– 18 Teilnehmer –
Organisation und Leitung:
Dr. H.-R. Hofferbert, Ebstorf
Die diesjährige Sommertagung der AG fand eine Woche vor der EAPR-Tagung in Klausenburg/Rumänien statt. Deshalb war eine geringere Teilnehmerzahl erwartet und bewusst in Kauf genommen worden. Denn der Besuch des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung (MPIZ) in Köln war nach dem Weggang von Prof. Francesco Salamini bereits überfällig und sollte insbesondere auch dem vertieften Gedankenaustausch mit seinem Nachfolger, Prof. Maarten Koornneef, dienen. In dieser Abteilung „Plant Breeding and Genetics“ betreibt Frau Dr. habil. Christiane Gebhardt ihre erstmals 1985 von Prof. Salamini initiierten und inzwischen international anerkannten molekulargenetischen Forschungsarbeiten an der Kartoffel und leitet diese mittlerweile einzige in dieser Richtung spezialisierte Arbeitsgruppe in Deutschland.
Nach einer kurzen Begrüßung der Teilnehmer durch Frau Gebhardt stellte Prof. Koornneef (in deutscher Sprache!) die 4 Abteilungen des Gesamtinstituts vor. In diesen widmen sich rd. 350 Mitarbeiter, einschließlich zahlreicher internationaler Gastwissenschaftler, der Untersuchung grundlegender Prozesse zur Verbesserung der Pflanzenzüchtung. Schwerpunkte sind dabei u.a. die Genetik der Blütenbildung, der Samenruhe und der Resistenz gegen Krankheiten und die genetische Analyse komplexerer, leistungsrelevanter Kulturpflanzenmerkmale, wie z.B. Pflanzenarchitektur oder Samenertrag. Viele dieser Fragestellungen wurden in den vergangenen Jahren zunächst an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana bearbeitet. Aber für die Zukunft, so unterstreicht Prof. Koornneef in seinem Vortrag mehrfach, wird zunehmend im Mittelpunkt der Institutsarbeiten der Transfer des am Modell gesammelten Wissens auf Kulturpflanzen stehen.
In der eigenen Abteilung hat Prof. Koorneef die Arbeiten unter die Überschrift „Genetik von natürlicher Variation“ gestellt und betreibt sie mit Arabidopsis, Kartoffel, Tomate und Gerste insbesondere hinsichtlich Samenruhe (Soppe), Ertrag (Reymand), Pflanzenarchitektur (Theres), Qualität und Resistenz (Gebhardt) und in einer AG Molekulare Genetik (de Meaux). Kurz erläuterte er am Beispiel der Eintriebigkeit (monoculm), wie die genomischen Syntheniebeziehungen von Tomate, A. thaliana und Reis zur genetischen Merkmalsanalyse beitragen können. Er deutet an, wie die gewaltige Variation der Gersten-Wildformen, die schon Prof. Salamini in Köln bearbeitete, für die züchterische Nutzung untersucht und vorbereitet wird.
Die nächste Rednerin, Frau Dr. Maria von Korff, ist in der Abteilung „Entwicklungsgenetik“ von Prof. Coupland dabei, eine Arbeitsgruppe zur Untersuchung des Mechanismus der Anpassung von Gerste an Trockenstress aufzubauen. Sie war zuvor im ICARDA in Syrien tätig und berichtete von ihren dortigen Arbeiten zur direkten Selektion von 158 Gerstenlinien (RIL-Population) auf vier Trockenstress-Standorten des Fruchtbaren Halbmonds mittels QTL-Analyse.
In der Arbeitsgruppe von Frau Gebhardt entwickelt Dr. Claude Urbany im Rahmen des vom BMFT geförderten TASK-Projekts „Diagnostische Marker für die Auslese auf Schwarzfleckigkeit der Kartoffel“. Beteiligt am Zustandekommen des Symptoms ist eine im Amyloplasten lokaliserte Polyphenoloxidase, zu deren Ermittlung ein einfacher Farbtest mit kleinen Knollenscheibchen und weitere Assoziationsanalysen des Proteins auf 2D-Elektrophoresegelen dienen. Die zugehörigen Feldversuche mit 80 Sorten und 20 Zuchtklonen zur Erfassung der Umwelteinflüsse auf das Blaufleckigkeitsverhalten werden von 7 deutschen Kartoffelzüchtern an ihren jeweiligen Standorten durchgeführt.
„What are the genetic factors of plant growth?“ ist die Frage, der in Koorneefs Abteilung der Franzose Dr. Mathen Reymand mit A. thaliana nachgeht. Untersucht werden anhand von 534 isogenic recombinant F4-lines Merkmale wie Rosettengröße, Blattfarbe oder Wurzelausbildung in Abhängigkeit von der Temperatur. Insbesondere zielt der QTL-Nachweis auf eine Kartierung von epistatischen Interaktionen.
