Bericht der GPZ-AG Genomanalyse (4) “Plant Breeding: from high throughput genotyping to whole genome selection” am 10. und 11. November 2008 in Göttingen und Einbeck

– ca. 175 Teilnehmer –

Organisation:
Heiko Becker, Sabine von Witzke-Ehbrecht, Milena Ouzunova, Britta Schulz, Carsten Knaak, Viktor Korzun, Wolfgang Michalek, Andreas Graner (AG Leiter)

Die 14. Tagungsveranstaltung  der AG Genomanalyse fand am 10. und 11. November 2008 unter dem Thema „Plant Breeding: from high throughput genotyping to whole genome selection“ statt. Die Organisation lag in den Händen der KWS und des Instituts für Pflanzenzüchtung an der Universität Göttingen. Das aktuelle Thema, welches durch ein umfangreiches Vortragsprogramm untersetzt wurde, hatte über 175 Tagungsteilnehmer sowohl aus Wissenschaft als auch aus praktischer Pflanzenzüchtung  und Biotechnologie nach Göttingen/Einbeck gelockt.

Den Auftakt der Tagung bildete ein Vortragsblock zum Thema „high throughput genotyping“. Hierbei konnten sich die Tagungsteilnehmer ein Bild von den jüngsten technischen Fortschritten bei der Entwicklung und Anwendung von DNA Markern machen. Michiel van Eijk  (Keygene, Wageningen) informierte über neue Entwicklungen der Firma Keygene N.V. bezüglich der Entwicklung von „single nucleotide polymorphism“ (SNP) Markern.  Bei der Sequenzierung lassen sich durch Kombination der proprietären AFLP-Markertechnologie mit einem modernen „next generation“ Sequenzierungsverfahren (454 GS-FLX) durch Reduktion der Genomkomplexität auch in vergleichsweise großen pflanzlichen Genomen ausreichend Sequenzdaten erzeugen, um über einen Vergleich der Sequenzen unterschiedlicher Genotypen größere Mengen an SNPs identifizieren zu können. Darüber hinaus arbeitet die Firma an der Entwicklung von „reverse genetics“ Ansätzen („key point concept“), mit welchem in einer Population von mutagenisierten Tomatenpflanzen  durch Resequenzierung 3-dimensionaler DNA Pools die Identifizierung von  Mutationen in Kandidatengenen ermöglicht wird.  Mit einem ähnlichen Ansatz lassen sich auch natürlich auftretende Allele in Kandidatengenen aufspüren.

Anhand von Fallbeispielen für Genome unterschiedlicher Komplexität stellte Martin Ganal das Dienstleistungsangebot der Fa. Trait Genetics (Gatersleben) hinsichtlich der Entwicklung von SNP-Markern dar.  In seinen Ausführungen wies er auf das große Potential der Analyse von SNP-basierten Haplotypen hin. Im Vergleich zu einzelnen SNPs zeigen diese  in der Regel mehr Allele auf und eignen sich somit besser zur Differenzierung von Genotypen oder zum Auffinden von Assoziationen  mit phänotypischen Merkmalen.

In einem Vortrag zur genomweiten Genotypisierung bei Arabidopsis berichtete Thomas Altman (IPK Gatersleben)  über den Nachweis von über 600.000 SNPs  durch Hybridisierung genomischer DNA auf einen speziell für Arabidopsis angefertigten Oligonukleotid Array, auf welchem fast das gesamte Genom des Genotyps „Columbia-O“  durch 3 Millionen Oligonukleotide repäsentiert ist.  Abweichungen in der Genomsequenz anderer Arabidopsis  Genotypen resultieren in einer unvollständigen Basenpaarung mit dem entsprechenden Oligonukleotid auf dem Array, was sich wiederum in einer Abschwächung oder im völligen Ausbleiben des Hybridisierungssignals niederschlägt. Auf diese Weise konnten in einer Population verschiedener Arabidopsis Herkünfte über 600.000 SNPs nachgewiesen werden. Die Daten wurden im Hinblick auf das Auftreten spezifischer Diversitätsmuster (z.B.  selective sweeps) sowie zur Assoziationsanalyse für das Merkmal Biomasse  in einer Population von 100 Akzessionen ausgewertet.

