (z.B. bei Hybridsorten) dank der üblichen Saatgutbeizung in der konventionellen Landwirtschaft praktisch keine Rolle mehr. Im ökologischen Getreidebau und der ökologischen Saatgutvermehrung sind allerdings Brand-Ährenkrankheiten zunehmend ein Problem. Jedoch fanden sich in Untersuchungen von Frau Dr. R. Wächter, BBA Darmstadt, bei 30 geprüften Winterweizensorten deutliche Unterschiede in der Steinbrand-Anfälligkeit. Die teilweise zu beobachtenden Frühsymptome an jungen Blättern korrelierten jedoch mit dem im ELISA gemessenen Pilzbefall kaum. Aus weiteren einschlägigen Erfahrungen im Weizen-‘Ökoanbau’ berichtete Dr. H. Spieß, IBDF Dottenfelderhof, über Vorteile späterer Saat (die Pflanze wächst an wärmeren Tagen dem Pilz davon) und Unterschiede der Sortenresistenz (besonders günstig schnitten ‘Stava’ und andere Svalöf-Weibull-Sorten ab). Ähnliche Sortenunterschiede stellte Dr. K.J. Müller, Darchau, unter natürlicher und künstlicher Infektion auch bei Sommer- und Wintergerste für Flugbrand (‘Steffi’ u.a.), Hartbrand sowie die Streifenkrankheit (Resistenzdonoren: ‘Vada’, ‘Betzes’ u.a.) fest.
Die 7 folgenden Vorträge befassten sich mit den Blattflecken im Getreide, die in den letzten Jahren viel von sich reden machten, zumal parasitäre und nicht-parasitäre Ursachen im konkreten Fall nicht immer einfach zu unterscheiden sind. In einer überzeugenden Präsentation trug Prof. A. von Tiedemann, Göttingen, eine ganze Reihe von Kennzeichen vor, an denen die derzeit zunehmend epidemische Blatt-‘Sprenkelkrankheit’ infolge Befall mit Ramularia collo-cygni äußerlich, histologisch und epidemiologisch von der nicht-parasitären Blattverbräunung zu unterscheiden ist. Als Auslöser für die letztere kommen nach bisherigen experimentellen Befunden im Göttinger Institut Sauerstoff-Radikale infrage, die in bestimmten Entwicklungsphasen unter Starklichtbedingungen (vor allem in photosynthetisch besonders aktiven Genotypen?) entstehen und ausgewachsene Blätter im Verlauf einer einzigen Woche völlig nekrotisieren können. In der Diskussion wurde erneut (ohne sichere Antwort) auf die bei mlo-Resistenz der Gerste typischen Nekroseflecken hingewiesen. In vier weiteren Beiträgen wurden vorliegende Erfahrungen und Versuchsergebnisse mit Getreideblattflecken und den Möglichkeiten ihrer Bekämpfung zusammengetragen. Frau C. Linde, Zürich, machte an den Ergebnissen einer populationsgenetischen Analyse am Pilz Rhynchosporium secalis wahrscheinlich, dass sich dieses Pathogen nicht im Ursprungsgebiet des Wirtes (Gerste), dem „fruchtbaren Halbmond“, sondern in Skandinavien entwickelte und demzufolge Resistenzgene eher in der dortigen Gerste zu finden sein dürften.
Den dritten Themenbereich Resistenzprüfungen eröffnete Prof. K.H. Kogel, Gießen, mit einem grundlegenden Beitrag über den programmierten Zelltod, die Apoptose (PCD), als Schlüsselelement zur Erzeugung krankheitsresistenter Kulturpflanzen. Gegenüber der Hypersensitivität (HR), die bisher im Mittelpunkt der Ursachenforschung hochgradiger Resistenzerscheinungen stand, ist die PCD-Reaktion (als Überexpression eines dominanten Eingangsgens der Zelltod-Kaskade) in Bezug auf das Pathogen unspezifisch, also breit und dauerhaft wirksam, und bedingt gegen (nekrotrophe) Wurzelpathogene Resistenz, jedoch gegen (biotrophe) Blattpathogene erhöhte Anfälligkeit! Abschließend für den ersten Halbtag wurden praxisnahe Versuchsergebnisse zur Resistenzprüfung von Rhizoctonia solani an Mais und Zuckerrüben zur Diskussion gestellt.
Am Dienstag früh eröffnete Dr. J. Steinberger, Hannover, mit Ausführungen zu den Resistenzprüfungen des Bundessortenamtes im Rahmen der Sortenzulassung. In Zuckerrüben gibt es nach Dr. J. Hallmann, Münster, bei der im Wesentlichen aus Beta procumbens eingebrachten Nematodenresistenz Stabilitätsprobleme durch Selektion virulenter Pathotypen oder durch Fremdbestäubung. Neuere Ergebnisse der Resistenzentwicklung gegen den Falschen Mehltau des Salats durch Bremia lactucae, einem klassischen Fall von Gen-für-Gen-Beziehung, bei dem für das Pathogen inzwischen 38 Virulenzen beschrieben sind, berichtete Prof. V. Zinkernagel, Freising.
