Bericht der Sommertagung der AG Kartoffelzüchtung und Pflanzguterzeugung am 13./14. Juli 2005 in Groß Lüsewitz

– 35 Teilnehmer –

Organisation und Leitung:
Dr. H.-R. Hofferbert, Ebstorf

 Zum Besichtigungsprogramm der diesjährigen Sommertagung begrüßte der Vorsitzende, Herr Dr. Hofferbert, die Teilnehmer in Groß Lüsewitz. Erster Programmpunkt war die von Herrn Dr. Dehmer geleitete Kartoffel-Genbank des IPK. Sie verfügt im Kulturkartoffelsortiment über einen Bestand von ca. 2.800 Sorten und Zuchtstämmen sowie über 3.000 wilde und kultivierte Arten. Im Feldanbau steht nur ein kleiner Teil des Kulturkartoffelsortiments, während der größte Teil durch in-vitro-Kultur erhalten wird. Die wilden und kultivierten Arten werden zumeist über eine Langzeitlagerung der Samen erhalten. Von den Akzessionen werden ausführliche Passport- und Evaluierungsdaten erhoben. Die kostenfreie Abgabe des auf Quarantänekrankheiten getesteten Genbankmaterials erfolgt sowohl an Züchtungsunternehmen als auch an Privatpersonen, die den Großteil der Abnehmer stellen.

Die Vorstellung der Nordring- Kartoffelzucht- und Vermehrungs-GmbH (Norika) übernahm Herr Dr. Junghans im angenehm temperierten Kartoffellagerhaus. Die Norika hat zurzeit acht Gesellschafter aus dem Veredelungsbereich und beschäftigt etwa 50 Mitarbeiter. Die Neuzucht mit jährlich etwa 120.000 Sämlingen aus 300 Kreuzungen erfolgt in Groß Lüsewitz, während die Erhaltungszucht an den Standorten Vorder Bollhagen und Lindenhof durchgeführt wird. Gegenwärtig hat das Unternehmen 36 Sorten in Deutschland zugelassen, wobei der frühreifende Bereich einen Züchtungsschwerpunkt darstellt. Anschließend wurden in der Station die schnelle Vermehrung und die Erzeugung von Knollen im Gewächshaus vorgestellt. Die Besichtigung des Versuchsfeldes vermittelte einen guten Überblick über die praktische Züchtungsarbeit des Unternehmens und bot die Möglichkeit zu vielen Diskussionen.

Am nächsten Morgen begrüßte Prof. Wehling die Teilnehmer in der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen am Standort Groß Lüsewitz und gab einen kurzen Überblick über die Aufgaben des Institutes für landwirtschaftliche Kulturen (ILK) sowie d es Instituts für abiotische Stresstoleranz. Die Arbeiten der Institute orientieren sich am aktuellen Forschungsplan des BMVEL. Bei der Züchtungsforschung zu Kartoffeln werden neben den klassischen Züchtungsmethoden auch die somatische Hybridisierung, die Dihaploidenzüchtung und die Gentechnik genutzt. Beim Forschungsschwerpunkt ‚Qualität/Nachwachsende Rohstoffe’ stehen die Speise-, Veredelungs- und Rohstoffeignung sowie die Anbausysteme im Vordergrund, während beim Arbeitsschwerpunkt ‚Gesunde Pflanze’ unterschiedliche Krankheitsresistenzen und die Trockenstresstoleranz vorrangig untersucht werden. Ein Ergebnis dieser Arbeiten ist seit 1992 die Abgabe von züchterisch adaptiertem Kartoffel-Ausgangsmaterial (ca. 700 Klone und 6.500 Samen) für Pflanzenzüchtung, Züchtungsforschung und Ökologischen Landbau.

