– 26 Teilnehmer –
Leitung:
Prof. W. Link, Göttingen
Mit einem „Grüß Gott“ begrüßte Herr Dr. Peter Römer, der für die Körnerleguminosen (u.a.) zuständige Pflanzenzüchter des Hauses, die Gäste im Hof der Station im Rastatter Rheinfeld, wo sich die meisten der angemeldeten Teilnehmer schon am Mittwochnachmittag eingefunden hatten. Erster Programmpunkt war die Besichtigung des Lupinen-Zuchtgartens, des Anthraknose-Testfeldes für Lupinen und der Erbsen-Leistungsprüfungen des Unternehmens. Angesichts des eindruckvollen Zuchtmaterials ergaben sich zwanglos viele Fragen, auf die Dr. Römer rundum kompetent Auskunft geben konnte: zum Vergleich der Weißen (Lupinus albus) mit der Blauen Lupine (L. angustifolius) in Morphologie und Leistungen, in Zuchtzielen und hier insbesondere dem verschiedenen Resistenzverhalten, in Anbaufragen oder in der Vererbung des Alkaloid-Gehaltes und seiner Grenzwerte für die Futternutzung (<0,05%) bzw. die menschliche Ernährung (<0,02%). Weitere interessante Einzelheiten betrafen u.a. das regionale (im warmen Süden) Auftreten der solitären Holzbiene, Xylocopa violacea , die in den letzten Jahren auch bei den strengen Fremdbefruchtern Erbse und Lupine unter gegebenen Umständen für eine deutlich erhöhte Fremdbefruchtung sorgte, oder die Erfahrung, dass in Lupinensamen nach 2 Jahren ungekühlter ( +20°C) Lagerung der Anthraknosepilz (Colletotrichum lupini) nicht mehr lebend vorliegt. Aber auch mit Saatgutbeizung und einem strikten Fungizidprogramm lassen sich Bestände der Blauen Lupine anthraknosefrei halten. Demgegenüber konnten bei dieser Krankheit trotz intensiver Resistenzzüchtung bis heute noch keine zureichend resistenten Sorten entwickelt werden. Dennoch war bei allen Körnerleguminosen-Arten der Zuchtfortschritt der letzten Jahrzehnte beachtenswert. Umso bedauerlicher ist, dass z.B. bei den Erbsen in der Wertprüfung 1 des BSA die Anzahl der Prüfglieder von früher rd. 30 auf zurzeit 20 zurückging und unter den gegenwärtig neun Anmeldern nur noch zwei deutsche Zuchtfirmen sind.
Am Abend traf man sich auf einer gastronomischen Terrasse des Schlossparks zu einem sehr gemütlichen Beisammensein, bei dem die Gelegenheit zu weiterem Gedankenaustausch rege genutzt wurde.
Am Donnerstag früh wurden die Teilnehmer vom Geschäftsführer der Südwestsaat GbR, Herrn Dr. K.L. Nau, begrüßt, der kurz in die Geschichte der Firma einführte: Beginn der Pflanzenzüchtung durch Fritz Späth 1938 auf dem Seehof bei Tübingen (Erbsen, Sommerraps, Gräser und Weizen); 1972 Übernahme der bis dahin landeseigenen Südwestdeutschen Saatzucht in Rastatt durch seinen Sohn Dr. Hans-Rudolf Späth, einschließlich des Maiszuchtprogramms (‘gelber Badischer Landmais’), das 1912 in der Badischen Saatzuchtanstalt Hochburg, und der Spargelzüchtung (‘Schwetzinger Meisterschuss’), die im gleichen Jahre vom Garteninspektor Unselt in Schwetzingen begonnen worden war. Seit 1979 ist die Südwestsaat für den Vertrieb Mitglied der Saaten-Union, Hannover. Nach 1990 übernahm sie zwei weitere Zuchtstationen in Aschersleben für Kräuter und Gemüse und in Möringen bei Stendal für den Spargel. Heute liegt der Schwerpunkt des Unternehmens nach wie vor mit rd. 60% beim Mais und rd. 20% beim Spargel. Trotz bester, neu zugelassener Sorten bei Lupinen und Erbsen entschied die Südwestsaat Anfang dieses Jahres wegen der zurückgehenden Flächen und dementsprechenden Lizenzeinnahmen und der zunehmenden Zurückhaltung der Vertriebspartner gegenüber den einheimischen Körnerleguminosen, die Neuzüchtung bei diesen Arten zu beenden und sich in Zukunft auf die Vertretung fremder Sorten zu beschränken.
