– 24 Teilnehmer –
Organisation:
Dir. u. Prof. Dr. Reinhard Töpfer, Siebeldingen
Prof. Töpfer begrüßte die Teilnehmer und regte an, dass sich zu Beginn rund um den Tisch jeder der Anwesenden selber kurz vorstellt – ein nützlicher Auftakt für den intensiven Informations- und Erfahrungsaustausch, der sich in den folgenden 24 Stunden unter diesen Vertretern verschiedenster Arbeitsrichtungen, wie klassischen Züchtern und Molekularbiologen, Forst-, Obst- und Rebenzüchtern, zwanglos und fruchtbar entwickelte.
Aus der sehr erfolgreichen Züchtungsarbeit seiner Vorgängerin, Frau Prof. C. Fischer, Pillnitz, stellte Dr. A. Peil, BAZ Dresden-Pillnitz, 6 neue Apfelsorten vor. Von diesen präsentieren ‘Pinova’ und ‘Pisaxa’ wichtige Fortschritte in Eigenschaften des Anbauverhaltens, der Fruchtqualität und der Ertragsleistung, während sich die 4 weiteren sogen. „Re“-Sorten durch zusätzliche, teils multiple Krankheitsresistenz auszeichnen. Eindrucksvoll beschrieb er das Ereignis einer Feuerbrand-Epidemie in diesem Jahre im Pillnitzer Versuchsfeld, der in wenigen Tagen 467 Birnbäume und rd. 3% aller Apfelbäume zum Opfer fielen und die die Priorität einer diesbezüglichen Resistenzzüchtung unwiderlegbar veranschaulichte. Hinsichtlich der Züchtungsstrategie erörterte der Vortragende u. a. die Frage nach einer optimalen Sortenanzahl, die beim Apfel nötig ist, um den verschiedenen Nutzungsrichtungen zureichend zu entsprechen.
Auch bei der Weinrebe begann die Resistenzzüchtung wie beim Apfel schon vor dem 2. Weltkrieg im Kaiser-Wilhelm-Institut für Züchtungsforschung in Müncheberg. Da die wichtigsten Schaderreger mit den Reben zusammen aus Amerika eingeschleppt wurden, lag es nahe, nach Resistenz in amerikanischen Vitis-Wildarten zu suchen. Hauptziel der Einkreuzung war die Entwicklung von Resistenz gegen den Echten und den Falschen Mehltau sowie gegen die Reblaus. Im Geilweilerhof werden, wie Prof. Töpfer berichtete, jährlich rd. 50.000 Sämlinge aus Kreuzungen aufgezogen, anfänglich überwiegend aus Kombinationen von anfälligen Kulturreben-Sorten x Wildarten bzw. deren Nachkommen, ab 1983 dann zunehmend auch aus Kreuzungen von resistenten Stämmen untereinander. Als ein besonders erfolgreiches Beispiel der Resistenzzüchtung auf dem Geilweilerhof beschrieb er die Entwicklung der roten Rebsorte ‘Regent’ durch seinen Vorgänger Prof. G. Alleweldt aus: [‘Silvaner’ x ‘Müller-Thurgau’ (=‘Diana’)] x ‘Chambourcin’ (als Resistenzelter), die letzte Kreuzung 1967, ausgepflanzt ins Sämlingsquartier 1969, ab 1972 Prüfungen von Krankheits- und Frostresistenz, Traubeneigenschaften etc. sowie Anbaueignung auf Standorten im gesamten Bundesgebiet; 1994 Erteilung des Sortenschutzes; 1996 Eintragung in die Sortenliste, danach Klassifizierung für die einzelnen Erzeugergebiete, heute im Anbau bereits auf ca. 1200 ha: eine ungewöhnlich erfolgreiche Karriere, für die der reduzierte Pflanzenschutzbedarf, die mittleren Standortansprüche und die hohe Qualität des erzeugten Rotweins entscheidend sind.
Bekanntlich sind Forstpflanzen und insbesondere Koniferen für die in-vitro Zell- und Gewebekultur schwierige Objekte. Umso staunenswerter sind die Ergebnisse, die Dr. K. Zoglauer, Humboldt-Universität Berlin, erreichen konnte. Der Schlüssel für die erfolgreiche somatische Embryogenese war die Verwendung von unreifen Embryonen aus Samen, die in Suspensionskultur in Cytokinin-haltigem Medium in großer Zahl aus Epidermisgewebe Proembryonen bilden, die anschließend auf festem „Konversionsmedium“ hormonfrei und mit PEG zu Pflanzen entwickelt werden können. Die Pflanzen aus einem Embryo bilden genetisch eine homogene Klonpopulation; aber jeder Klon ist wegen der Heterozygotie der Eltern genetisch verschieden. Deshalb wird Stammmaterial von jedem Klon kryokonserviert aufbewahrt, während u. U. über mehr als 10 Jahre Feldprüfungen zur Auslese von geeigneten Genotypen durchgeführt werden, mit denen danach eine Vermehrung aus dem tiefgefroren überlagerten Material aufgebaut werden kann. Dieses Verfahren, das beginnend um 1985 heute in industriellem Maßstab genutzt wird (die Firma CellFor Inc. Canada besitzt Zehntausende solcher Kryostämme), ermöglicht ggf. auch molekularen Gentransfer und in jedem Falle eine effiziente Selektion auf wichtige Holzeigenschaften (z.B. Ligninanteil), Pathogen- oder Herbizidtoleranz oder auch eine gezielte Vermehrung von Weihnachtsbäumen (10 Mio. Nordmannstannen/Jahr in D).
