Bericht des Treffens vom 13./14. Juli 2006 in Hillscheid bei der Fa. Fischer “Genetik und Molekularbiologie der Blüte von Zierpflanzen”

– 45 Teilnehmer –

Organisation:
Prof. Th. Debener, Hannover, Dr. M. Mehring-Lemper, Hann.Münden

Herr Ernst Groth begrüßt die Teilnehmer im Namen von Herrn Gerhard Fischer, dem Firmenchef des 1958 gegründeten, heute weltweit agierenden Familienunternehmens. Prof. Debener eröffnet die Tagung und nennt das o. g. Schwerpunktthema, das am ersten Halbtag mit 4 eingeladenen Vorträgen behandelt wird.

Frau Dr. P. Nutt, Universität Jena, beschreibt einführend das für die Blütendifferenzierung heute allgemein verwendete Regulationsmodell, nach dem die vier Organkreise der Blüte, Kelch-, Blüten-, Staub- und Fruchtblätter, durch sequentielle Aktivierung von A-, B- und C-Genen am Sprossvegetationskegel entstehen. Diese Abfolge kann durch spontane oder induzierte Mutationen oder auch gezielt durch antisense-Technik verändert werden. Verantwortlich sind als MADS-Box-Gene bekannte Transkriptionsfaktoren, die durch spezifische DNA-Bindung ihrer Proteine in das Differenzierungsgeschehen eingreifen und durch deren Analyse in Mutanten von geeigneten Modellpflanzen (Arabidopsis, Capsella, Antirrhinum u.a.) Einzelschritte der Organogenese besser verständlich werden können.

Prof. G. Forkmann, Freising, berichtet über die „Genetik und Molekularbiologie der Blütenfarben“. Die Grundlage für die fast unbegrenzte Farbenfülle sind rd. 7.000 verschiedene molekulare Strukturen, von denen die häufigsten zu den Carotinoiden, Betalainen und Flavonoiden gehören und unter den letzteren wiederum die meisten Anthocyane sind. Die drei wichtigsten Anthocyane: Pelargonidin (hellrot), Cyanidin (tiefrot-violett) und Delphinidin (blau) unterscheiden sich durch ihre Hydroxylierung am Ring B in 3’-, 4’- und 5’-Position. Eine erste praktische Anwendung dieser Kenntnisse ist die seit 2002 auf dem Markt befindliche „blaue Nelke“, die durch Transformation mit dem in Nelken natürlicherweise nicht vorhandenen F3’5’Hydroxylase-Gen geschaffen wurde (s. Vortr. Pflanzenzüchtg. 61, 138-148, 2003). Dem Vernehmen nach kostete dieses Zuchtprogramm die Firma Florigene rd. 28 Mio. US $ und benötigte über rd. 15 Jahre >30 Mitarbeiter, die unter ca. 1.000 Transformanten letztlich diesen einen Genotyp selektierten. Verkauft wird die blaue Nelke in Europa vor allem in England; in Deutschland befürchten die einschlägigen Anbieter Akzeptanzprobleme, die auch ihr konventionelles Sortiment beeinträchtigen könnten.

Dr. E. Fridman arbeitet an der Hebrew University, Jerusalem, über Stoffwechselwege zu Blütenduftstoffen in spezialisierten Zellen. Zur Chemodiversität tragen insbesondere Phenylpropane sowie Mono- und Sesquiterpene bei. Dr. Fridman berichtete über konkrete Details molekulargenetischer Untersuchungen und Marker-gestützter Selektion auf Phenylpropane (Eugenol) bei Basilikum.

Dr. S. Davis, MPIZ Köln, betont einleitend, dass in diesem Institut keine Züchtung, sondern Grundlagenforschung betrieben wird, für die im Wesentlichen Modellpflanzen (Arabidopsis) verwendet werden. Der Vortrag betrifft die Kontrolle der Blühzeit. Im Speziellen wird die circadiane Uhr (Tagesrhythmen metabolischer Prozesse) genannt, für die rd. 30 Gene von besonderem Interesse sind. Als Beispiel dient das elf4-Gen, das an der Tageslängenreaktion von Arabidopsis beteiligt ist. Vorgestellt wird ein geplantes Forschungsvorhaben an Cassava, in die ein solches Gen mit einem (Äthanol-)induzierbaren Promotor durch Transformation eingeführt werden soll. Dazu sind Vorarbeiten an Arabidopsis vorgesehen.

Den ersten Halbtag beschließt ein geselliges Beisammensein mit Abendessen im ****Hotel Heinz im benachbarten Höhr-Grenzhausen.

Die 6 Kurzvorträge am folgenden Morgen stellen Forschungsergebnisse aus Arbeiten von AG-Mitgliedern vor :

D. Heckel, Zierpflanzenbau Hannover: „„Klonierung und Analyse von A-Funktionsgenen bei verschiedenen Blütentypen der Rose (Rosa hybrida L.)“.