Zum Einstieg in die Fachvorträge gab Dr. Römer einen umfassenden Überblick über die bisherigen Arbeiten der Südwestsaat und erklärte die Ziele und Methoden seiner Erbsen- und Lupinen-Züchtung: Bei Erbse in besonderer Ausrichtung auf Märkte in Frankreich, Kanada u.a. wurde intensiv „single-seed-descent“ (SSD, 3 Generationen im Jahr) angewendet mit F 1 in Teneriffa; die Lupinenzüchtung folgte der Pedigree-Methode. Da Qualität nicht bezahlt wird, war sie kein besonderes Zuchtziel.
Als Gastredner zum Thema Qualitätszüchtung bei Erbsen und Ackerbohnen leitete Dr.Gerard Duc, INRA Dijon, die heutige Erzeugung von Körnerleguminosen in der EU aus dem Marshallplan 1946, der Sojakrise 1973 und der BSE-Krise 1996 sowie aus unseren Zwängen bei der WTO her. Im Einzelnen belegte er, dass Erbsen nicht für Geflügel taugen, da ihr Proteingehalt zu niedrig ist; jedoch könnte hier bei entsprechendem Zuchtfortschritt ein neuer Markt eröffnet werden. Für Wiederkäuer erscheinen bunt blühende Erbsen besser geeignet, da sich bei diesen Tannin positiv auswirken kann (Schutzfunktion für das Protein im Pansen). Berichtet wurde über den als „Marke“ neu vorgeschlagenen ‘Fevita’-Typus bei Ackerbohnen, (tanninfrei und sehr niedrig im Vicin-Gehalt, ein „00-Typ“ entsprechend Canola beim Raps), der die völlig bedenkenlose Mischung von Ackerbohnen mit Erbsen und Verwendung bei allen Nutztieren wie Geflügel, Ferkeln etc. erlaubt. Erste Sorten sind auf dem Markt bzw. in Prüfung. Außer Qualität muss die Züchtung insbesondere auch Stresstoleranz gegen biotische und abiotische Faktoren beachten, so z.B. Aphanomyces-Resistenz oder Frostfestigkeit bei den Winterformen der Erbse und Bohne. Im Übrigen wird vom INRA das CRB (Centre des Ressources Biologiques) betrieben, wo genetische Ressourcen von Körnerleguminosen gesammelt, aufbewahrt und langfristig bearbeitet werden.
Anschließend stellte Dr. W. Sauermann, Landw.kammer Schleswig-Holstein, den „HEB-Index“ vor: Dieser setzt die Bestandeshöhe der Erbse beim Blüh-Ende mit dem bei der Ernte ins Verhältnis und vermeidet, dass auf gleiche Höhe zusammengesackte Erbsen als gleich bonitiert werden, obwohl sie anfänglich deutlich verschieden hoch waren. Ein niedriger Index (<1) bewertet die relativ stärker in sich zusammengesackte Erbse als schlechter, was die Sache richtig auf den Punkt bringt. Das Verfahren ist u.a. in Schleswig-Holstein erfolgreich im Einsatz.
Danach erklärte Dr. O. Sass, NPZ Hohenlieth, wie man zurzeit bei der Ackerbohne die hohe Heterosis für Ertrag bzw. die „Hybridleistung“ (Hybride minus beste nicht-Hybrid-Sorte >20%) in Synthetischen Sorten nutzen kann. Er stellte den in der NPZ verwendeten Synthetic-Eignungs-Test vor, der dem Polycross-Test bei Futtergräsern entspricht. Als eindrucksvolles Erfolgsbeispiel aus dieser Arbeit nannte er die neue Sorte ‘Fuego’, die aus einem Polycross 1997 hervorging und bereits 2004 zugelassen wurde.
Aus Arbeiten an der Univ. Hohenheim berichtete Herr J. Poetsch über erste Ergebnisse eines ökologischen, pflanzenbaulichen Sortenvergleichs bei Winterformen von Ackerbohne, Erbse und Lupine. Hier konnten im ersten Versuchsjahr nicht alle Varianten und Blöcke auswertbar durchgeführt werden, z.B. wegen Verunkrautung, Auswinterung, Nematodenbefall oder Hagelschlag. Nach erster Einschätzung sei die Winterfestigkeit bei der Lupine im Unterschied zu entsprechenden Ackerbohnen- und Erbsenwinterformen als „grenzwertig“ einzuschätzen.