Die besten Möglichkeiten  für die systematische Suche nach SNPs  bietet der Vergleich gegen eine bekannte Genomsequenz.  Eine wichtige Voraussetzung für die Entschlüsselung von Nutzpflanzengenomen ist die Verfügbarkeit physischer BAC Kontig-Karten. In diesen sind die jeweiligen Chromosomen in Form überlappender DNA Klone  abgebildet.  Zwei Vorträge befassten sich mit der Entwicklung physischer BAC-Contig Karten bei Zuckerrübe (Heinz Himmelbauer, Uni Bielefeld) und Gerste (Daniela Schulte, IPK Gatersleben). Die Entwicklung derartiger Karten stellt die Grundlage für die Sequenzierung dieser Genome dar, welche durch die Entwicklung leistungsfähiger Sequenziertechnologien in greifbare Nähe rückt.

Der zweite Abschnitt der Vortragsveranstaltung stand unter dem Thema „whole genome selection“. Im weitesten Sinne können unter diesem Begriff alle Ansätze zur genomweiten Assoziationskartierung verstanden werden. Derartige Ansätze wurden für Zuckerrübe (Benjamin Stich, MPIZ Köln), für Winterraps (Wolfgang Ecke, Uni Göttingen)  sowie für Arabidopsis (Matthias Steinfart, Uni Potsdam) vorgestellt. Hierbei wurde deutlich, dass für die Assoziationskartierung in den verschiedenen Pflanzenarten ganz unterschiedliche Voraussetzungen vorliegen (Verlauf des Kopplungsungleichgewichts, Populationsstruktur), welche sich, unter anderem, in den jeweils erforderlichen Markerdichten und den zu wählenden statistischen Modellen für die Datenauswertung niederschlagen.
Eine der Möglichkeiten, welche sich durch die Verfügbarkeit großer Mengen von über das gesamte Genom verteilten DNA Markern eröffnen, ist die sogenannte „whole genome selection“.  Die amtierende GPZ Präsidentin,  Chris-Carolin Schön (TU München),  war gekommen,  um den Tagungsteilnehmern  in einem Übersichtsvortrag die theoretischen Grundlagen dieses Ansatzes zu vermitteln.  Ihre Ausführungen wurden anschließend von Henner Simianer (Uni Göttingen) mit praktischen Beispielen aus der Rinderzüchtung ergänzt.  In seinen Ausführungen legte er dar, dass der jährliche Zuwachs in der Milchleistung durch  „genomic  selection“ mit 50.000 SNP Markern in Zukunft voraussichtlich um etwa 100% gesteigert werden kann. Aufgrund des großen Potentials des aus den SNP Daten ableitbaren „estimated breeding values“ soll  das gemomweite DNA-Fingerprinting ab 2009 in den USA zur Zuchtwertschätzung von Bullen genutzt werden.

Im dritten Abschnitt der Tagung wurden in einer Reihe von Kurzvorträgen aktuelle Ergebnisse zur angewandten Genomforschung präsentiert. Eva Zyprian (JKI Siebeldingen)  berichtete über die Nutzung der mittlerweile vorliegenden Genomsequenz der Weinrebe für die Entwicklung neuer DNA Marker, sowie die Kartierung und Klonierung von Resistenzgenen.  Allerdings ist das Genom von Vitis vinifera durch eine große strukturelle Diversität gekennzeichnet, die unter anderem durch eine Vielzahl von Insertionen bzw.  Deletionen relativ zu der bekannten Sequenz der Sorte „Pinot Noir“  sichtbar wird.  Dies gilt es bei der Markerabsättigung definierter Genomregionen zu berücksichtigen.