Von nicht weniger faszinierenden Ergebnissen handelten die folgenden Vorträge über die Erzeugung haploider Pappeln (Populus nigra) (F. Deutsch, BFA Forst- u. Holzwirtschaft, Großhansdorf) durch in-vitro Pollenkultur; die molekulare und immunologische Charakterisierung des Hauptallergens der Kirsche (Andrea Matt, Dienstleistungszentrum ländlicher Raum, DLR, Neustadt), mittels derer die Expression des Allergens auch in Blättern und somit eine züchterische Frühselektion in trangenem (antisense) Material möglich wurde; Etablierung von Virusresistenz durch rekombinante Antikörper in transgenen Reben (P. Cobanov, Zentrum Grüne Gentechnik, Neustadt), die eine Virusvermehrung auf verschiedene Weise unterbinden: als vollständige Viren oder durch Hemmung der Virus-Polymerase, des Hüllproteins oder des ‘movement’-Proteins. In diesem Jahre besonders aktuell war das Thema „Trockenresistenz bei Reben“, zu dem Prof. H. Düring, Geilweilerhof, einen ganzen Strauß physiologischer Forschungsergebnisse aus seiner langjährigen Erfahrung mit der Rebe vortrug: Osmotische Anpassung durch Zunahme von Monoglucosen (und auch Prolin) und Abnahme von Stärke in den Blättern als langsame Adaptation; (partiellen) Stomaschluss auf der Blattunterseite zur schnellen Regulierung der Photosynthese/Transpirations-Effizienz; Schädigung durch photosynthetische „Überschussenergie“ bei starker Einstrahlung (hoch bei ‘Bacchus’ und ‘Müller-Thurgau’, niedrig bei ‘Regent’); cDNA-Mikroarrays zur Identifiiikation relevanter Genexpression in Blättern von trockengestressten vs. bewässerten Reben.
Kulturhistorisch wie züchterisch gleichermaßen spannend war der letzte Vortrag des ersten Halbtages von A. Jung, Geilweilerhof, der insgesamt >2500 Rebstöcke in 8 alten Weinbergen im Raum Heidelberg ampelographisch und in Zweifelsfällen auch molekulargenetisch (Mikrosatelliten) untersuchte. Waren Mitte des 19. Jahrhunderts noch >300 Rebsorten bekannt, so führte der Reblauseinbruch nach 1850 zum Ersten und die Flurbereinigung nach 1950 zum Zweiten bedeutenden Verlust an genetischer Variabilität. Von den heute in Deutschland registrierten 91 Rebsorten haben im Anbaugebiet Badische Weinstraße nur 20 überhaupt wirtschaftliche Bedeutung (d. h. >1% der Anbaufläche): aber nur 3 davon finden sich als Hauptsorten im Anbau. Demgegenüber identifizierte Herr Jung in jedem der untersuchten z.T. 200 Jahre alten Weinberge bis zu 60 verschiedene Rebsorten, unter diesen solche wie der ‘Blaue Elbling’ aus spontaner Kreuzung von ‘Riesling’ x ‘Trollinger’ (Sämling aus den hier aufgepflanzten Elternsorten?) oder der ‘Heunisch’, eine alte Sorte, die bereits als verloren galt. Eine teils massive Virusverseuchung erschwerte nicht nur die phänotypische Sortenbestimmung, sondern macht auch die Erhaltung dieser wertvollen pflanzengenetischen Ressourcen zum Problem. Nur weniges davon konnte bisher in die Kollektion am Geilweilerhof übernommen werden, die anschließend unter sachkundiger Führung von Prof. Töpfer besichtigt wurde.
Nach einer Stärkung im Park des alten Weinguts mit Grilladen und schmackhaften Salaten war eine Weinprobe, präsentiert von Prof. Töpfer und seinem erfahrenen Kellermeister, Herrn Lutz, der letzte Programmpunkt des Tages, der die vorherigen theoretischen Darlegungen praktisch untermauerte und belegte, dass auch bei der Rebe moderne Züchtungsarbeit zu besten Qualitäten führen kann, wenn sie nur mit dem erforderlichen Wissen und Geschick zielbewusst und ausreichend langfristig betrieben wird.