Frau L. Ghaouti, Göttingen, präsentierte ihr Projekt zur partizipatorischen Züchtung von Winter- und Sommerbohnen mit Landwirten des Naturland-Verbandes. Aufgrund ihrer Auswertung einjähriger Daten über 5 Orte stellte sie einen Strategievergleich an: für jeden Ort einzeln bzw. für das Mittel über alle Orte zu züchten. Dabei konnte sie eine größere nutzbare Varianz für die erstgenannte Strategie quantifizieren.
Frau Dr. B. Klocke, Berlin stellte ihr Prognosemodell zur Anthraknoseerkrankung von Lupinen vor. Es basiert u.a. auf der Sorte ‘Bora’, die, ohne völlig resistent zu sein, eine klar überlegene Widerstandskraft gegen die Anthraknose erkennen lässt. Auf der Suche nach weiteren Anthraknose-Resistenzquellen für die blaue Lupine entwickelte Frau Dr. B. Ruge-Wehling, Groß Lüsewitz, in Zusammenarbeit mit der Saatzucht Steinach AFLP-, MFLP- und SSR-Marker (letztere aus Daten von Medicago truncatula), um einerseits eine australische Resistenz (mit dem Gen LANr 1) nutzbar zu machen, und andererseits Genbank-Akzessionen zu screenen. Mit einem QTL-Ansatz und einem modifizierten Resistenztest soll ein „prebreeding“-Programm durchgeführt werden. Übrigens ist nach ihren Informationen vom diesjährigen Internat. Lupinen-Kongress in Mexiko für die blaue Lupine in Kürze eine sehr brauchbare genetische Karte aus Australien zu erwarten.
Abschließend fasste Frau Dr. M. Specht von der UFOP die Schwierigkeiten zusammen, der landwirtschaftlichen Praxis die deutlichen und auch in den vorhergehenden Vorträgen aufgezeigten Vorteile des Anbaus und der Erzeugung von Körnerleguminosen zu vermitteln. Sicher ist vorauszusehen, dass mit einer Einschränkung der Züchtung oder gar Einstellung von Neuzuchtprogrammen über kurz oder lang auch die relative Vorzüglichkeit der Körnerleguminosen abnehmen würde. Deshalb bereitet die UFOP für Oktober 2005 den Beginn einer Initiative vor, in der anhand praktischer Beispiele erfolgreiche Strategien zum Anbau und zur Vermarktung von Körnerleguminosen vorgestellt und analysiert werden sollen. Damit soll versucht werden, der Zurückhaltung gegenüber den Körnerleguminosen oder gar ihrer Ablehnung statt mit Worten und Zahlen mit realen Fallbeispielen entgegenzutreten. Die Koordination des Projekts wird voraussichtlich in Kiel angesiedelt sein. Die zugehörigen Demonstrationsregionen sollen für Ackerbohnen in Nordrhein-Westfalen, für Erbsen in Sachsen-Anhalt und für Lupinen in Mecklenburg liegen. Ziel des Vorhabens ist sicherzustellen, dass in einer Zeit agrarpolitischer Umbrüche und Unsicherheiten die laufenden Arbeiten mit Körnerleguminosen koordiniert und effizient fortgesetzt werden.
In der abschließenden Diskussion schlossen sich die Anwesenden dieser Auffassung einstimmig an und unterstützten sie mit weiteren Beiträgen. So wurde darauf hingewiesen, dass die in der Biologie entscheidenden Informationsträger, die vier DNA-Basen, ebenso wie die „Werkzeuge“ des Lebens, die Enzyme, in ihrem Molekül durch den Besitz von Stickstoffatomen ausgezeichnet sind, die den „bloßen“ Energieträgern, den Kohlenhydraten und Fetten, fehlen. „Natürlich“ kommt dieser Stickstoff in den agrarischen Stoffkreislauf durch die Leguminosen. Sie dienen damit der Landwirtschaft und Gesellschaft an zentraler Stelle. Offensichtlich muss diese Einsicht, die erstmals der altmärkische Landwirt Albert Schultz-Lupitz schon 1881 veröffentlichte, jeder Generation neu erklärt werden. Über die bekannten Argumente aus Diversität, Fruchtfolge und Deckungsbeitrag hinaus gilt nach wie vor, dass für eine organische und nachhaltige Landwirtschaft Körnerleguminosen unentbehrlich sind. Ihre Förderung in Forschung und Praxis verdient besondere Priorität – heute mehr denn je!
(W. Link, Göttingen)