Bericht des Treffens vom 16. November 2005 in Quedlinburg “Züchtungsforschung an Arznei- und Gewürzpflanzen aus der Familie der Umbelliferen”

– 45 Teilnehmer –

Leitung:
PD Dr. Friedrich Pank, Quedlinburg

Die diesjährige Vortragstagung wurde wieder wie schon in früheren Jahren gemeinsam vom Institut für gartenbauliche Kulturen der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen Quedlinburg und der Arbeitsgruppe 17 „Arznei- und Gewürzpflanzen“ der Gesellschaft für Pflanzenzüchtung veranstaltet. Die Teilnehmer waren aus ganz Deutschland, aber auch aus Bulgarien, Frankreich und Ungarn nach Quedlinburg gekommen, um über “Züchtungsforschung an Arznei- und Gewürzpflanzen aus der Familie der Umbelliferen” zu diskutieren. Umbelliferen verdienen auf Grund ihres Formenreichtums und der Vielzahl ihrer bioaktiven oder olfaktorisch bedeutsamen Sekundärstoffe die besondere Beachtung der Pflanzenzüchter. In 16 Vorträgen wurden Arbeitsgebiete angesprochen, die von großer Bedeutung für die Arznei- und Gewürzpflanzenzüchtung sind: Genetische Ressourcen mit speziellen Merkmalsausprägungen, Charakterisierung von Schaderregern als Voraussetzung einer erfolgreichen Resistenzzüchtung, züchterische Verfahren bei der Linienentwicklung, bei Resistenztests, der Anwendung molekularer Marker und rationeller chemischer Analysen sowie Übersichten zur Leistungsfähigkeit von Sorten im In- und Ausland.

Die Umbelliferen (Apiaceae) gehören mit etwa 446 Gattungen und 3540 Arten zu den größten Familien der Blütenpflanzen. Wegen der charakteristischen Inhaltsstoffe sind zahlreiche Arten als Nutz-, Kultur- und Giftpflanzen für den Menschen von Bedeutung. Mindestens 117 Arten (ohne Zierpflanzen) werden als Kulturpflanzen genutzt. Hauptnutzungsrichtungen sind Arzneipflanzen (41%) vor Gemüse-, Salat- und Stärkeknollenpflanzen (23,1%) und Gewürzpflanzen (19,7%) (K. Pistrick, Gatersleben) . Für die verarbeitende Industrie sind z.T. auch kleinere Mengen von weniger bekannten Arten wirtschaftlich von nicht geringer Bedeutung (E. Schneider, Marklkofen) . Die Untersuchung der Inhaltsstoffe von Akzessionen der Genbank des Institutes für Pflanzengenetik und Kulturpflanzen-forschung Gatersleben ergab eine große Variabilität der ätherischen Samenöle, und es konnten unterschiedliche Chemotypen definiert werden (H. Krüger, Quedlinburg). Forschungs- und Züchtungsaktivitäten auf molekularer Ebene sind überwiegend bei Möhre und Sellerie zu finden, nur ansatzweise bei Petersilie, Kümmel, Fenchel, Kerbel u.a.. Die mit Möhre erzielten Ergebnisse können jedoch Anregungungen für entsprechende Arbeiten auch an anderen Umbelliferenarten geben (z.B. molekulare Charakterisierung von cms-Cytoplasmen) (T. Nothnagel, Quedlinburg).

