Wissenschaftlicher Nachruf Tamás Lelley

Tamás Lelley, Zytogenetiker, Züchtungsforscher und akademischer Lehrer verstarb am 1. Jänner 2023 nach schwerer Krankheit im 81. Lebensjahr.

Tamás Lelley wurde am 10.4.1942 in Nitra, in der heutigen Slowakei, geboren.  Tamás absolvierte das Gymnasium in Eger und von 1960-1964 ein Studium der Agrarwissenschaften in Gödöllő. Er promovierte 1967 bei Prof. Barna Gyöffry in Gödöllő mit einer Arbeit über die Karyotypanalyse des Triticale. Seine Habilitation erhielt Tamás Lelley 1982 an der Georg-August-Universität Göttingen mit einer Arbeit über die genetische Interaktion zwischen Roggen- und Weizen-Genomen in Triticale. Sein dortiger Mentor war Prof. Gerhard Röbbelen.

Sein Berufsweg führte ihn von der Akademie der Wissenschaften in Budapest über eine Zwischenstation in der praktischen Pflanzenzüchtung bei der Saatzucht Gebrüder Dippe an die Universität Göttingen, wo er von 1970 bis 1991 wissenschaftlich tätig war. Wissenschaftliche Aufenthalte führten ihn 1976-1977 an das Plant Science Department der University of Winnipeg, Kanada, und 1991-1992 an das Cambridge Laboratory des John Innes Centre in Norwich, England. Tamás Lelley wechselte schließlich 1992 an das Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Universität für Bodenkultur Wien, wo er ab 1994 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2009 am Institut für Biotechnologie in der Pflanzenproduktion des Interuniversitären Departments für Agrarbiotechnologie in Tulln wissenschaftlich tätig war.

Tamás Lelley hatte früh Kontakt mit der Pflanzenzüchtung, sein Vater János war ein führender Weizenzüchter und Agrarwissenschaftler Ungarns und darüber hinaus. Tamás Lelley erwarb sich internationales Ansehen als Zytogenetiker unter anderem durch seine Arbeiten an Triticale und an chromosomalen Weizen-Roggen Translokationen. Er war einer jener Forscher, die im Ungarn der 1960er Jahre Genetik und Vererbung als Forschungsthema neu aufgriffen, was im damaligen Osteuropa nach der Dominanz des Lyssenkoismus lange Zeit als nicht opportun und unsozialistisch galt. Tamás Lelley blieb immer am Puls der Zeit und voll wissenschaftlicher Neugierde. Hervorzuheben sind seine Pionierarbeiten an Triticale, eine in den 1980-iger Jahren noch kaum bearbeitete Kulturart. Innovativ widmete er seine wissenschaftliche Aufmerksamkeit seit den 1990er Jahren vermehrt molekulargenetischen Fragestellungen, ohne dabei sein einmaliges zytologisches Talent aufzugeben. Er war talentiert am Mikroskop und konnte als akademischer Lehrer wie kaum ein anderer seinen Studierenden die Faszination für die Biologie der Chromosomen-vermitteln. So gelang es ihm als einem der ersten, die Struktur von Weizen- und Roggenchromosomen zu entschlüsseln, wozu er schon früh die damals neuartige differentielle Chromosomen-Bänderungstechnik nutzte. Auch in seiner letzten Schaffensperiode in Österreich wandte er sich neuen Forschungsobjekten zu, wie etwa der Resistenzforschung bei Ölkürbis.

Tamás Lelley publizierte in seinem Leben über 170 wissenschaftliche Artikel, über die Hälfte davon in renommierten internationalen Fachzeitschriften. Er engagierte sich durch viele Jahre im Herausgebergremium der Zeitschrift Euphytica. Unter seiner Leitung wurden 12 Doktorandinnen und Doktoranden promoviert, 6 in Göttingen und 6 an der Universität für Bodenkultur. Dabei war er ein geduldiger und unermüdlicher Förderer der ihm anbefohlenen Nachwuchswissenschaftler und -Wissenschafterinnen. Viele Absolventinnen und Absolventen, die unter seiner Leitung ihre Abschlussarbeit oder Dissertation angefertigt hatten, haben danach leitende Positionen in der Züchtungswirtschaft und -Forschung bekleidet.  Sein besonnenes Wesen, sein unermüdlicher Tatendrang, seine wissenschaftliche Korrektheit und nicht zuletzt seine freundliche Art machen ihn zu einem bleibenden akademischen Vorbild für seine Schülerinnen und Schüler sowie die Kollegenschaft.

Autoren:

Hermann Bürstmayr, Christian Jung, Heinrich Grausgruber, Johann Vollmann

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Tamás Lelley