Samuel Trachsel (ETH Zürich) berichtete in seinem Vortrag über den Zusammenhang zwischen der Wurzelarchitektur bei tropischen Maislinien und ihren agronomischen Leistungen unter Trockenbedingungen. Im Rahmen einer QTL Analyse konnte dieser Befund durch übereinstimmende Positionen  von QTLs für Ertragskomponenten und verschiedene Wurzelmerkmale bestätigt werden.  Einem quantitativen Erbgang folgt auch das Merkmal „Brauqualität“ bei der Sommergerste. Während in klassischen QTL-Analysen DNA-Markerallele mit der Ausprägung des phänotypischen Merkmals korreliert werden, wurden im Rahmen der Arbeiten, über die Masood Rizvi (IPK Gatersleben) berichtete, die Expressionmuster von 12.000 Genen während der Samenkeimung  unterschiedlicher Gerstensorten erfasst und mit den Malzqualitätsdaten verglichen. Auf diese Weise gelang es über 100 Kandidatengene  zu identifizieren.  Darunter befinden sich auch solche, die bisher nicht mit der Brauqualität in Verbindung gebracht wurden.  Auch die Resistenz gegen den Schadpilz Rhynchosporium secalis  stellt ein wichtiges Zuchtziel bei der Gerste dar. Im Rahmen der Arbeiten zur kartengestützen Klonierung des Rrs2 Gens wurden Ergebnisse zur Entwicklung  „diagnostischer“ DNA Marker vorgestellt, welche die markergestützte Selektion dieses Gens auf breiter Ebene ermöglichen solle (Anja Hanemann, IPK Gatersleben).

Eduard Mader (Uni Wien) berichtete über den Nachweis von SNPs und kleineren Insertions/Deletions Polymorphismen mit Hilfe der „high resolution melting analysis“. Bei der Anwendung dieses Verfahrens kann auf die gelelektrophoretische Analyse der DNA Fragmente verzichtet werden. Dementsprechend könnte das Verfahren in Zukunft eine interessante Alternative für die Überprüfung großer Probenzahlen darstellen.

Sven Gottwald (IPK Gatersleben) stellte die Entwicklung  einer Mutantenpopulation (TILLING) für die Identifizierung von Genen  bei Gerste und ihre funktionelle Analyse vor. Die Population umfasst über 7.000 Pflanzen. Jede dieser Pflanzen weist im Durchschnitt alle 500 .000 Basen eine Mutation auf. Dementsprechend konnten für jedes der bisher untersuchten Gene jeweils mehrere Mutanten aufgefunden wurden. Entsprechende Pflanzen werden anschießend für die phanötypische Analyse herangezogen (reverse genetics). Umgekehrt wurde die Mutantenpopulation auch auf das Auftreten von phänotypisch erkennbaren Mutanten hin untersucht (forward genetics).  Ein ähnlicher Ansatz wird auch bei der Zuckerrübe verfolgt (Bianca Büttner, Uni Kiel). Hier sollen im Rahmen von forward und reverse genetics Analysen Gene identifiziert werden, welche die Schossneigung der Rübenpflanze regulieren.  Die Aufklärung der molekularen Grundlagen der Schossneigung  würde einen wichtigen Schritt bei der Züchtung von Winterrüben darstellen.

Den Höhepunkt der diesjährigen Tagung bildete zweifelsohne die Exkursion zur KWS SAAT AG  (KWS) nach Einbeck. Dort konnten sich die Teilnehmer im Rahmen der Besichtigung der Laboreinrichtungen sowie von Vorträgen durch Wissenschaftler  der KWS (Milena Ouzunova, Carsten Knaak, Britta Schulz, Dietrich Borchardt, Josef Kraus, Wolfgang Michalek) einen persönlichen Eindruck zur Anwendung molekularer Markertechniken in der praktischen Pflanzenzüchtung machen.  Es war überaus beeindruckend aus erster Hand zu erfahren, dass 16 Jahre nach der Gründung der AG „Molekulare Marker“ (dem Vorläufer der AG „Genomanalyse“) und dem ersten Workshop an der Universität München der Einsatz molekularer Marker und die Umsetzung der Erkenntnisse aus der Erforschung der Nutzpflanzengenome aus der praktischen Pflanzenzüchtung nicht mehr wegzudenken sind.

Das große Interesse an der diesjährigen Veranstaltung  stellt einmal mehr ein sichtbares Indiz für die enge Verbindung zwischen  Genomforschung  und moderner Pflanzenzüchtung dar.  All denjenigen, die für eine reibungslose  Organisation und Durchführung der Veranstaltung an der Uni Göttingen und der KWS in Einbeck sorgten, sei an dieser Stelle  nochmals auf herzlichste gedankt.

 (A. Graner, Gatersleben)