Vortragstagung “Genetic diversity in maize breeding programs” 23./24. Mai 2017 in Hohenheim

-ca. 100 Teilnehmer-

Organisation: Dr. H. Meßner, DMK; D. Straet, DMK
Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. A. E. Melchinger, UHOH; Prof. Dr. A. Characosset, INRA

Unter dem Title “Genetic diversity in maize breeding programs“ fand in diesem Jahr unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Dr. A. E. Melchinger und Prof. Dr. A. Charcosset das erste Treffen der “French-German Maize Breeder School” statt. Der Tagungsort befand sich im Christkönigshaus in unmittelbarer Nähe zur Universität Hohenheim. Nach den Grußworten von Herrn Dr. H. Meßner, Geschäftsführer des DKM, und Prof. Dr. A. E. Melchinger diskutierten rund 100 französische und deutsche Wissenschaftler sowie zahlreiche Teilnehmer aus der Privatwirtschaft anhand der Fachvorträge internationaler Referenten, das Management, die Verbreiterung sowie die Nutzung genetischer Vielfalt in der Pflanzenzüchtung.
Session 1: Management and broadening of genetic diversity in breeding programs
Im ersten Vortrag gab B. Prasanna, CIMMYT, einen Überblick über die Entwicklung und den Einsatz von klimatisch widerstandsfähigem Mais in den Tropen. Er betonte die Wichtigkeit von preiswerten Maishybriden mit hoher biotischer und abiotischer Stressresistenz für Kleinbauern mit begrenzter Kaufkraft und Marktzugang. Dies veranschaulichte er anhand von Projekten des CIMMYT und Partnerorganisationen zur Züchtung von speziellen trockenresistenten Hybriden für Subsahara-Afrika sowie hitzeresistenter Sorten für Asien.
Im zweiten Vortag ging R. Leipert, KWS SAAT SE, auf die genetische Vielfalt in den globalen Zuchtprogrammen der KWS ein. Hierbei stellte er Möglichkeiten zur Charakterisierung von Diversität anhand von molekularen Markern dar. Zur Ausweitung der genetischen Vielfalt in laufenden Zuchtprogrammen stellte er ehemals kommerzielle Hybride mit ausgelaufenem Patentschutz sowie Genmaterial des CIMMYTs und aus Genbanken vor. Dabei wurde die oftmals vorhandene Leistungslücke und fehlende Angepasstheit genetischer Ressourcen hervorgehoben.
T. Eschholz, Maisadour, stellte in seinem Vortrag eine Studie zur genetischen Vielfalt des Zuchtmaterials von Maisadour im Vergleich zu öffentlich zugänglichem Material aus den Amaizing- und Panzea-Projekten vor. Hierbei beschrieb er Hinweise auf noch ungenutzte allelelische und haplotypische Vielfalt. Diese noch brachliegende Ressource soll im Rahmen von haploider rekurrenter Selektion züchterisch nutzbar gemacht werden.
Der nächste Vortrag von A. Murigneux, Limagrain, stellte das Management genetischer Vielfalt an unterschiedlichen Stellen im Zuchtprogramm dar und gab praktische Beispiele für die Einführung neuer Vielfalt.
Im letzten Vortrag der ersten Sitzung präsentierte C. Bauland, INRA, Ergebnisse eines Versuchs, um die genetische Vielfalt einer europäischen Flintpopulation (“Pyrennes-Galacia Flint”) für Elite-Flintlinien nutzbar zu machen. Dabei wurde in Zusammenarbeit mit ProMais ein Zuchtschema entwickelt, um neue Allele in Elitelinien zu bringen.
Session 2: Tools and approaches for broadening the genetic diversity with genetic resources
Im ersten Vortrag der zweiten Sitzung stellte T, Lübberstedt, Iowa State University, die Nutzung der Doppelhaploidentechnologie im Rahmen des “germplasm enhancement in maize” (GEM) Projektes vor. Hierbei werden Doppelhaploide (DH) zur Bewertung exotischen Genmaterials eingesetzt. Es wurde eine Fallstudie zur genomweiter Assoziationskartierung agronomischer Merkmale im Zusammenhang mit Stickstoffnutzungseffizienz in GEM-DH vorgestellt.
Im zweiten Vortrag wurde von A. E. Melchinger, UHOH, das Potential von Landrassen in der Maiszüchtung thematisiert. In einer Studie wurden aus sechs europäischen Landrassen mithilfe der DH-Technologie sogenannte “doubled haploid libraries” (DHL) entwickelt. Diese eignen sich hervorragend zur Konservierung und Verfügbarmachung der genetischen Vielfalt in Landrassen in Genbanken. Die Ergebnisse zeigten, dass der größte Teil der genotypischen Varianz für eine Reihe von Merkmalen innerhalb und nicht zwischen den DHL vorliegt. Gegenüber Elitelinien zeigten die DHL eine stark reduzierte Eigenleistung im Kornertrag.
