Bericht der Vortragstagung „Polygene und genetische Ressourcen“ am 15./16. Juni 2004 in Bonn

– 35 Teilnehmer –

Organisation:
Prof. Dr. J. Léon, Bonn

 Am Vortage der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen der Versuchswirtschaft Dikopshof hatte die Professur für speziellen Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung des Instituts für Pflanzenbau (Leitung: Prof. Dr. J. Léon) die AG Genetische Ressourcen nach Bonn eingeladen, um eine weitere Einrichtung dieser Universität zu zeigen, die dort fast zur gleichen Zeit an der Landwirtschaftlichen Akademie in Bonn-Poppelsdorfs von dem Botaniker und Kulturpflanzenforscher Friedrich Körnicke ins Werk gesetzt worden war: den ökonomisch-botanischen Garten mit seiner reichhaltigen Nutzpflanzensammlung – Anlaß genug für eine einschlägige Vortragstagung der GPZ.

Die Veranstaltung eröffnete mit einer kurzen Begrüßung der Leiter der AG Genetische Ressourcen, Prof. K. Hammer (Witzenhausen). Sodann führte der Hausherr, Prof. Léon, in die Problematik des Tagungsthemas ein und stellte einige Forschungsansätze für die Nutzung von pflanzengenetischen Ressourcen zur züchterischen Verbesserung von quantitativen Merkmalen vor. Es folgten Vorträge von Mitarbeitern des Bonner Instituts über QTL-Studien zur Nutzung der Wildformen von Getreidearten. Einführend erläuterte PD Dr. K. Pillen (Bonn) die „Advanced-Backcross-QTL-Strategie zur Nutzung von genetischen Ressourcen in Gerste und Weizen“. Anschließend wurden zwei laufende Projekte im Forschungsprogramm GABI (Genomanalyse im biologischen System Pflanze) vorgestellt: Frau M. von Korff (Bonn) referierte über „Aktuelle Ergebnisse einer AB-QTL-Analyse in Sommergerste“, und Herr H. Wang (Bonn) über „Aktuelle Ergebnisse einer AB-QTL-Analyse in Wintergerste“. Von einer weiteren Nutzung dieses Verfahrens berichtete Herr K. Mohammed (Bonn): „AB-QTL-Analyse zu Trockenstress in Sommergerste“.

Auf die Besichtigung der Nutzpflanzensammlung im Botanischen Garten am Poppelsdorfer Schloß stimmte Prof. Hammer mit einem anregenden historischen Vortrag über das Leben und Wirken von Friedrich Körnicke (1828-1908) ein. Wahrend des Rundgangs erläuterte Dr. W. Lobin (Bonn) mit interessanten Detailinformationen die Fülle der hier zusammengetragenen Nutzpflanzen. Sie dienten ursprünglich zur Bearbeitung von Forschungsfragen ihrer Evolution, Verbreitung und Befruchtungsbiologie, die Körnicke schon bald vor allem für die Getreidearten weltweit zu einer Autorität machten. Die Sammlung ist heute einem breiten Publikum zugänglich. Die Tagungsteilnehmer konnten sich überdies in den Gewächshäusern auch in den nicht öffentlichen „Schätzen“ an tropischen Nutzpflanzen umschauen. Anschließend ging die Führung durch einen neu angelegten „Hexenkräutergarten“, in dem verschiedene Arzneipflanzen angepflanzt sind, die früher für die Alchemie von Bedeutung waren. Zuletzt wurden Vorbereitungen für eine Ausstellung über die Sonnenblume gezeigt.

Der zweite Halbtag der Veranstaltung stand im Zeichen der genetischen Diversität und der Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen als Basis für praktische Züchtungsvorhaben. Die Reihe dieser Vorträge eröffnete Frau A. Weidner (Gatersleben) mit interessanten Ausführungen über die „Möglichkeiten zur Nutzung von Genbankmaterial zur Steigerung der Salztoleranz in Weizen und Gerste“. Dem schlossen sich weitere Berichte über Arbeiten zur Nutzbarmachung von genetischer Diversität für die Verbesserung von Kulturpflanzen an. So berichtete Frau K. Link (Giessen) über „Genetische Diversität in Resistenzkandidaten bei Raps (Brassica napus)“ und Herr S. Rönicke (Giessen) über “Helianthus-Wildarten als Genquelle für die Sonnenblumenzüchtung – Molekulare und phänotypische Charakterisierung einer neuen Sclerotinia-Resistenz aus H. maximiliani“. Frau Weidner (Gatersleben) informierte die Teilnehmer in einem weiteren Vortrag über laufende Arbeiten am IPK Gatersleben zur „Braunrostresistenz bei Aegilops markgrafii – Geographische Variabilität und züchterische Nutzung“.

Nach einer Kaffeepause, die für die Besichtigung von 7 Postern zu einschlägigen Themen sowie für mancherlei Gespräche zwischen den Teilnehmern Zeit gab, wurde die Tagung durch zwei Berichte über Modellvorhaben des Landes Nordrhein-Westfalen zur Erhaltung der genetischen Diversität und zur Förderung des Anbaus pflanzengenetischer Ressourcen abgerundet. Herr J.A. Eisele (MUNLV-NRW) präsentierte unter dem Thema „Modellvorhaben zur Förderung von Anbau und Erhalt pflanzengenetischer Ressourcen in NRW“ die Planung und den aktuellen Stand eines Modellvorhabens, dessen Aufgabe es ist, „vergessene“ alte Getreidesorten aufzuspüren und dem Verbraucher unter Beachtung marktwirtschaftlicher Regeln wieder zugänglich zu machen. Ein zweites Projekt, das ebenfalls in die Bemühungen zum Erhalt pflanzengenetischer Ressourcen des Landes NRW fällt, ist die Erstellung einer Core-Collection der Gerste für den geographischen Raum NRW. Dazu informierte Herr T. Reetz (Bonn) über die theoretischen und praktischen Vorteile, die die Erstellung einer solchen Core-Collection für die moderne Pflanzenzüchtung bietet.

In der abschließenden Gesamtdiskussion wurden anhand praktischer Beispiele noch einmal einzelne Faktoren der Erhaltung und Nutzbarmachung von pflanzengenetischen Ressourcen herausgestellt.

 (T. Reetz, Bonn)