– 98 Teilnehmer –
Organisation:
Dr. Karin Förster, Halle
Aktuellen Berichten zufolge war das Wetter der letzten Jahre von Extremen bestimmt, von Trockenperioden ebenso wie Überschwemmungen mit teils katastrophalen Folgen. Auch im langfristigen Trend steigt die mittlere Jahrestemperatur, und es ändert sich die saisonale Niederschlagsverteilung. Auf was muss sich die Landwirtschaft einstellen? Kann die Pflanzenzüchtung Sorten bereitstellen, die witterungsbedingten Stress besser tolerieren? Entsprechend der wirtschaftlichen Bedeutung solcher Fragen und der wissenschaftlichen Komplexität des Problems lag es nahe, Experten verschiedener Disziplinen zum Erfahrungsaustausch einzuladen. Für dessen fachliche Vorbereitung hatten sich die Leiter der AGs 6 (Frau Dr. C. Balko, Groß Lüsewitz), 8 (Frau Dr. K. Förster, Halle) und 10 (Prof. W. Friedt, Giessen) zusammengefunden.
Zu Beginn der Tagung begrüßte der Rektor der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Prof. W. Diepenbrock, die Teilnehmer im historischen Roemer-Hörsaal des Instituts für Agrar- und Ernährungswissenschaften. Er stellte in wenigen Worten die einschneidenden Änderungen vor, die im vergangenen Jahr die Universität Halle hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur (aus 18 Fachbereichen wurden 9 Fakultäten), der Lehre (generelle Einführung des Bachelor- und Master-Studiums) und der Raumplanung (Neubauvorhaben im Gebiet Heide-Süd) erfahren hat. Dem jüngsten Gutachten des Wissenschaftsrates entsprechend wird dort zunächst ein Zentrum für Pflanzenwissenschaften entstehen, wie der Institutsdirektor Prof. M. Rodehutscord anschließend berichtete. Als dritter Redner würdigte Prof. Friedt in seiner Begrüßung die besonderen wissenschaftlichen Leistungen wie auch das große menschliche Engagement von Prof. Dr. Dr. h. c. Klaus-Ulrich Heyland, der am 29. November 2006 in Königswinter bei Bonn verstarb. Geboren in Halle und von 1969 bis 1992 Inhaber des Lehrstuhls für Speziellen Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn war Prof. Heyland nach der Ausgründung der GPZ aus der GPW in dem ihn auszeichnenden Bemühen, fachliche Verbindungen auch über die Grenzen seines eigenen Arbeitsgebietes zu pflegen und auszubauen, der erste Leiter der gemeinsamen AG Saatgut- und Sortenwesen.
Zum Thema der Tagung und der diesbezüglich laufenden Forschung vermochten die zumeist eingeladenen 18 Redner mit ihren Beiträgen insgesamt eine attraktive Übersicht zu vermitteln. Alle Vorträge sollen deshalb zusammen mit den 18 Posterbeiträgen gedruckt und in Heft 72 der GPZ-Reihe ‚Vorträge für Pflanzenzüchtung’ noch vor Jahresende allgemein verfügbar gemacht werden. Der nachfolgende Bericht kann sich deshalb auf wenige Hinweise zu den vorgetragenen Eckpunkten der Thematik beschränken.
Die globale Temperatur hängt, wie der Klimatologe G. Groß, Hannover, einleitend klar machte, von der Sonneneinstrahlung (Solarkonstante), dem Albedo-Effekt (Farbe der Erde) und der Erdatmosphäre (d.h. deren Rückstrahlung) ab. Ohne Atmosphäre läge die mittlere Temperatur der Erde bei -15°C anstatt der tatsächlichen +15°C. Dieser „natürliche Treibhauseffekt“ sorgte im vergangenen Jahrtausend für einen ziemlich gleich bleibenden Klimaverlauf. In den letzten 100 Jahren jedoch führte der Ausstoß klimaaktiver Gase, wie Kohlendioxid, Methan, Lachgas und anderen, zu einem dramatischen, zusätzlichen „anthropogenen Treibhauseffekt“, dessen Auswirkungen man in den vergangenen Jahren als Rückgang der Gletscher in den Alpen oder Abschmelzen der Polkappen zunehmend auch öffentlich festzustellen begann. Eine verlässliche Vorhersage des Klimas ist aus verschiedenen Gründen derzeit noch nicht möglich. Alle plausiblen Szenarien gehen aber davon aus, dass Dürreperioden vor allem in den ohnehin gefährdeten Zonen der Erde zunehmen und die Wasserverfügbarkeit für die Menschheit zum vordringlichsten Existenzproblem werden dürfte. In Deutschland dürfte sich, bei insgesamt unveränderten Niederschlagsmengen, vor allem deren Verteilung ändern und im Sommer vermehrt Starkregenfälle (und Überschwemmungen) wie auch ausgeprägtere Hitze- und Trocken-perioden auftreten.
