Gemeinsame Vortragstagung der GPZ AG Getreide und der GFP Abteilung Getreide am 25.-26. Juni 2013 in Gießen

Die gemeinsame Veranstaltung begann am 25. Juni mit einer Sitzung der GFP-Abteilung Getreide, in der über laufende und geplante GFP-Projekte berichtet wurde (interner Bericht der GFP-Geschäftsstelle gem. Verteiler).

Nach einem Imbiss schloss sich daran die GPZ-Vortragstagung an. Erfreulicherweise konnten dafür hoch angesehene Referenten aus dem In- und Ausland gewonnen werden, denen es in hervorragender Weise gelang, den aktuellen Stand der internationalen Weizenforschung in methodischer Hinsicht und bezüglich zentraler Herausforderungen der Weizenzüchtung darzustellen. Den gegenwärtigen Stand der internationalen «Genomforschung für und zu Weizen» stellte Prof. Dr. Beat KELLER, Universität Zürich (Schweiz), einer der international führenden Köpfe unter den Weizenforschern vor. In idealer Weise ergänzt wurde dieser Einblick in die Genomforschung durch den Redebeitrag von Prof. Dr. Uwe Rascher, Pflanzenwissenschaften, Forschungszentrum Jülich, über die derzeitigen und künftigen «Perspektiven der sensorgestützten nicht-invasiven Phänotypisierung», wobei der Fokus auf den entsprechenden Aktivitäten im Rahmen des Deutschen Pflanzen-Phänotypisierungs-Netzwerkes (DPPN) lag.

In einem weiteren Übersichtsvortrag stellte Prof. Dr. Frank ORDON, JKI, Quedlinburg, «Nationale und internationale Initiativen zur Stärkung der Weizenforschung: Konzepte und Ziele» vor. Hierbei ging er zunächst auf die Bedeutung des Weizens für die Welternährung und den bereits erzielten sowie benötigten Zuchtfortschritt ein und stellte anschließend die internationale Wheat Initiative, das französische Weizenprojekt BreedWheat sowie das in Großbritannien geförderte Projekt WISP vor. In einem nächsten Teil erläuterte er die Organisation und die Ziele der deutschen Forschungsallianz proWeizen, welche von Frau Dr. Tanja Gerjets, die auch an der Veranstaltung teilnahm, betreut wird. Abschließend zeigte er anhand der eingegangenen und proWeizen bekannten Anträge auf, dass im Rahmen der BMELV Ausschreibung „Innovationen zur Züchtung von leistungsfähigeren Weizensorten“ neben der Hybridzüchtung und der Verbesserung der Ertragsleistung auch die Verbesserung der Resistenz nach wie vor von großer Bedeutung ist. Vor diesem Hintergrund war es besonders erfreulich, dass Prof. Dr. Hermann BÜRSTMAYR, BOKU Wien, Tulln (Österreich), als international renommierter Fachmann auf diesem Gebiet für einen Vortrag über den «Stand der Resistenzzüchtung gegen Fusariosen» gewonnen werden konnte.

Obwohl in der Vergangenheit bereits erhebliche Fortschritte in der Weizenzüchtung gemacht wurden, sind für die notwendige weitere Verbesserung der Produktivität im Weizenbau noch bessere und leistungsstärkere Weizensorten notwendig. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Optimierung der Zuchtmethodik. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Zahl von Hybridsorten berichtete Dr. Volker LEIN, Saaten Union, Estrées-Saint-Denis (Frankreich) über «Stand und Aussichten der Hybridzüchtung bei Weizen». In schöner Weise komplettiert wurden die Betrachtungen zur Zuchtmethodik und Sortenwahl durch den Vortrag von Dr. Hubert KEMPF, Secobra, Moosburg, über «Optimale Weizensorten für die Landwirtschaft und Verbraucher».

Wegen der besonderen Aktualität und der speziellen Herausforderungen der Forschung folgen an dieser Stelle weitere Ausführungen zu den laufenden Aktivitäten hinsichtlich der Genomforschung und der Fusarium-Resistenzzüchtung bei Weizen.