Die folgenden Ausführungen zur Resistenzzüchtung konzentrierten sich zunächst auf die Rostkrankheiten des Getreides. Dr. V. Lind, Aschersleben, zeigte die aktuelle Situation für Braunrostresistenz im deutschen Winterweizensortiment (10% der Sorten sind vollständig, 16% altersresistent) sowie neuere Virulenzverschiebungen im Spektrum der Erregerrassen. Entsprechendes für den Gelbrost in Weizen und Triticale trug Frau Dr. K. Flath, Kleinmachnow, vor, wobei sie belegen konnte, dass bei Pyramidisierung auch weniger wirksame Allele in einer Sorte noch deutlich zur Resistenzsteigerung beitragen können, solange die entsprechenden Mehrfachvirulenzen nicht in größeren Häufigkeiten in der Pathogenpopulation vorkommen. Im Roggen ist aufgrund der gefundenen hohen Virulenzdiversität in den Rostpopulationen die züchterische Nutzung qualitativer Braunrost-Resistenzgene deutlich risikoreicher (Frau K. Wilde, Hohenheim), wenngleich Dr. St. Roux, Groß Lüsewitz, in >700 Genbank-Herkünften 23 resistente Akzessionen mit einem differentiellen Reaktionsmuster beschreiben und mit molekularen Markern bereits lokalisieren konnte. Bei Prof. B. Keller in Zürich laufen Untersuchungen zur QTL-Kartierung von Resistenzloci gegen Braunrost und Spelzenbräune in Schweizer Winterweizen, wie T. Schnurbusch berichtete. Zuletzt beleuchtete Frau Dr. E. Seigner, Wolnzach (LfL Bayern), als ein beachtenswertes Beispiel die erfolgreiche Mehltauresistenzzüchtung beim Hopfen.
Ährenfusariosen und Mykotoxine sind zur Zeit im Bereich der Weizenkrankheiten ein Dauerthema. Eine Lösung des Problems kann nur durch die Vernetzung von optimalen Anbaumaßnahmen und der Verwendung resistenter Sorten erfolgen. Dies muss bereits auf dem Feld zu einer Verminderung der Deoxynivalenol (DON)belastung führen. Der Vortrag von Frau Dr. C. von Kröcher, PSA Hannover, zeigte beispielhaft die Probleme auf, wenn die diskutierten niedrigen Grenzwerte überschritten werden. Angeheizt wurde die Diskussion bekanntlich durch Änderungen im Anbausystem: getreidereiche Fruchtfolgen, ein zu hoher Maisanteil und minimale Bodenbearbeitung, wozu Prof. N. Lütke-Entrup, Soest, das Bekannte zusammengetragen hatte. Vorträge über züchtungsrelevante Ergebnisse hielten C.J. Cumagun, Hohenheim, zur Vererbung der Aggressivität und Deoxynivalenol(DON)-Produktion von Gibberella zeae (Fusarium graminearum); M. Schmolke, Freising, zum Nachweis von Resistenz-QTLs gegen Ährenfusariosen in Winterweizen; Prof. H. Bürstmayr, Tulln/Österr., zur Resistenzgenetik und Frau F. Wilde, Hohenheim, zur Selektion bei Ährenfusariosen in Sommerweizen; und zuletzt Dr. B. Rodemann, BBA Braunschweig, über Befallsverlauf, Resistenztypen und Sortenverhalten bei Fusariosen.
Viruskrankheiten des Getreides beunruhigen die Praxis gleichfalls zunehmend. Zur Erfassung bodenbürtiger (durch den Bodenpilz Polymyxa übertragener) Viren beschrieb Frau Dr. U. Sperling, Magdeburg, einen einfachen Tüpfeltest (‘tissue print immuno assay’) mit aus Pflanzengewebe ausgedrücktem Pflanzensaft, der besser als die in der Regel unsicheren Virussymptome Befallsstandorte zu erfassen erlaubt. Dr. E. Schliephake, Aschersleben, stellte dem die Epidemiologie und genetische Diversität des Gelbverzwergungvirus der Gerste als eines insekten-übertragenen Virus gegenüber. Abschließend demonstrierte Dr. W. Huth, Braunschweig, als Virologe den Begriffswirrwarr, der bei der Erörterung von Viruskrankheiten der Kulturpflanzen ein gegenseitiges Verständnis nicht selten erheblich erschwert.
(Thomas Miedaner, Stuttgart-Hohenheim)