Reaktionen des Pflanzenbaus auf solche Veränderungen beschrieb O. Christen, Halle, auf der Ebene des landwirtschaftlichen Betriebs sowie hinsichtlich der angebauten Kulturpflanzen und Fruchtfolgen. Am einfachsten und aussichtsreichsten sei es, in Form neuer Sorten züchterische Verbesserungen der Klimatoleranz zu erreichen. Aber die Konsequenzen der möglichen Klimaänderungen, die H.-J. Weigel u. a. mit Freilandversuchen an der FAL in Braunschweig abzuschätzen versuchte, sind überaus komplex, und die Wechselwirkungen zwischen Stimulation der Photosynthese durch die erhöhte CO2-Konzentration, der stomatären Transpiration und dem Wasserstress noch kaum verstanden, von spezifischen Effekten, wie einer erhöhten Seneszenz von Zuckerrüben bei steigender CO2-Konzentration ganz abgesehen. Gemäß Ausführungen von F. Börnke, Erlangen, können Pflanzenphysiologen mit modernen Methoden der Manipulation des Kohlenhydratstoffwechsels transgener Pflanzen auf dem Wege zur Ertragssteigerung relevante Source-Sink-limitierte Einzelschritte aufklären. Die bearbeiteten Biosyntheseketten unterliegen jedoch ihrerseits der Regulation durch Entwicklungsgene, wie z. B. beim Übergang von der vegetativen in die generative Entwicklungsphase, so dass sowohl die Übertragbarkeit der Ergebnisse von Modell- auf Kulturpflanzen als auch die Merkmalsausprägung unter Feldbedingungen noch weitgehend unbekannt sind. Die Diskussionsrunden nach jeweils zwei Vorträgen waren ebenso lebhaft wie aufschlussreich.
Die zweite Sektion – nach Kaffeepause und Posterbesichtigung – war durch eher praktische Problemdarstellungen bestimmt. T. Bokeloh von der Fa. Strube-Dieckmann erörterte züchterische Bemühungen, die von der Wissenschaft (IfZ Göttingen) als Ertragspotential geschätzten 24 t Zucker je ha (bei aktuell 10 t/ha) im praktischen Zuckerrübenanbau zu realisieren. Zwar gibt es in neueren Sorten deutliche Verbesserungen hinsichtlich Hitze- bzw. Wasserstresstoleranz, kaum jedoch ohne Ertragsverluste bei guter Wasserversorgung! Zwei weitere Vorträge widmeten sich dem aktuellen Thema Biogasproduktion (A. Vetter, Jena, und S. Freydank, Leipzig) mit Untersuchungen zur Entwicklung von geeigneten mehrjährigen Fruchtfolgen in diesbezüglichen Anbausystemen. Als Beispiel für eine neue, in dem erwarteten wärmeren Klima besonders geeignete Pflanzenart berichtete R. Hoffmann-Bahnsen, Halle, über die Evaluierung russischer Herkünfte der Rispenhirse (Panicum miliaceum), die als C4-Pflanze mit höherem Wärmeoptimum und besserer Wassereffizienz in Mitteleuropa zukünftig Anbauinteresse finden könnte.
Vor dem abendlichen Beisammensein im Restaurant Wildschütz (Barfüßerstr. 9, sehr empfehlenswert!) gab es noch einen Genuss besonderer Art: eine Führung durch das Museum für Haustierkunde, in dem der ehemalige Kustos dieser einmaligen Einrichtung, Dr. J. Wussow, die vor allem von Julius Kühn in über 40 Jahren gesammelten Schätze aus dessen Haustiergarten und vieler weiterer Schenkungen kenntnisreich und spannend vorstellte – an diesem historischen Ort für viele vermutlich zum letzten Mal, denn die umgebauten alten Tierställe werden nach Umzug der landwirtschaftlichen Institute in das Neubaugebiet mit dem gesamten Areal anderen Nutzungen weichen müssen.