Schaderreger an Dill sind Mycosphaerellaanethi und die Bakterien Pseudomonassyringae und P.fluorescens. Bei der Prüfung von Resistenz gegen Pseudomonas werden Blätter durch Anschneiden mit einer in Inokulum getauchten Schere inokuliert. Parsley virus Y (ParVY) und Carrot red leaf virus (CRLV) werden mit Hilfe von Myzus persicae auf die Pflanzen übertragen, deren Wachstum nach der Infektion gehemmt wird, und die eine rötliche Färbung aufweisen (A. Kusterer, Aschersleben). Nach Evaluierung von 200 Fenchel-Akzessionen gelang die Selektion von Populationen mit stark verminderter Anfälligkeit gegen Mycosphaerella anethi. Die Resistenz wird genetisch kontrolliert und ist damit der Resistenzzüchtung zugänglich (F. Pank, Quedlinburg). Wuchshöhe und Doldenzahl – und beim zweijährigen Kümmel auch der Wurzeldurchmesser – waren mit dem Ertrag positiv korreliert. Die Merkmale wiesen eine stärkere Variabilität bei einjährigem Kümmel auf. Eine sichere Abgrenzung der einjährigen Taxa mit der Hauptkomponenten-Analyse war nicht möglich, was als Hinweis auf eine gemeinsame Entstehung gewertet werden kann (E. Németh, Budapest). Bei der Entwicklung von Linien als Komponenten für synthetische Sorten des einjährigen Kümmels bewährte sich die Erweiterung der genetischen Diversität des Ausgangsmaterials durch Kreuzung von einjährigem Kümmel mit zweijährigen Sorten. Durch Selektion auf hohen Ertrag konnte ein Abfall der Leistung der Linien nach zwei Zyklen von Selektion und Inzucht weitestgehend vermieden werden (F. Pank, Quedlinburg). An ein- und zweijährigen Kümmelherkünften wurden Alternaria-Arten (A. alternata, A. tenuissima, A. radicina), Septoria carvi, Phoma exigua, Erysiphe heraclei und in seltenen Fällen auch Mycocentrospora acerina beobachtet. Die Symptome der Doldenbräune werden durch Alternaria spp., Botrytis cinerea, Cladosporium spp., Stemphylium sp., Synchytrium aureum, Phomopsis diachenii und Fusarium spp. hervorgerufen. Beim Test von einjährigem Kümmel auf Resistenz gegen Phomopsis diachenii und Alternaria spp. bewährte sich die künstliche Infektion von Ganzpflanzen im Gewächshaus. Der PTA-ELISA erwies sich als wertvolle Ergänzung der visuellen Bonitur (J. Gabler, Aschersleben). Im Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben sind derzeit 457 Koriander-Akzessionen verfügbar. Lagerung bei -15°C und einer rel. Luftfeuchtigkeit von <10% erhält die Keimfähigkeit auf hohem Niveau (95%) seit 1975. Zur Differenzierung des Materials eigneten sich besonders Anzahl und Form der Blätter, Pflanzenhöhe, Blütenfarbe und Form und Tausendkorngewicht der Samen (U. Lohwasser, Gatersleben.). Die Züchtung von Petersilie ist in Europa vorwiegend auf die Entwicklung von mooskrausen Sorten für den Frischmarkt ausgerichtet. Wichtige Zuchtziele sind Wüchsigkeit, große Blätter, Krankheitsresistenz, Resistenz gegen Septoria, Mehltau (Plasmopara nivea) und Sclerotinia, hoher Trockenmassegehalt und gute Sensorik (L. van Niekerk, Darbonne/F). Alternaria radicina ist mit dem Saatgut übertragbar und schädigt vor allem die Keimlingspflanzen von Petersilie und Dill (U. Gärber u. E. Nega, Kleinmachnow). Septoria petroselini verursacht Blattflecken an der Petersilie. Beim Screening einer umfangreichen Sammlung wurden Genotypen mit verminderter Anfälligkeit gefunden, die als Ausgangsmaterial für die Entwicklung resistenter Linien verwendet werden können (F. Marthe, Quedlinburg ).

Moderne analytische Methoden gestatten eine erhebliche Steigerung der Effizienz bei der Untersuchung der Inhaltsstoffe an Zuchtmaterial der Umbelliferen. Zu diesen Methoden gehören: Festphasen-Mikroextraktion (SPME), Mikro-destillation, simultane Destillation/Extraktion (SDE) und vor allem schwingungs-spektroskopische Messungen, die den Vorteil einer zerstörungsfreien, raschen und vergleichsweise einfachen Arbeitsweise aufweisen (H. Schulz, Quedlinburg.).

Der Anbau von Umbelliferen hat in Bulgarien eine große Bedeutung (Koriander: 77 620 ha, 77 658 t im Jahre 2004). Es wurde eine Übersicht der verfügbaren Sorten von Dill, Knollen- und Schnittsellerie, Kümmel, Koriander, Kreuzkümmel, Blatt- und Wurzelpetersilie und Anis gegeben (R. Todorova, Sofia/BG). Das von der Fa. N. L. Chrestensen Erfurter Samen- und Pflanzenzucht GmbH Erfurt erhaltungszüchterisch bearbeitete Sortiment umfasst Koriander, Petersilie, Fenchel, Dill, zwei- und einjährigen Kümmel (W.D. Blüthner, Erfurt).

Die Tagung vermittelte eine Fülle wertvoller Informationen und Anregungen für die weitere Arbeit. Allgemein kann festgestellt werden, dass in vielen Bereichen durch die Züchtungsforschung ein guter Vorlauf geschaffen wurde, auf den die Saatzuchtbetriebe bei Züchtung neuer Arznei- und Gewürzpflanzen-Sorten zurückgreifen können. Die Zusammenfassungen der Vorträge wurden den Teilnehmern zur Tagung als Broschüre ausgehändigt. Die Ergebnisse ausgewählter Beiträge werden in der Zeitschrift für Arznei- & Gewürzpflanzen veröffentlicht.

 (F. Pank, Quedlinburg)

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