Klonierung und Expressionsanalyse von A-Funktionsgenen bei aberranten Blütentypen von Rosen unter verschiedenen Umweltbedingungen.

L. Meyer, Zierpflanzenbau Hannover: “Somatische Hybridisierungen bei Petunia und Calibrachoa“. Somatische Hybridisierung bei Petunia und/mit der nahe verwandten Gattung Calibrachoa (Mini-Petunien); Fusion von Blattmesophyll- und Petalen-Protoplasten, Nachweis der Hybriden mittels Durchflußcytometrie bzw. RAPD-Markern.

C. Seitz, Zierpflanzenzüchtung München-Weihenstephan: „Strategien der Blaufärbung bei Blüten von Asteraceen“. Analyse der Farbstoffe (Cyanidin, Delphinidin) und beteiligten Hydroxylasen, im Stammbaum entstand das F3’5’H-Enzym mehrfach, Coevolution mit Bestäuberinsekten.

A-K. Lühmann, Angewandte Genetik Hannover: „Molekulare Untersuchungen zur genetischen Diversität des Sternrußtaus an Rosen“. Entstehung von genetischer Diversität beim Sternrußtau an Rosen: Entwicklung molekularer Marker, mit diesen Rassenanalyse in verschiedenen Pilzpopulationen aus alten Rosenkulturen (z.B. Rosarium Sangerhausen) vs. Neuanpflanzungen und Rückschluss auf die Entstehung und Verbreitungsgeschwindigkeit von neuen pathogenen Rassen (Risikomodell).

U. Ryschka, BAZ Quedlinburg: „Protoplastenfusion bei Pelargonium“. Schaffung der methodischen Voraussetzungen für eine Protoplastenfusion bei Pelargonien:
In-vitro-Meristemkultur, Protoplastenisolation und Regeneration in Tröpfchenkultur, Fusion mittels PEG oder Biolistik, Selektion der Heterofusionsprodukte (nach vorheriger Bestrahlung eines Partners).

S. Plaschil, BAZ Quedlinburg: „Übersicht über die geplanten Projekte an Erica gracilis und Rhododendron“ Übersicht über die in der neuen Arbeitsgruppe von Frau Plaschil geplanten züchterischen Vorhaben bei Erica gracilis und Rhododendron; Erstellung einer Datenbank (Literatur), Sammlung von genetischem Material, Entwicklung von Techniken für die In-vitro-Kultur, für die Mutagenese, insbes. Polyploidisierung, die Kreuzung und Resistenzbestimmung.

In der Abschlussdiskussion werden mögliche Themen für die nächste AG-Tagung erörtert. Favorisiert wird: „Einsatz von molekularen Markern in der Zierpflanzenzüchtung – Merkmale, Methoden, Kosten“. Genannt werden auch: „Potentiale und Realisierung transgener Zierpflanzen“ und „In-vitro-Verfahren – Somatische Embryogenese, künstliche Samen“.

Prof. Debener stellt das Ergebnis einer Umfrage unter den einschlägigen Zierpflanzen-Zuchtfirmen in Deutschland vor, mit der Bedarf und Qualifikation des zukünftigen Personals (Nachwuchs) und damit zugleich die Meinung über Stellenwert und Verfügbarkeit wichtiger züchterischer Methoden (klassischer und molekularer) erhoben wurde. Hohe Priorität für zukünftige Arbeitsanforderungen wird den klassischen Zuchtmethoden, eine deutlich geringere z.B. den Markertechniken zugeschrieben. „Stand und Entwicklung der Zuchtmethoden bei Zierpflanzen (und der Einbau und die Bewertung molekulargenetischer Verfahren)“ sollte daher in einer kommenden AG-Tagung auch einmal thematisiert werden!

Nach einem Mittagsimbiss endete die Tagung mit einem Rundgang durch die riesige Gewächshausanlage und die Freilandprüfungen. Von den 35.000 m 2 Hochglasfläche am Ort dienen 30.000 m 2 der Jungpflanzenproduktion und nur der Rest der Neuzucht. Hier zeigte Frau K. Zerr ihre Arbeiten mit Poinsettien. Züchtung von Pelargonien erfolgt bei Fischer schwerpunktmäßig auf den Kanaren, von Neu-Guinea-Impatiens in Portugal. Sehr viele Prüfungen stehen in den USA, die zugleich ein Hauptabsatzgebiet sind. Während anfänglich (1958) die Firma „pelfi“ auf Pelargonien spezialisiert war, verfügt sie heute – nach Übernahme der amerikanischen Firma Goldsmith in ihrem „goldfish“-Sortiment über eine breite Palette (aller) wichtigen vegetativ vermehrten Zierpflanzen und zählt international zu den größten Anbietern.

(G. Röbbelen, Göttingen)