Im Anschluss präsentierte J. Böhm, UHOH, Ergebnisse einer Pilotstudie zur Assoziationskartierung agronomischer und metabolomischer Merkmale in den DHL aus Maislandrassen, welche sich durch den rapiden Abfall des Kopplungsungleichgewichtes (LD) zwischen Loci hierzu anbieten. Hierbei wurden signifikante Assoziationen für vier aus 16 Merkmalen sowie für 60 aus 288 Metaboliten gefunden, was die Eignung von DHL für Kartierungszwecke untermauert.
Im vierten Vortrag wurden von M. Mayer, TUM, Forschungsergebnisse zur Diversität und zum LD zwischen Individuen aus insgesamt 35 europäischen Maislandrassen vorgestellt. Laut diesen Ergebnissen genügen durchschnittlich fünf Landrassen, um bereits 95% der molekularen Diversität abzubilden. Wenn verschiedene Landrassen zu einem Datensatz kombiniert wurden, zeigte sich ein starker Abfall des LD bis auf wenige Tausend Basenpaare.
A. Charcosset, INRA, berichtete über die Charakterisierung von genetischer Vielfalt von 1.191 Flintlinien von INRA und den europäischen Cornfed-Assoziationslinien. Dabei wurden sieben Vorfahrensgruppen innerhalb der Flintlinien ausgemacht. Innerhalb der Dentlinien wurde der Einfluss historischer Inzuchtlinien, u. A. B73 und Mo17, festgestellt.
S. Nicolas, INRA, präsentierte zum Abschluss des ersten Tages Forschungsergebnisse einer Studie zum Einfluss menschlicher Selektion und Umweltanpassung auf die genomweite Diversität von Landrassen. Im Rahmen der Studie wurde ein DNA-Pooling Ansatz entwickelt, welcher die zuverlässige Schätzung von Allelfrequenzen erlaubt und vor Ascertainment Bias schützt. Es wurden 376 SNPs unter diversifizierender Selektion entdeckt. Im Vergleich zu Inzuchtlinien wurde nur ein geringer Verlust der genetischen Vielfalt festgestellt.
Der erste Tag klang aus mit einer Weinprobe und einem zünftigen Vesper im Keller der Weingärtner-Genossenschaft Collegium Wirtemberg in Stuttgart-Uhlbach. Nach der Begrüßung durch Prof. Melchinger hielt der Senior der Veranstaltung, Eckhart Toussaint, mit 92 Jahren eine geschliffenen Rede, in der er auf Deutsch und Französisch einen Rückblick über die Entwicklung des Maisanbaus seit den 50er Jahren in Deutschland gab. Das besonders enge Verhältnis zwischen den französischen und deutschen Maiszüchtern wurde zu fortgeschrittener Stunde von Herrn Dr. Meßner vom DMK in einer auf Französisch gehaltenen Rede gewürdigt.
Session 3: Exploiting the genetic diversity in mapping populations and genomic prediction
Der dritte Vortragsblock knüpfte nahtlos an die bisherigen Vorträge an, in dem nun die konkrete Nutzung der identifizierten genetischen Diversität für Mais angesprochen wurde. A. Seye, INRA, stellte Methoden vor, um in den Dent- bzw. Flint-Elternpopulationen vorteilhafte Allele an QTLs zu finden, welche Merkmale für die Nutzung von Silomais beeinflussen. Das Auffinden von QTL konnte, durch die Annahme unterschiedlicher QTL-Effekte in den beiden Elternpopulationen, verbessert werden, was einen größeren Anteil der phänotypischen Varianz erklärte. Unter Berücksichtigung der besten QTL-Modelle für jedes Merkmal konnten, in Abhängigkeit vom betrachteten Merkmal, Vorhersagegenauigkeiten von bis zu 0.82 realisiert werden.
Im zweiten Vortrag von R. Rincent, präsentiert in Vertretung durch L. Moreau (beide INRA), wurden neue Kriterien vorgestellt, um den Trainingssatz für genomische Vorhersagen in Material mit Populationsstruktur zu optimieren. Hierzu wurden exemplarisch jeweils zwei hierarchische Assoziationskartierungspopulationen (NAM) und hochdiverse Maisgruppen verwendet. Die gefundenen Kriterien waren überwiegend effizient für die Erstellung der Trainingspopulationen und deuten Potenzial für die Verbesserung von Vorhersageansätzen in weiteren Szenarien an.