Die 7 Vorträge des nächsten Morgens betrafen die Genom- und Sicherheitsforschung. Mit einer Vorstellung aus dem molekularen Methodenarsenal, das die GATC Biotech Konstanz für moderne Forschungsfragen verfügbar hat, überzeugte Dr. G. Gradl die Teilnehmer, dass eine Vergabe solcher Arbeiten an eine so qualifizierte Firma effizienter sein kann als alle Kinderkrankheiten selbst kurieren zu wollen. Unter anderem machte er das am Beispiel der Erstellung einer cDNA-Bank deutlich, in der im besten Falle jedes Gen eines Organismus (möglichst nur) einmal vorhanden sein sollte, was GATC Biotech durch „Normalisierung“ oder Subtraktionsverfahren sicher gewährleistet.
Beispiele für den Stand der Genomanalyse und Entwicklung von Markern bei Apfel und Rebe schlossen sich an: Dr. F. Dunemann, BAZ Dresden-Pillnitz, berichtete, dass das bisher vielfach verwendete Schorfresistenzgen Vf aus Malus floribunda, mit dem auch schon transgene Apfelsorten hergestellt wurden, inzwischen durch die virulente Rasse 7 nutzlos geworden ist und heute das Resistenzgen Vr aus einem russischen Sämling eingesetzt wird. Beide wurden chromosomal kartiert und für beide ein kodominanter, multiplex PCR-Marker entwickelt, der sich im praktischen Einsatz bewährte. Auch für Mehltauresistenz wurden kodominante SCAR-Marker entwickelt, die im Sämlingstest im Gewächshaus einsetzbar sind. Vor 1990 war die Rebe als Holzpflanze mit langem Generationsinterval und vielen, sehr kleinen Chromosomen (n=19, nur rd. 500 MBp) genetisch und cytogenetisch kaum handhabbar, und erst das Aufkommen molekulargenetischer Verfahren brachte grundlegenden Wandel, wie Frau Dr. E. Zyprian, Geilweilerhof, am Beispiel der Analyse von zwei Kreuzungen: ‘Regent’ (res.) x ‘Lemberger’ (anf.) und Gf.Ga-47-42 (res.) x ‘Villard Blanc’ (res.) zeigte: Arbeiten zur Herstellung von Kopplungskarten und BAC-Banken, QTL-Analysen und Markerentwicklung für Pilzresistenzen oder Aromastoffe der Beeren, cDNA-display z.B. für den Nachweis von Kandidatengenen zur Verbesserung der Trockenstresstoleranz u.a.m. sind im Geilweilerhof in internationaler Kooperation in vollem Gange.
Abschließend standen Freisetzungsversuche transgener Holzpflanzen und einschlägige Sicherheitsforschung zur Diskussion: Transgene Äpfel mit Resistenz gegen den bakteriellen Feuerbrand (Gene für Lysozym und Depolymerase) sowie gegen Schorf- und Mehltaupilze (Gene für Endo- bzw. Exochitinasen), Laufzeit 20 Jahre, 2 Orte (Pillnitz und Quedlinburg), 8 verschiedene Konstrukte in 7 verschiedenen Sorten; jährlich sollen rd. 500 Bäume ausgepflanzt werden. Ziel: Analyse der Stabilität und Vererbung der Transgene u. a. nach Kreuzung transgener Bäume. Stefanie Reim, Pillnitz, berichtete von laufenden Untersuchungen zur Stabilität von Fremdgenen (GUS) in Äpfeln aus in-vitro Regeneration als Unterlagen und als Reis. Bei überwiegend stabiler Transformation fand sie wenige Fälle, in denen offenbar das T-DNA-Markergen verloren gegangen bzw. der Promoter des Transgens methyliert war.
Über Freisetzungsversuche mit Forstpflanzen berichtete Dr. Fladung. Im Mittelpunkt der Untersuchungen in Großhansdorf steht auch hier die Pappel mit ihrem rel. kleinen Genom (>3-5x Arabidopsis), dessen vollständige Sequenzierung 2004 erwartet werden darf. Hier gibt es bereits zahlreiche interessante Transformanten mit <45% Lignin oder >15% Zellulose im Holz als üblich, mit verstärkter Gibberellin-Synthese zur Faserverlängerung oder mit transgenem Bt-Toxin. Bisher wurden 2 Freisetzungsversuche (1996-2001 und 2000-2003) ohne größere Überraschungen abgeschlossen. In Vorbereitung sind Untersuchungen zum Transgen-Verhalten unter Stress, zur Quantifizierung von Genfluss mittels Mikrosatelliten in einer realen Landschaft u.a.m. Als letzter Redner erörterte B.A. Bornhoff, Geilweilerhof, Versuche zur Ermittlung der Ausbreitung von GUS-tragenden Pollen der Rebe mittels Pollenfallen (Vaseline-bestrichene Objektträger) in 5-50 m Umkreis um die transgenen Spenderreben.
Nachdem Prof. Töpfer abschließend allen Vortragenden und Diskussionsrednern für ihre Beiträge gedankt hatte, dankte ihm der Unterzeichnete für seine vielseitigen Initiativen, mit denen er ein so interessantes Programm für die AG zusammenstellte, sowie ihm und allen seinen Mitarbeitern für die perfekte Organisation dieses rundum gelungenen Treffens.
(G. Röbbelen, Göttingen)