Die Untersuchungen von Herrn Dr. Jürgens zum genotypischen Acrylamidbildungspotential der Kartoffeln bei der Kaltlagerung ergaben eine lineare Beziehung zwischen den Gehalten an reduzierenden Zuckern und Acrylamid, während der Gehalt an Asparaginsäure bei Kartoffeln keinen Einfluss hatte. Während NIR-Untersuchungsmethoden bei der Arcrylamidbestimmung nicht nutzbar waren, konnte über eine selbst entwickelte Farbskala ein logarithmischer Zusammenhang zwischen der Backfarbe der Chips und dem Acrylamidgehalt abgeleitet werden. Hier werden Möglichkeiten für die Entwicklungen eines entsprechenden Schnelltestes gesehen.

Zur Verbesserung der polygenisch vererbten Nassfäuleresistenz wurden von Frau Dr. Wegener mittels Gentechnik Pektatlyase-Expressionen geschaffen, bei denen die Abwehrreaktionen der gesamten Pflanze angesprochen werden. Die Selektion der transgenen Nachkommen umfasst neben der Nassfäuleresistenz auch mehrere agrotechnische Parameter. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist die Suche nach einer geeigneten Prüfmethode für die Differenzierung der Sorten und Stämme hinsichtlich Ihrer Reaktionszeit auf einen Erwinia-Befall. Frau Dr. Thieme stellte ihre Ergebnisse bei der Nutzung biotechnologischer Verfahren für die Erzeugung und Selektion kombinierter Resistenzen, insbesondere gegen Viren, Phytophthora, Kartoffelkäfer und Blattläuse vor. Dabei werden interspezifische somatische Hybriden erzeugt und auf ihre Resistenzen hin untersucht.

Herr Dr. Darsow berichtete über seine mehrjährigen Arbeiten zum „prebreeding“ bei der Kartoffel im ILK. Dabei stehen die Entwicklung von züchterisch adaptiertem Keimplasma mit Phytophthora-Resistenz sowie die Kombination von Phytophthora- und Globodera pallida-Resistenz mit unterschiedlichen Qualitätskriterien im Vordergrund. Die Ergebnisse dokumentieren eine zunehmend höhere Speisequalität und eine verbesserte Nematodenresistenz der phytophthoraresistenten Stämme, während gleichzeitig die genetische Diversifikation im Zuchtaufbau beibehalten werden konnte. Über die Erfahrungen bei der Nutzung dieses Materials in der Sortenzüchtung berichtete Herr Dr. Hofferbert, BNA, Ebstorf. Die Evaluierungen bei den deutschen Züchtern ergaben eine insgesamt gute Übereinstimmung der Institutsbeurteilungen mit den Züchtererfahrungen, wenn auch in einzelnen Merkmalen noch Unterschiede bestehen. Daher ist es nicht überraschend, dass im Durchschnitt jeder zweite Kreuzungspartner bei der Phytophthora-Resistenzzüchtung auf BAZ-Material basiert und die Fortsetzung dieser Arbeiten als besonders wichtig eingestuft wird. Dabei wird eine stärkere Ausrichtung des BAZ-Materials auf das spätere Verwertungsziel (Speise, Veredelung, Stärke) gewünscht. Die Erstellung von resistentem Grundlagenmaterial und das Einbringen dieser Resistenzquellen in die Sortenzüchtung sollten ein gemeinsames Interesse der BAZ und der Züchter sein. Nur so werden sich Erfolge (Sorten) mit dem Anspruch „gesunder Pflanzen“ für eine ökologisch verträgliche, nachhaltige Landbewirtschaftung finden lassen. Damit dieses Ziel nicht verfehlt wird, wünschen sich die Kartoffelzüchter dringlich eine Wiederbesetzung der wissenschaftlichen Züchterstelle für den Bereich Solanaceen (Dr. Darsow). Dabei sollte eine Einarbeitung zeitnah erfolgen, um vorhandene Erfahrungen nicht zu verlieren.

Bei der abschließenden Besichtigung des Versuchsfeldes stellte Frau Dr. Balko einen Anbauversuch zum Trockenstressverhalten von Kartoffeln vor. Im Kartoffelzuchtgarten demonstrierte Herr Dr. Darsow eine Vielzahl von Kreuzungen mit interessanten Merkmalskombinationen.

(Dr. R. Peters, Dethlingen)