Der Nutzen von synthetischen Maispopulationen für genomische Leistungsvorhersagen wurde von P. Schopp, UHOH, thematisiert. Basierend auf Computersimulationen wurde gezeigt, dass Co-Segregation von SNPs und QTL maßgeblich die hohen Vorhersagegenauigkeiten in synthetischen Populationen mit wenigen Eltern bestimmt. Gegenläufig dazu erfordert Material mit geringer Verwandtschaft einen deutlich höheren Einsatz von Ressourcen – in Form von erhöhter Markerdichte und größeren Trainingsätzen – da Vorhersagegenauigkeiten hier maßgeblich vom Kopplungsungleichgewicht (LD) abhängig sind.
D. Müller, UHOH, präsentierte ein neues Kriterium (EMBV), um den Selektionsgewinn unter rekurrenter genomischer Selektion zu verbessern. Das EMBV-Kriterium prognostiziert den erwartungsgemäß besten aller möglichen Gameten, die ein Individuum zur nächsten Generation beisteuern würde. Es übertrifft die Standardmethode (GEBV) in Bezug auf den Selektionsgewinn nach etwa fünf Generationen.
Sessions 4 & 5: Miscellaneous topics
Das Potenzial von neuartigen biologischen Prädiktoren für die Hybridleistungsvorhersage in Mais wurde von M. Westhues, UHOH, erörtert. Hierbei wurden Pedigree-, Genom-, Transkriptom- und Metabolomdaten auf der Ebene der Elternlinien erhoben und sowohl einzeln als auch in zahlreichen Kombinationen miteinander verglichen. Die Merkmale Gesamttrockenmasseertrag und Proteinertrag konnten mittels Transkriptomdaten präziser als mittels genomischer Informationen vorhergesagt
werden. Eine Kombination von genomischen mit transkriptomischen Daten lieferte genaue Vorhersagen für alle sieben betrachteten Merkmale.
S. Unterseer, TUM, referierte über den Einfluss von Selektion auf die Ausprägung der heterotischen Gruppen Dent und Flint. Mittels genomweiter Markeranalysen wurden Regionen von Kandidatengenen herausgestellt, die molekulare Signaturen (selective sweeps) bedingen. Basierend auf dem Merkmal “Blühzeitpunkt” wurde erläutert, dass europäische Landrassen einen großen Anteil an der Diversität von Kandidatengenen im Elite-Flintmaterial tragen. Das Dent-Elitematerial war insbesondere durch Kandidatengene charakterisiert, die auf Umwelteinflüsse reagieren.
Im Anschluss berichtete C. Lehermeier, TUM, über die Nutzung multivariater, genomischer Regressionsmodelle zur Berücksichtigung heterogener Markereffekte über Subpopulationen hinweg. Diese Modelle ermöglichen die Schätzung populationsspezifischer Zuchtwerte und die Charakterisierung von Subpopulationen bezüglich Heterogenität. Es wurde verdeutlicht, dass die Unterschiede in den Effekten zwischen den Subpopulationen, neben der genetischen Distanz, auch vom untersuchten Merkmal abhängig sind.
W. Molenaar, UHOH, präsentierte Alternativen zum toxischen Colchicin zur Duplizierung von haploiden Chromosomensätzen. Es wurde gezeigt, dass insbesondere N2O, Amiprophos-methyl (APM) sowie Pronamid kostengünstige Alternativen zu Colchicin darstellen und den Vorteil bieten, Risiken für Anwender und Umwelt, im Vergleich zu Colchicin, zu reduzieren.
Im folgenden Vortrag ging W. Schipprack, UHOH, auf ein neues System zur Identifizierung von Haploiden in Mais ein. Bisher genutzte Anthozyaninmarker können nicht in jedem Zuchtmaterial zwischen haploiden Körnern und Kreuzungskörnern unterscheiden. Als Alternative wurde die Nutzung von Induktoren mit hohem Ölgehalt (ca. 11%) präsentiert, welche insbesondere für Flint- und tropisches Material eingesetzt werden können.
F. Hochholdinger, INRES, erläuterte wie sich genetische Unterschiede zwischen Maislinien auf die Genexpression in Primärwurzeln ihrer Hybridnachkommen auswirken. Mittels RNA-Sequenzierung von Genotypen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien wurden Hunderte von Genen identifiziert, die in der Hybride exprimiert sind, deren Expression aber nur in einer der beiden Elternlinien beobachtet wurde.
Im abschließenden Vortag der Tagung stellte B. Stich, Universität Düsseldorf, Ergebnisse zur Suche nach genetischer Diversität vor dem Hintergrund von barley yellow dwarf virus (BDMY) Resistenz vor. Mittels Assoziationskartierung konnte ein Kandidatengen auf Chromosom 10 kartiert werden, welches einen großen Anteil der phänotypischen Varianz in BDMY-Resistenz erklärt. Vor dem Hintergrund hoher Kosten, die mit der phänotypischen Erfassung von BDMY verbunden sind, präsentiert sich BDMY-Resistenz als idealer Kandidat für markergestützte Selektion.

Autoren: D. Müller (Hohenheim) und M. Westhues (Hohenheim)