Wie Beat Keller einleitend deutlich machte, ist die Genomanalyse beim Brotweizen durch die Komplexität des hexaploiden Weizengenoms besonders schwierig. Daher hat sich ein großes internationales Konsortium (International Wheat Genome Sequencing Consortium) dieser anspruchsvollen und für die Weiterentwicklung einer unserer wichtigsten Kultur- und Nahrungspflanzen besonders wichtigen Aufgabe angenommen. Die AG Keller widmet sich dabei der physischen Kartierung und Sequenzierung von Weizenchromosom 1AS. Wichtige Tools wurden entwickelt, wie z.B. eine umfangreiche BAC-Bibliothek für diesen Chromosomenarm. Die bereits sequenzierten Genome anderer Gräser wie Brachypodium, Reis und Sorghum stehen der Weizengenomforschung als Referenzen zur Verfügung. Die Zuordnung von BAC-Contigs und Genen kommt trotz der Komplexität des Genoms gut voran. Spezieller Forschungsgegenstand der AG Keller ist der Pm3/Glutenin-Locus, für den mittlerweile umfangreiche BAC-Contigs erstellt wurden, die den Großteil des Chromosomenarms abdecken. Im Hinblick auf die angestrebte Nutzanwendung der Grundlagenforschung in Form genomgestützter Züchtung sieht der Referent einige Herausforderungen: Zweifellos bestehen Chancen für eine effektivere Züchtung auf agronomische Merkmale anhand von Markerinformationen. In genetischer Hinsicht ist jedoch ein spezielles Problem darin zu sehen, dass viele funktionale Gene in Genomregionen liegen, die nicht oder schwer rekombinierbar sind. Generell gilt jedoch, dass die markergestützte Selektion für quantitative Merkmale bisher nicht recht vorangekommen ist. Bessere Chancen verspricht hier die Anwendung der Genomischen Selektion, bei der anhand von Phänotypdaten und hochdichten Markerdaten Zuchtwerte geschätzt und nachfolgend in der Neuzüchtung eingesetzt werden. Weitere Herausforderungen bestehen in der Entwicklung nutzbarer bioinformatischer Werkzeuge, der Ausbildung einer entsprechend geschulten, neuen Züchtergeneration und der Etablierung und Verfügbarmachung der neuen Ansätze und Methoden für die Züchtungspraxis, insbesondere in kleineren Unternehmen. Ein weiteres Hindernis – insbesondere für europäische Züchter – liegt in den hier gegebenen Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung transgener Pflanzen, denn auf gentechnischem Wege sind Ziele realisierbar, die sonst kaum oder nur schwer erreichbar sind; dazu gehört die Übertragung wichtiger Gene aus Wildformen in den Weizen, die direkte Modifikation funktionaler Gene, die Verstärkung der Genwirkung durch Einfügen effektiverer Promotoren etc. Die internationale Forschung – z.B. in Nordarmerika und Ostasien – zeigt, dass auf diese Weise noch große Fortschritte im Sinne einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Weizen erreichbar sind. Daher spricht sich der Referent für eine Verstärkung der internationalen Aktivität – auch der Feldforschung – auf diesem Gebiet aus, um den aktuellen Herausforderungen wie Ressourcenmangel, Klimawandel und Lebensmittelknappheit wirksam begegnen zu können. Dringend nötig um die Weizenzüchtung kompetitiver und erfolgreicher zu machen sind 1) eine komplette physische Karte des Weizens (sollte in zwei Jahren vorhanden sein), 2) eine vollständige Genomsequenz (vielleicht in 4 Jahren, Chromosom 3B ist bereits sequenziert) zwecks Erleichterung der Markerentwicklung und Genisolation und die Nutzung der genetischer Ressourcen in wilden oder primitiven Verwandten (transgene Ansätze).

Den aktuellen Stand der genetischen Analyse von Fusarium-Resistenz in Weizen und der Anwendung in der Weizenzüchtung stellte Hermann BÜRSTMAYR vor und berichtete über aktuelle Projekte zur markergestützten Züchtung bzgl. spezieller Merkmale am IFA-Tulln. Das Hauptproblem der Fusarium-Infektion von Weizen ist die resultierende Mykotoxin-Kontamination. Hoffnung macht jedoch die vorhandene, breite Variation bzgl. Resistenz im Weizensortiment, sowohl in exotischem Material als auch in Land- und Zuchtsorten. In über 50 Veröffentlichungen (seit 1999) wurden mehr als 200 QTL für Fusarium-Resistenz publiziert, die auf allen Chromosomen des Brotweizens lokalisiert sind. Die wenigen Arbeiten zu tetraploidem Weizen nennen T. dicoccoides, T. dicoccum oder T. carthlicum als Quellen, ebenso wie  wenige andere verwandte Spezies (Triticum macha, Thinopyrum ponticum). Resistente Sorten wie ‚Sumai 3‘ (chinesischer Sommerweizen) werden international stark genutzt, bisher allerdings weniger in der europäischen Winterweizenzüchtung. Weitere interessante Resistenzquellen sind die Weizenarten T. macha, T. dicoccum und T. dicoccoides. In der Züchtungspraxis wird nach wie vor primär die phänotypische Selektion von Pflanzen und Linien mit geringer Symptomausprägung – häufig nach künstlicher Infektion im Feld oder Gewächshaus – praktiziert. Neue Wege eröffnet hier künftig die gezielte markergestützte Selektion auf spezielle Resistenzloci (QTL) oder ggf. die genotypische Selektion anhand von genomabdeckenden Markern (Genomische Selektion). Zusammenfassend ist festzustellen, dass die klassische phänotypische Selektion nach wie als eine erfolgreiche Strategie der Züchtung auf Fusariumresistenz gelten kann, wobei sie jedoch sehr aufwändig ist. Daher wäre eine breitere Anwendung der molekularen Züchtung durch markergestützte Selektion auf QTL mit größeren Effekten wünschenswert und vielversprechend. Dabei könnten ggf. bestehende Assoziationen (Korrelationen, Kopplung, Pleiotropie) mit weiteren wichtigen Merkmalen besser berücksichtigt werden. Diesbezüglich besteht noch Forschungsbedarf, ebenso wie zur Entwicklung wirkungsvoller Ansätze einer Genomischen Selektion. Eine besondere Herausforderung ist die Verbesserung der Fusarium-Resistenz von Durum-Weizen. Hier dürften – ebenso wie bei Brotweizen – neue Introgressionen aus „wilden“ Verwandten hilfreich sein.

Die Veranstaltung wurde am 26. Juni 2013 (vormittags) fortgesetzt mit einer gemeinsamen Besichtigung von Feldversuchen zu laufenden Getreideprojekten des Gießener Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung an der Feldversuchsstation des Lehr- und Versuchsbetriebes Rauischholzhausen (Ebsdorfergrund).

Die diesjährige gemeinsame Vortragstagung der GPZ AG Getreide und der GFP Abteilung Getreide war ein voller Erfolg: hervorragende Vorträge ausgewiesener Referenten zu aktuellen und vorrangigen Themen der Weizenforschung und Züchtung waren Anregung für lebhafte Diskussionen, die leider durch die begrenzt verfügbare Zeit nicht ausführlicher und intensiver fortgesetzt werden konnten. In diesem Sinne ist eine Weiterführung und Vertiefung der Debatte wünschenswert und notwendig.

Wolfgang Friedt (Gießen)