EuGH-Urteil: Moderne Züchtungsverfahren gelten als Gentechnik

Mit seinem heute gefällten Urteil unterwirft der EuGH sämtliche Pflanzen, deren Genome mit Hilfe des Genome Editing verändert wurden, den Regelungen des Gentechnikrechts. Die Regelung gilt unabhängig von der Größe der Mutation. Die Veränderung einer einzigen Base mit Hilfe von Genome Editing-Techniken wird gleichgesetzt mit dem Transfer eines kompletten Gens.

Dieses Urteil steht im krassen Widerspruch zu den Auffassungen wissenschaftlicher Verbände, die wiederholt darauf hingewiesen haben, dass Mutationen, die durch Genome Engineering erzeugt wurden, grundsätzlich nicht von natürlichen Mutationen unterscheidbar sind.

Mutationen stellen die Grundlage der Evolution dar. So erfährt das Genom einer Weizenpflanze im Laufe ihres Wachstumszyklus ca. 100 Mutationen. Durch künstlich induzierte Mutagenese werden Nutzpflanzengenome seit vielen Jahrzenten verändert, um verbesserte Sorten zu entwickeln. Entsprechende Pflanzen werden wie konventionell gezüchtete Sorten behandelt, da keinerlei Risiken für Mensch, Tier oder Umwelt erkennbar bzw. bekannt sind. Da die mit Hilfe des Genome Editing erzeugten Mutationen von den mit Verfahren der induzierten Mutation erzeugten nicht zu unterscheiden sind, sollte hier somit auch die gleiche Risikoeinschätzung vorliegen.

Des Weiteren bestätigt der EuGH in seinem Urteil, das herkömmliche (induzierte) Mutationen nicht Gegenstand der europäischen Regelungen zur gentechnisch veränderten Pflanze sind und er nationale Gesetzgebung unterliegen. Es ist somit davon auszugehen, dass sich unsere Gerichte in Zukunft auch mit möglichen Anbauverboten von Pflanzen, die mit herkömmlicher Mutagenese entstanden sind (Herbizidtoleranzen) beschäftigen müssen.

Vor diesem Hintergrund ist das Urteil des EuGHs wissenschaftlich nicht nachvollziehbar. Es verhindert die Nutzbarmachung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Züchtung verbesserter Nutzpflanzen. Ebenso wird es die Forschungsarbeiten auf absehbare Zeit erheblich behindern. Mit Hilfe des Genome Editing hätte für die Züchtung die Möglichkeit bestanden, vor dem Hintergrund des zu erwartenden Wegfalls von fungiziden und insektiziden Wirkstoffen, sowohl für den konventionellen als auch für den ökologischen Landbau, beschleunigt resistente Sorten als Grundlage einer umwelt- und verbraucherfreundlichen Pflanzenproduktion zu erstellen. Diese Chance ist nunmehr vertan, sodass die GPZ das Urteil des EuGHs und die damit verbundene Innovationsabstinenz sehr bedauert.

26.07.2018

Andreas Graner