Frau Dr. Renate Lührs stellte die Aktivitäten der Firma Phytowelt vor. Dieses 1997 als Ableger des MPIZ gegründete Unternehmen (derzeit 30 Mitarbeiter) hat sich das „Phytomining“ zur Aufgabe gemacht, d.h. die Bearbeitung von wertvollen Pflanzeninhaltsstoffen, wie Phytopharmaka oder speziellen Enzymen, für eine anschließende Nutzung. Dazu dienen die verschiedensten Objekte, wie die Minze, Futter- oder Zierpflanzen, auch Pappeln oder Wildkartoffeln. Für die Schaffung neuer genetischer Variabilität steht methodisch die somatische Hybridisierung mittels Elektrofusion von Protoplasten im Mittelpunkt der Arbeiten. Vor allem geht es um Protoplastentechniken für Wildarten, Methoden zur asymmetrischen Fusion und die Entwicklung von molekularen Markern für die Identifizierung der Hybriden.
Abschließend gab Frau Gebhardt einen Überblick über „22 Jahre Zusammenarbeit des MPIZ mit Kartoffelzüchtern“. 1985 begann Prof. Salamini in Köln mit der Entwicklung von Genkarten für die Kartoffel und gewann dafür in Frau Gebhardt einen interessierten postdoc. Nach Beendigung der durchaus erfolgreichen prebreeding-Aktivitäten an der Kartoffel von Rudorf, Ross und Mitarbeitern und Schließung der MPIZ-Zweigstelle in Scharnhorst 1996 konzentrierte sich die Kartoffelforschung in Köln vollständig auf Arbeiten an molekularen Karten für Resistenzgene, Analysen der Biodiversität und der Genomstruktur knollenbildender Solanum-Arten. Eckpunkte der Arbeiten waren:
– die Entwicklung diagnostischer Marker zur Kartierung des H1-Gens für Resistenz gegen Globodera rostochiensis
– die Analyse von Feldresistenz gegen Phytophthora in Kreuzungsnachkommenschaften diploider Kartoffeln in Kooperation mit französischen Züchtern
– der Nachweis von QTLs für Stärkegehalt, Knollenertrag, Reife, reduzierende Zucker u.a. auf der 4n-Stufe und die Kartierung erster Kandidatengene
– die Klonierung des R1-Gens für Phytophthora-Resistenz sowie tagging von QTLs für eine reifekorrigierte Resistenz mit ersten Versuchen zur markergestützten Selektion (MAS)
– ein Vergleich von zwei Möglichkeiten der MAS auf quantitative Phytophthora-Resistenz mittels (a) einer experimentellen Population für die Koppelungsanalyse in F1 bzw. (b) einer natürlichen Population für die Assoziationsanalyse
In den letzten Jahren intensivierte sich die Zusammenarbeit des MPIZ mit den deutschen Kartoffelzüchtern zusehends, wobei letztere das Material bereitstellten und in umfangreichen Feldversuchen die Daten für die Phänotypisierung erarbeiteten, während das MPIZ die molekulare Genotypisierung übernahm:
– Im GABI-Programm wurden unter Verwendung vorliegender QTL-Analysenergebnisse zum Zucker/Stärke-Stoffwechsel und entsprechender Genkarten 150 molekulare Marker auf Assoziation mit Stärkemerkmalen, Knollen- und Stärkeertrag sowie Chipsqualität untersucht.
– Nachfolgend wurden in GABI molekulare Marker für die Resistenz aus S. vernii gegen Globodera pallida sowie die reifekorrigierte Phytophthora-Resistenz entwickelt und zur züchterischen Nutzung vorbereitet.
– Im Forschungsprogramm „BioChancePlus“ wird das „Kompetenznetzwerk Synchytrium“ (KOSY) gefördert. Die beteiligten Züchterhäuser haben spaltende Populationen zur Verfügung gestellt, welche beim JKI-Kleinmachnow hinsichtlich ihrer Krebsbiotypenresistenz geprüft werden. Die Genotypisierung dieses Materials erfolgt beim MPIZ. Das Ziel dieser Arbeiten ist eine Entwicklung von molekularen Markern.
Mit einem „Blick nach vorn“ beschloss Frau Gebhardt ihren eindrucksvollen Vortrag. Sie stellte fest, dass die molekulare Genomanalyse beim Menschen u.a. wegen des mehrfach höheren Arbeitsumfangs und Mitteleinsatzes von Anfang an der bei der Kartoffel um rd. 10 Jahre voraus, aber grundsätzlich ähnlich ist. Deshalb darf die vollständige Sequenzierung des Kartoffelgenoms in 2-5 Jahren erwartet und ein whole genome association mapping mit der multiparallelen Genotypisierung von SNPs möglich werden. Die Beiträge des MPIZ dazu sind bis 2015, dem Ausscheiden von Frau Gebhardt (und auch Herrn Koornneef), sichergestellt, aber weitergehende Voraussagen sind zufolge der MPG-Regel: „neue Forscher – neues Programm“ derzeit nicht möglich.