Am nächsten Morgen eröffnete W. Friedt den zweiten Halbtag mit einem Überblick über die verschiedenen Ansätze zur Züchtung von Nutzpflanzen auf Toleranz gegen Klimastress. Bereits durch vergleichende Anbauprüfungen in Gießen und Rauischholzhausen ließen sich Weizensorten mit besserer Anpassungsfähigkeit identifizieren. Zur Stresstoleranz kann konventionelle Züchtung auch durch Nutzung von Heterosis beitragen. Andererseits werden zunehmend aus molekulargenetischen Untersuchungen teils an Modellpflanzen, wie Arabidopsis, Gene bekannt, denen zentrale Bedeutung in der Reaktion auf osmotischen oder oxidativen Stress zukommt und die man anhand ihrer Sequenz auch in Kulturpflanzen (Weizen) erfolgreich auffinden und so auch ohne Gentransfer nutzen kann. Ein Beispiel in dieser Richtung verfolgt ein BMBF-Forschungsprojekt, über das Frau A. Kunert, Freising, berichtete, und das die Auswirkungen klimatischer Einflüsse auf die Weizenerträge in 7 Referenzregionen Deutschland’s mehrjährig ermitteln soll. Im gleichen Zuge werden in Freising die Wirkungen einer Blühzeitverfrühung als Maßnahme gegen die zunehmend häufigere Frühjahrstrockenheit an einem umfangreichen internationalen Sortiment von Winter- und Sommerweizen aus 32 Ländern und 5 Kontinenten untersucht und dazu Gene für Photoperiode, Vernalisation und Frühreife per se molekular charakterisiert und kartiert. Bei Samen spielt der verschiedene Aufbau der Samenhülle,, insbesondere Vorhandensein oder Fehlen von Endospermschichten um den Embryo, für Dormanz und Keimung entscheidende Rolle, die G. Leubner, Freiburg, als Pflanzenphysiologe untersucht. In Gefäßversuchen (J. Müller, Halle) erwies sich bei 40 bzw. 70 % max. Wasserkapazität die Triticalesorte ‘Lasko’ selbst osteuropäischen Winterweizensorten deutlich ertragsüberlegen.
In zwei Vorträgen aus der Arbeitsgruppe von A. Börner, Gatersleben, wurden mehr als 600 Genbankakzessionen der Gerste (ICARDA) für die molekulare Analyse von Wachstums- und Entwicklungsfaktoren im Feld bzw. von Salztoleranz in vitro eingesetzt und die Vorzüge einer Assoziationskartierung herausgestellt, die mit solchen wenig verwandten Formen schnell und kostengünstig möglich ist. Anschließend gab C. Jung, Kiel, einen Einblick in die derzeit laufenden Arbeiten zur genetischen und molekularen Charakterisierung der Blütenbildung, insbesondere der Bestimmung des Blühzeitpunktes, der im Zusammenhang mit veränderten Klimafaktoren heute vielfach auch kontrovers diskutiert wird. Erneut wurde hier, wie in dem Vortrag von W. Friedt (s. o.), deutlich, welch großes Potential sich aus der molekulargenetischen Pflanzenforschung weltweit für zukünftige züchterische Anwendungen eröffnet. Den Abschluss der Tagung bildeten drei informative Beiträge über Eisentoxizitätsresistenz bei Reis (F. Asch, Hohenheim) und die Klimatoleranz von Mais (J. Leipner und R. Messmer, Zürich). Für weitere Details wird auf die Druckfassungen der Vorträge verwiesen: Vortr. Pflanzenzüchtg. Heft. 72.
Insgesamt vermittelte die Tagung einen sehr guten Eindruck von der Komplexität der Klimareaktionen der Pflanze, von den teils schon heute praktizierten pflanzenbaulichen Maßnahmen zur Minderung von abiotischer Stressbelastung, insbesondere Wassermangel, von dem Potential der konventionellen Pflanzenzüchtung, insbesondere aber den Chancen der modernen Biotechnologie. Auf der Basis rasch wachsender Erkenntnisse der Grundlagen-forschung – insbesondere der Pflanzenphysiologie – sind zurzeit international beeindruckende Fortschritte hinsichtlich der Aufklärung von beteiligten Stoffwechselwegen und deren genetischer Kontrolle feststellbar. Diese liefern die theoretischen und methodischen Voraussetzungen für eine gezielte züchterische Verbesserung der Stresstoleranz und Ertragsfähigkeit unserer Kulturpflanzen.
(K. Förster, Halle/S., C. Balko, Groß Lüsewitz, W. Friedt, Gießen)