Bereichert wurde das Vortragsprogramm des ersten Halbtags durch eine Besichtigung des Schaugartens des Instituts mit seiner reichhaltigen Präsentation aller bei uns wichtigen Kulturpflanzen, die jährlich eine breite Öffentlichkeit und insbesondere zahlreiche Schulklassen anzieht, sowie der Versuchsgewächshäuser, zu deren teils überjährigem Zustand der kompetente Führer des Rundgangs, Herr Schuchert, kommentieren konnte, dass hier für die kommenden Jahre nennenswerte Mittel für Neuinvestitionen vorgesehen seien.
Für ihre Übernachtung erreichten die Teilnehmer das Parkhotel Kerpen wegen der im Raum Köln-Bonn angespannten Verkehrssituation auf mehr oder weniger direkten Wegen, wurden dafür aber beim gemütlichen Beisammensein im zugehörigen Hotel Schweizer durch ein erstrangiges Menü entschädigt.
Zur Fahrt auf das Versuchsfeld der KWK Nordrhein-Westfalen in Kerpen-Buir holte der zuständige Pflanzenbaureferent, Herr Löwenich, die Teilnehmer am Hotel ab. Seine Führung durch die Sortenversuche und Wertprüfung Kartoffeln war mit vielen aufschlussreichen Informationen gespickt. Von den 33.000 ha Kartoffeln in NRW stehen die meisten in der Köln-Aachener Bucht mit ihrer starken Lößauflage, guten Niederschlägen und günstigen Witterung. Allerdings wurde hier mit dem Kartoffelbau erst Mitte der 1980er Jahre begonnen. Aber seither konnte sich im Gebiet die Erzeugung sehr früher Kartoffeln erfolgreich entwickeln: 2008 wurden die ersten Kartoffeln im Januar gepflanzt und die ersten am 10. Mai geerntet! Die anwesenden Züchter von Saka und Europlant registrierten gern die guten Ergebnisse ihrer Sorten. Aktuelle Versuchsfragen sind in diesem Jahre die frühe Schalenfestigkeit und der Einfluss einer frühen Krautentfernung.
Anschließend zeigte Herr Brendler, der Phytopathologe der Kammer, einen umfangreichen Versuch zur Kontrolle der Phytophthora, dem am Ort in der Kartoffel nach wie vor wichtigsten Krankheitserreger. Ende der 80er Jahre trat hier erstmals auch der A2-Typ auf, der in den folgenden Jahren zunehmende Aggressivität entwickelte. Seit Mitte der 90er veränderte sich das Rassenspektrum kaum noch. Aber die wirtschaftliche Relevanz von Phytophthora-Epidemien stieg weiterhin deutlich an, vermutlich aufgrund zunehmend günstiger Witterungsverhältnisse. Glücklicherweise hat die Industrie in den letzten Jahren eine Reihe neuer Wirkstoffe und Produkte (bessere Regenfestigkeit) auf den Markt gebracht. Hierzu konnte Herr Brendler einen umfangreichen Fungizidversuch an Bintje mit 7-, 10- und 14-tägigen Spritzabständen zur sicheren Vorbeugung epidemischen Phytophthora-Befalls vorstellen. Ein zweiter, ähnlich umfangreicher Versuch galt als Ringversuch der DPG der Alternaria-Bekämpfung.
Den Abschluss der Tagung bildete eine eindrucksvolle Fahrt in den Braunkohle-Tagebau der RWE Power AG in Garzweiler: Größe der Abbaugrube 67 km2, aus der täglich rd. 1 Mio m3 Wasser abgepumpt werden müssen. Drei Kohleflöze, das unterste 170 m tief. Drei Schaufelradbagger (mit je 13.500 t Gewicht und 4 Personen Besatzung) bewegen täglich max. 240.000 m3 Kohle bzw. Abraum, die 5 km lange Laufbänder in 27 km/Std. Geschwindigkeit abtransportieren. Sie versorgen die beiden Kraftwerke Frimmersdorf und Neurath mit dem täglichen Bedarf von je 100.000 t Kohle und bringen den Rest in zwei Kohlebunker von je 300.000 t Lagerkapazität. Denn die erzeugte Energie wird rund um die Uhr und im Winter wie Sommer benötigt.
Gleichzeitig erfolgt der Rückbau des Geländes in weitestgehend ursprünglicher Schichtung. Für die ersten 7 Jahre der Bewirtschaftung dieses Neulands betreibt die RWE in eigener Regie 3 Schirrhöfe. Einer der Betriebsleiter ist unser Führer, Herr Ing.agr. Woopen, der interessant von den Problemen auf diesen Großflächen berichtet. Diese sind mit ihrer gleichmäßigen 2m dicken Lößauflage zunächst biologisch tot und ohne jeglichen Humusgehalt. Als erste Frucht steht für 3 Jahre Luzerne, dann können Getreide folgen. Bodenherbizide wirken wegen des fehlenden Humus vielfach stärker als normalerweise, und schwere Landmaschinen können im Untergrund unreparierbare Druckschäden verursachen. Zweimaliger Zuckerrübenanbau kann zu epidemischer Nematodenvermehrung führen und Kartoffeln haben in den ersten Jahren keinerlei Geschmack, ihr erstmaliger Anbau ist frühestens nach 10 Jahren denkbar.
(G.Röbbelen, Göttingen)